War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Besondere Vorkommnisse in der Zeit des kalten Krieges

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon karnak » 17. Juni 2012, 06:10

Alfred!
Du bist immer vor mir rann.Wie machst Du das blos?Hast Du mich unter Kontrolle? [grin] [grin]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Alfred » 17. Juni 2012, 06:39

ABV,

diese Aussage stammt von E. Bahr :

„Gerade weil es keine Organisation gegeben hatte, war unbestreitbar: Der RIAS war, ohne es zu wollen, zum Katalysator des Aufstandes geworden. Ohne den RIAS hätte es den Aufstand so nicht gegeben.“

Hättest Du eine Einladung in die Russische Botschaft vor einigen Tagen gehabt, hättest Du Herrn Bahr fragen können, wie das damals war.

Aus meiner Sicht ist es nicht richtig, von einem Volksaufstand zu sprechen. Richtig wäre wohl von einer "Erhebung" von Teilen der Arbeiterklasse, vor allem in Berlin zu sprechen, denen sich dann tausende anschlossen. Man könnte auch von einen Massenstreik sprechen.
Zu einen Volksaufstand gehören aus militärischer Sicht z.B. ein Führungsgremium, eine Organisation mit entsprechenden Kadern, eine klare politische Zielstellung und ein Minimum an Bewaffnung und Ausrüstung.
Fast keins der 4 Merkmale existierte am 17.Juni 1953 in der DDR. Da sah es in Budapest 1956 ganz anders aus.
Außer in Berlin haben sich von den 14 Bezirken der DDR, in 12 Bezirken rund 225.000 Bürger an den Streiks beteiligt. Etwa 1 Million Menschen haben sich an den Demonstrationen mit den unterschiedlichsten Zielstellung beteiligt.

In jeden Land der Welt werde ich, wenn ich die Verfassung bzw. die Gesetze des Staates verletze zur Verantwortung gezogen. So war dies auch in der DDR. Was ist in der Verfassung der DDR vom 7.10.1949 im Artikel 6 zu lesen : "Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens, Rassen- Völkerhass, militärische Propaganda sowie Kriegshetze und alle sonstigen Handlungen die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches".

Jeder DDR Bürger , der am 17.Juni 1953 gegen diesen Artikel 6 der Verfassung verstossen hat, musste damit rechnen, dass er von der Justiz zur Verantwortung gezogen wird.

Das es bei vielen DDR - Bürgern , 8 Jahre nach Beendigung des Krieges eine bestimmte Unzufriedenheit gab, ist eine Tatsache. Es gab Ungerechtigkeiten und auch viele Härten und andere negative Erscheinungen.

Man sollte sich aber um eine objektive Betrachtung bemühen.
Alfred
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 17. Juni 2012, 08:49

Der Volksaufstand in der DDR lässt sich nicht zuletzt auf wirtschaftliche Gründe zurückführen.
Die tiefen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einschnitte, die das Land erschütterten, waren nicht mehr zu leugnen.
Im Mai 1953 wurde das Gesetz zur Erhöhung der Arbeitsnormen um 10,3 Prozent verabschiedet. De Facto bedeuteten diese Beschlüsse mehr Arbeit für den Einzelnen bei gleichbleibender Entlohnung.

Schon im Mai kam es wegen der Normerhöhungen in Finsterwalde, Gotha, Hennigsdorf, Karl-Marx-Stadt, Nordhausen und Ost-Berlin zu Protesten, heftigen Auseinandersetzungen, Kurzstreiks und Arbeitsniederlegungen.

Vor allem die Arbeiter fühlten sich durch diese Politik benachteiligt. Bereits am 15. und 16. Juni 1953 kam es zu Protesten und Warnstreiks. Unruheherd waren die Großbaustellen in Ost-Berlin rund um die Stalinallee. Aber schon bald wurde nicht nur die Rücknahme der Normenerhöhung gefordert, die Arbeiterschaft setzte sich jetzt auch für freie Wahlen, die Wiedervereinigung und die Ablösung der Regierung unter Walter Ulbricht ein. Am nächsten Tag wurden die Demonstrationen fortgeführt. Die Aufstände griffen auf die gesamte DDR über: In Hunderten Orten wurde gestreikt und demonstriert. Schätzungsweise beteiligte sich jeder zehnte Arbeiter der DDR. Die SED-Führung war hilflos und ließ den Aufstand schließlich von sowjetischen Truppen niederschlagen. Mindestens 55 Menschen kamen nach Recherchen des Projekts "17. Juni 1953" im Zusammenhang des Aufstandes ums Leben: Manche wurden auf den Demonstrationen von Volkspolizisten oder sowjetischen Soldaten erschossen, manche nach dem Aufstand zum Tode verurteilt, andere starben später im Gefängnis. Um nicht einen neuen Krieg zu riskieren, hatten - entgegen der Hoffnungen vieler Ost-Berliner - die Westmächte nicht eingegriffen.

Das waren meiner Meinung nach die Ursachen und nicht irgendwelche Radiosender.

Wobei sich mir gleichzeitig die Frage stellt, warum denn eigentlich in Europa immer nur in osteuropäischen Ländern sich die Völker gegen ihren Staat erhoben.
Alfred welche Sender waren denn da die Ursache?

Wer mit Thesen wie früher " der Westen hat Schuld " auch noch nach mehr als 20 Jahren argumentiert, befindet sich weit ab von der selbst geforderten objektiven Betrachtungsweise.

Das ist auch hier nachzulesen:
http://www.planet-wissen.de/politik_ges ... /index.jsp
Interessierter
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Alfred » 17. Juni 2012, 08:53

Interessierter,

zu Radiosendern habe ich doch was geschrieben bzw. hat Egon Bahr was gesagt.
Alfred
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 17. Juni 2012, 09:02

Alfred hat geschrieben: Aus meiner Sicht ist es nicht richtig, von einem Volksaufstand zu sprechen. Richtig wäre wohl von einer "Erhebung" von Teilen der Arbeiterklasse, vor allem in Berlin zu sprechen, denen sich dann tausende anschlossen. Man könnte auch von einen Massenstreik sprechen.
Zu einen Volksaufstand gehören aus militärischer Sicht z.B. ein Führungsgremium, eine Organisation mit entsprechenden Kadern, eine klare politische Zielstellung und ein Minimum an Bewaffnung und Ausrüstung.


Entstanden aus Streiks entwickelte sich schon ein Aufstand. DDR-weit. In einigen Kreisen kam es schon zur kompletten Entmachtung der SED (Görlitz und Niesky).
Es gab klare politische und wirtschaftliche Forderungen. Und sie richteten sich nicht nur gegen lapidare Fehler, sie richteten sich gegen die Unterdrückung durch das stalinistische System. Und dieser erste Aufstand hatte Signalwirkung auf andere osteuropäische Völker.

Die jugoslawische Parteizeitung der Kommunisten sprach sogar vom "...Klassenprotest des deutschen Arbeiters gegen die staatskapitalistischen Verhältnisse, die ihm von der Besatzung im Namen eines ‚sozialistischen Messianismus‘ als ‚sozialistisch‘ und ‚proletarisch‘ aufgezwungen wurden, die er aber nicht als ‚proletarisch‘ noch als ‚sozialistisch‘ anerkennt." Das trifft es m.E. sehr gut.

Aufgrund dessen kann man nicht nur von einer einfachen "Erhebung" reden, denke ich.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 17. Juni 2012, 09:10

Alfred hat geschrieben:ABV,

diese Aussage stammt von E. Bahr :

„Gerade weil es keine Organisation gegeben hatte, war unbestreitbar: Der RIAS war, ohne es zu wollen, zum Katalysator des Aufstandes geworden. Ohne den RIAS hätte es den Aufstand so nicht gegeben.“


Ist jetzt eine Selbstkritik? Bahr war damals Chefredakteur des Rias. Und eines sollte man nicht vergessen: Bei der SED machte man Bahr für den "faschistischen Putschversuch der USA" mit verantwortlich.
Bahr sagte 50 Jahre später: "Wir können bis zum heutigen Tage stolz darauf sein, was damals Deutsche im Osten in einer schwierigen Lage gewagt haben."

"Der Rias sei ein amerikanisch gelenktes Radioprogramm gewesen. "Es war schlicht unmöglich, dass wir durch Rundfunkaufrufe einen Generalstreik in der sowjetisch besetzten Zone herbeiführen würden."" Ganz interessant dazu ist Bahrs Interview:
http://www.handelsblatt.com/politik/deu ... 52630.html
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon karnak » 17. Juni 2012, 09:29

Ich habe,wie gesagt spät abends die Dokumentation bei Phönix gesehen,zu dem Thema.Da ging es auch um die Aktivitäten in Görlitz.Dort wurden ja unter anderem das Rathaus von Görlitz durch die Demonstranten besetzt und im Prinzip übernommen.Es wurde auch erwähnt,wer die Führung in diesem Fall übernahm.Es war wohl eine Schauspielerin und ein selbständiger Malermeister,also jedenfalls keine Vertreter der demonstrierenden Arbeiterschaft.Nun sind ja Schauspieler und selbstständige Malermeister durchaus ehrenwerte Berufe.Ich mache mir aber eben AUCH Gedanken warum nun gerade 2 Vertreter dieser Zunft die Führung der Streikleitung in Görlitz übernommen haben.
In der Dokumentation kamen Personen zu Wort,die dort erklärten,sie haben in Westberlin am Straßenrand gestanden und zugeschaut wie die Hennigsdorfer durch Westberlin nach Ostberlin marschiert sind.Nach deren Aussagen wurden sie von den Marschierenden spontan aufgefordert sich einzureihen,haben das dann auch in der ersten Reihe getan.Und da sie dann schon mal in der ersten Reihe waren,sind Ihnen dann auch Aufgaben zur Verhandlungsführung angetragen worden.So haben das die Zeitzeugen vorgetragen.Ich halte das nicht für gänzlich unmöglich ,muß aber trotzdem darüber nachdenken.
Um eines nochmals klar zu sagen,Die Hauptverantwortlichen für diese Eskalation befanden sich für mich eindeutig auf Seiten der DDR-Regierung.Aber den Gedanke,daß auch noch ein paar Andere Ihr politisches Süppchen mit kochen wollten,bekomme ich einfach nicht aus dem Kopf,bei dem was ich alles schon zu dem Thema von verschieden Seiten erfahren habe.Weil,ich rechne bei meiner Bewertung immer auch die damals aktuelle Situation des doch mit recht harten Bandagen geführten kalten Krieges mit ein.Und mich stört,daß das heute oft völlig außer Acht gelassen wird.Und ich wittere Vorsatz dahinter.Tut mir leid,da ich die GANZE Wahrheit wissen will,schenke ich auch solchen Dingen Beachtung.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Icke46 » 17. Juni 2012, 09:44

Mir fällt dazu ein Satz von Stefan Heym zum 17. Juni 1953 ein: (sinngemäß)

"Den Zündstoff haben wir (sprich die DDR) geliefert, die Zündschnur wurde im Westen gemacht."

Könnte man vielleicht noch enschränken auf eine Zündschnur von mehreren, aber ich glaube, an dem Satz ist schon was Wahres dran.

Gruss

icke
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 17. Juni 2012, 10:06

Wir haben das Thema hier schonmal behandelt und ich muss immer wieder den Jörg bitten, dieses Protokoll von dem Volkspolizeikreisamt in Ostberlin einzustellen, wo eben Schulen und andere Einrichtungen des Volkes in Flammen aufgingen oder verwüstet wurden(waren nur kleine Sachen in dem wunderbaren Schriftstück), Menschen nach Westberlin(wenn auch Genossen) verschleppt worden und so liese sich das....äh Jörg...würdest du bitte nocheinmal für alle zum selbstlesen...und ich danke dir wärmstens mein Freund.

Rainer-Maria oder wir legen die Freds zusammen statt hier immer Einzelbaustellen über so ein großes und wichtiges Thema in der deutschen Nachkriegsgeschichte zu eröffnen
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 17. Juni 2012, 11:05

Edelknabe hat geschrieben:Wir haben das Thema hier schonmal behandelt und ich muss immer wieder den Jörg bitten, dieses Protokoll von dem Volkspolizeikreisamt in Ostberlin einzustellen, wo eben Schulen und andere Einrichtungen des Volkes in Flammen aufgingen oder verwüstet wurden(waren nur kleine Sachen in dem wunderbaren Schriftstück), Menschen nach Westberlin(wenn auch Genossen) verschleppt worden und so liese sich das....äh Jörg...würdest du bitte nocheinmal für alle zum selbstlesen...und ich danke dir wärmstens mein Freund.

Rainer-Maria oder wir legen die Freds zusammen statt hier immer Einzelbaustellen über so ein großes und wichtiges Thema in der deutschen Nachkriegsgeschichte zu eröffnen


Hier findet man auch das....
http://www.17juni53.de/material/dokumente.html

Und hier weitere Infos:
siehe in diesem Thema Seite 2
von Edelknabe » Fr Jun 18, 2010 8:10 pm

Zusammenlegung .....ist erfolgt!!
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
"Es ist manchmal gefährlich, Recht zu haben, wenn die Regierung Unrecht hat. (Voltaire)"
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 17. Juni 2012, 11:14

Rainer gestatte mir nur eine kleine Frage.
Bei vielen Demonstrationen in westeuropäischen Staaten gingen und gehen auch Objekte in Flammen auf. Nur dort rollten oder rollen dann keine Panzer oder Bürger werden erschossen oder hinterher zum Tode verurteilt.

Ist Dir dieser Unterschied schon einmal aufgefallen ?

Das passierte nur in dem Staat, " der für seine Menschen war ", wie Du einmal so völlig weltfremd und unpassend geschrieben hast.

Die Menschen, die gegen ihren Willen nach Westberlin gebracht wurden, sind hinterher wenn sie es wollten, auch in die DDR zurückgekehrt und nicht zu Gefängnisstrafen oder zum Tode verurteilt worden, wie es mit Menschen geschah die das MfS von Westberlin in den Osten entführte.

[hallo]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 17. Juni 2012, 11:37

Wir sind sehr unterschiedlich in der Denke Interessierter. Denke ich, das die Sowjets nach über gut 28 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg am 17.Juni 1953 überhaupt kein Interesse verspürten, das von ihnen befreite/eroberte Stück Deutschlands nun gleich wieder an die Herren zu verlieren, die mit ihrem Nazianhang sich um 1945 herum nach dem Westen verflüchtigten denkst du etwas völlig anders, da bin ich mir so sicher wie das Brauhaus in Goslar steht, in dem wir uns zum ersten Male begegneten.

Schon aus dieser Unterschiedlichkeit heraus geformt durch ganz individuelle Lebensläufe in wieder sehr gegensätzlichen Gesellschaftssystemen erübrigt sich deine Frage mir gegenüber. "Weltfremd und unpassend",so dein Text, also ich mag ja etwas sozialistisch angehaucht sein weil 37 Jahre da aufgewachsen und geschafft aber nein mein älterer Freund, ich bin Einer, der mit beiden Augen sehr gut erfasst, was so in der Welt los ist...na gut, los war auch wenn ich 1953 gerade einmal in den Windeln lag.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 17. Juni 2012, 12:08

Danke Jörg für den Link aber hier nochmal der Auszug, den ich konkret meinte, so braucht der Leser nicht erst zu suchen.Aber hier gibt es wirklich allerhand zu lesen.

Re: 17. Juni 1953

Beitragvon Edelknabe » 18. Juni 2010, 20:10
Hallo zusammen, habe ihn einmal aus dem Link von Augenzeuge herausgenommen, er liest sich so besser, dieser Lagebericht der VPI Mitte von Berlin Ost.
Weiterhin muss ich als ehemaliger Werktätiger in der DDR ganz ehrlich sagen, das mir der Begriff " Arbeiteraufstand/ Volksaufstand" nach der Lektüre solcher damaligen Berichte irgendwie nicht ganz richtig für den damaligen Tag gewesen sein kann?

Rainer-Maria

hier ein Lagebericht der VPI Mitte zum 17.6.1953:

Vom 17. Juni 1953, 08.00 Uhr - 18. Juni 1953, 08.00 Uhr

08.00 Verstärkung Brandenburger Tor bezogen. 50 Wm.
08.10 Ca. 5.000 Personen demonstrieren die Leipziger Str. entlang in Richtung Haus der Ministerien.
08.15 Ca. 1.000 Personen demonstrieren Unter den Linden entlang in Richtung Brandenburger Tor.
08.15 Im VEB Anlagenbau Schlegelstr. 25-26 ist eine Unruhe unter den Arbeitern, ca. 300-400, zu bemerken.
08.20 Ca. 150 FDJler demonstrieren in der Kronenstr. ebenfalls in Richtung Haus der Ministerien.
08.25 Ab sofort Sektorengrenze für Ein- und Ausfahrt aller KB-Fahrzeuge gesperrt.
08.40 3-4.000 Personen demonstrieren in der Friedrichstr. in Richtung Leipziger Str.
08.45 Demonstranten zerschlagen Stände in der Zentralmarkthalle. Halle wird geschlossen.
08.50 Die Posten vom KP 36 und 41 müssen zurückgezogen werden, weil sich Demonstranten dem Westsektor nähern.
09.00 Haus der Ministerien von der Volkspolizei abgeriegelt. Sowj. Panzerspähwagen patrouillieren.
09.00 Durchsage Op.-Stab PdVP: Private Händler der Zentralmarkthalle schließen HO- und Konsumgeschäfte.
09.05 Ca. 1.000 Personen demonstrieren in der Wallstr. in Richtung Spittelmarkt, desgleichen befinden sich in der Holzmarckstr. ca. 800 Personen.
09.10 Meldung vom HTA, Lage normal, Sicherungsmaßnahmen getroffen.
09.10 AKW-Baracke Friedrich-/Ecke Zimmerstr. von Demonstranten in Brand gesetzt.
3165.) Vermutl. Einbruch im Lager des Verlages "Junge Welt".
09.00 In der Zeit vom 15.6.53, 11.00 Uhr - 16.6.53, 21.00 Uhr, drangen unbekannte Täter vermutlich mittels Nachschlüssel, Dietrich oder Brechwerkzeugen in das Lager des Verlages "Junge Welt", Bln. W 8, Schützenstr. 8 ein. Infolge der herrschenden Dunkelheit (elektr. Licht ist nicht vorhanden) konnte nicht festgestellt werden, ob von den dort lagernden Maschinen Teile fehlen. Tatortbefundsbericht und Ermittlungsprotokoll gefertigt. ED nicht eingesetzt. Tatort durch die Betriebsleitung verschlossen. Weiterbearbeitung erfolgt durch RKSt 6.
09.20 Große Menschenmassen bewegen sich in der Leipziger Str. in Richtung Potsdamer Platz.
09.25 Kundgebung am Platz der Republik, Demonstranten werden aufgefordert, Sektor-Schilder zu entfernen und Posten zurückzudrängen.
09.25 Unkontrollierbare Meldung: Graue Limousine GB 013, weitere Nr. unbekannt, fährt Brunnenstr. in Richtung Invalidenstr., fordert Geschäftsleute auf, Läden zu schließen.
09.30 AKW-Angehöriger wird von Demonstranten in den Westsektor verschleppt.
09.30 VEB-Anlagenbau Diskussion auf dem Fabrikhof zwischen Betriebsgruppenleitung und einem Teil der Belegschaft, der andere Teil der Belegschaft arbeitet an den Maschinen. Sonst Lage ruhig.
09.35 Die Belegschaft des Hauses der Ministerien ist vor dem Hause angetreten und schließt sich dem Demonstrationszug an.
09.40 Eine große Menschenmenge marschiert auf dem Marx-Engels-Platz in Richtung Brandenburger Tor.
09.50 Das Aufklärungslokal gegenüber dem Columbus-Haus von Demonstranten abgerissen und in den Westsektor verschleppt.
09.50 Die Posten KP 59 und Schillingstr. mußten sich wegen Vordringens der Demonstranten zurückziehen.
09.55 200 Jugendliche, aus dem Westsektor kommend, zerstören an der Adalbert-/Ecke Heckertstr. Sektorenschilder bzw. stürzen diese um.
10.00 Potsdamer Platz starke Rauchentwicklung. Kann nicht gesehen werden, was dort geschieht.
10.00 Anruf 01: Friedrichstr. Ecke/Unter den Linden wird VP-Fahrzeug mit zwei Personen von Demonstranten umgekippt.
10.05 Das Aufklärungslokal der NF brennt auf dem Potsdamer Platz.
10.05 Zusammenstoß zwischen sowj. Spähwagen und LKW Charlottenstr./Ecke Unter den Linden.
10.05 Ca. 3.000 Personen marschieren Unter den Linden Ecke Brandenburger Tor.
10.10 Baustelle Leipziger Str., hintere Front des Ministerial-Gebäudes, Demonstranten demolieren Einrichtungsgegenstände der Bau-Union, Büro und Geräte.
10.10 Demonstranten sind in das Columbus-Haus eingedrungen, schmeißen die Scheiben zur Wache ein.
10.15 VPR 1 versucht Verbindung mit der Wache Columbus-Haus aufzunehmen. Hörer wird immer aufgenommen und wieder aufgelegt. Starker Lärm im Columbus-Haus.
10.20 Wallstr. 23-34, Mag.-Gebäude, werden die Scheiben von Demonstranten eingeschlagen.
10.20 Wallstr. 23-24 versucht die Menge, in das Gebäude einzudringen. Erbitten Hilfe.
10.25 Geschäfte Köpenicker Str. schließen, Demonstrationszug, Zahl ist nicht mehr zu übersehen, entlang der Sektorengrenze in Richtung Stadtmitte. Sektoren- und AKW-Posten zurückgezogen.
10.30 Der am Brandenburger Tor gemeldete Demonstrationszug begibt sich die Wilhelmstr. entlang, ist im Auflösen begriffen, nur noch kleinere Diskussionsgruppen.
10.30 Dresdener- und Prinzenstr. werden die Kontrollpunkte überrannt.
10.35 Behrens-/Friedrichstr. werden FDJ-Angehörige von Demonstranten zusammengeschlagen.
10.35 FDGB-Bundesvorstand dringend Verstärkung durch VP gefordert, ca. 1.000 Demonstranten vor dem Gebäude.
10.38 Im HO-Kaufhaus Nord, Invalidenstr./Brunnenstr., befindet sich eine stark angetrunkene Person, welche die Belegschaft auffordert, das Geschäft zu schließen, anderenfalls alles zerschlagen wird.
10.40 Im Westsektor (Tiergarten) werden Luftballons mit Flugblättern hochgelassen.
10.40 Große Menschenmengen, von der S-Grenze kommend, nehmen drohende Haltung zum VPR ein und rufen: "Wir brauchen keine Volksarmee". Marschieren in Richtung Wallstr. weiter.
10.40 Die Sektorengrenze Chausseestr. (im Westsektor) wurde durch fünf Bereitschaftspolizisten und einen Offizier verstärkt. Außerdem ein Pkw. der franz. Besatzungsmacht mit zwei Offizieren aufgefahren.
10.45 Die Columbuswache wurde von den Demonstranten gestürmt. VP-Mstr. Hahn entwaffnet eingetroffen. Verbleib der anderen nicht bekannt.
10.45 In der sowj. Botschaft sind drei VP-Angehörige der Columbus-Wache eingetroffen (zwei VPR 1, ein B.-Kdo.). Vier VP-Angehörige wurden gewaltsam nach dem Westsektor verschleppt. Verbleib der anderen des B.-Kdo. nicht bekannt, da Stärke nicht bekannt.
10.45 Von der Wallstr. marschieren ca. 2.500-3.000 Menschen in Richtung Spittelmarkt. Sie führen provokatorische Reden.
10.47 An den KP Köpenicker Str., Dresdener Str., Prinzenstr. werden die Geschäfte demoliert. AKW und KP wurden zurückgezogen.
10.50 Sämtliche Geschäfte Rosenthaler-/Invalidenstr. wurden von den Demonstranten gewaltsam geschlossen. Ackerhalle schließt ebenfalls.
10.55 Vor der SED-Kreisleitung Friedrichstr. große Schlägerei.
10.55 Letzter Demonstrationszug hat die Scheiben der NF in der Wallstr. eingeschlagen.
11.00 Schlägerei beendet. Schlägerkolonne in Richtung Marx-Engels-Platz abgezogen.
11.15 1 Demonstrationszug im Westsektor (Müllerstr.) gebildet. Befinden sich im Marsch Richtung demokratischer Sektor, KP Chausseestr.
11.20 Die Demonstranten, ca. 1.000 Personen, vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor zurückgekehrt. Vom Brandenburger Tor wurde die Fahne heruntergeholt. Marschieren zum Marx-Engels-Platz.
11.20 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Auf keinen Fall dürfen Demonstranten in die Reviere eindringen. Verteidigung wird geboten. Erst Warnschuß, dann Feuer.
11.25 Große Demonstrationszüge aus dem Westsektor haben am Walter-Ulbricht-Stadion den demokratischen Sektor passiert.
11.18 Die Belegschaft der Med.-Geräte-Fabrik, Chausseestr. 42, hat sich den Demonstranten aus dem Westsektor angeschlossen.
11.30 Vor dem Hause des Stadtrates Mitte, am Alexanderplatz, wurde ein VP-Kraftfahrzeug umgeworfen. Die VP-Angehörigen werden von den Demonstranten tätlich angegriffen.
11.30 Im Walter-Ulbricht-Stadion wird von dem westl. Demonstrationszug die Schrift heruntergerissen, außerdem das Stadion demoliert.
11.30 Durchsage Op.-Stab PdVP: Es ist auf jeden Fall zu verhindern, daß Demonstranten in die VP-Reviere eindringen. Zuerst blinde Schüsse, dann zur Verteidigung übergehen.
11.40 Sowjetische Einheiten mit schweren Panzern Unter den Linden in Richtung sowj. Botschaft.
11.45 Friedrichstr./Ecke Unter den Linden brennt der Bücherkiosk.
11.55 W.-Ulbricht-Stadion ist leer, keine Menschen auf dem Platz. Neon-Lampen wurden am Eingang zerschlagen.
11.55 Schule Friedrichstr./Ecke Oranienburger Tor wurden Türen und Fenster zerschlagen.
12.00 Mag./Ecke Alexanderstr. Schlägerei mit Demonstranten.
12.00 HTA sämtliche Ein- und Ausfahrten geschlossen, sonst ruhige Lage, Dienstbetrieb gestört, da Fahrzeuge nicht mehr ausfahren können.
12.05 Demonstrationszug aus Hennigsdorf hat in der Friedrichstr. 126 die dortige Schule gestürmt, das Lehrpersonal sowie die Kinder aufgefordert, sich der Demonstration anzuschließen.
12.05 Ein neuer Demonstrationszug hat die Sektorengrenze überschritten.
12.05 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Bitte feststellen, ob U-Bahnverkehr eingestellt.
12.10 Ein Provokateur mit Schußwaffe festgenommen. Befindet sich auf dem VPR 6. In der Rathausstr. brennt ein roter BMW 009-783.
12.10 BVG-Liebknechtstr. haben Rowdies in größerer Menge den Haupteingang und die Toreinfahrt gewaltsam erbrochen und dringen laufend in das Gebäude ein. Erbitten Hilfe.
12.15 Leipziger/Ecke Friedrichstr. schwere Schlägereien unter den Demonstranten.
12.15 Es kommen laufend Gruppen vom Spittelmarkt ruhig diskutierend zurück.
12.20 Am Brandenburger Tor ist ein Lautsprecherwagen aufgefahren und fordert die Menschen auf zu demonstrieren. Schüsse aus Richtung Potsdamer Platz sind am Brandenburger Tor zu hören.
12.25 Große Teile der Demonstranten wandern durch das Brandenburger Tor in Richtung Westsektor unorganisiert ab.
12.30 FDGB-Bundesvorstand Wallstr. sind 50 Genossen zur Sicherung des Gebäudes von der Parteihochschule eingetroffen.
12.35 Der Laukw., Privat-Fahrzeug, grauer Ford, KB 063-153, am Brandenburger Tor fordert auf zur Fortsetzung der Demonstration, kündigt Kundgebung am Oranienplatz um 18.00 Uhr an. Ca. 2.000 Menschen sind dort versammelt.
12.35 Demonstranten aus dem W.-Ulbricht-Stadion verdrängt.
12.35 Verlag John Peet, Friedrich-/Ecke Französische Str., gestürmt, Fahne abgerissen und vor dem Hause verbrannt, Sicherungen herausgerissen, so daß die Druckerei nicht weiterarbeiten kann. Demonstranten nehmen vor Friedrichstr. 167/68 drohende Haltung ein, da aus dem Hause Fahnen heraushängen. Versuchen in das Gebäude einzudringen und Fahnen herunterzuholen.
12.38 Laukw. hat Brandenburger Tor in Richtung Westsektor verlassen.
12.50 Wöhlerstr., FDJ-Heim, rücken ca. 100 Personen an, um das Heim zu stürmen.
13.00 Ca. 100 bis 150 Personen befinden sich im W.-Ulbricht-Stadion und zerschlagen die Einrichtungen.
13.00 Ca. 20 jugendliche Rowdies sind in das Gebäude des Bauprojektierungsbüros, Mauerstr. 92, eingedrungen und demolieren die Einrichtung. Untergebracht sind dort Baupläne von Stalinstadt und anderen Städten der DDR.
13.05 Am Brandenburger Tor ein Jeep mit engl. Besatzungsangehörigen sowie 12-15 Stummpolizisten stationiert. Starke Diskussionsgruppen Wilhelmstr./Ecke Unter den Linden.
13.05 Demonstrationszug, von Schönhauser Allee kommend, jetzt Alte Schönhauser Str. in Richtung Münzstr. - Alexanderplatz, ca. 800 bis 1.000 Personen.
13.10 Kommissar S., VP-Rev. 14, teilt mit, daß der BGL-Vorsitzende der Konsumbäckerei Mitte, Brunnenstr. 29, die Belegschaft aufgefordert hat, in den Generalstreik zu treten.
13.10 Vor dem Gebäude der DIA, Liebknechtstr. 14, wurde ein Pkw. in Brand gesetzt. Demonstranten versuchen, das Haus zu stürmen.
13.20 VP-Obw. W., Dienststelle VPI-Treptow, wohnhaft Svinemünder Str. 10, teilt mit, daß der Hauswirt Svinemünder Str. das Gerücht verbreitet, heute ab 12.00 Uhr haben wir den Generalstreik, es gibt kein Licht und kein Wasser mehr, in der Leipziger Str. stehen 10.000, und die Russen haben geschossen.
13.20 John Peet teilt mit, daß sein Verlag Französische Str./Ecke Friedrichstr. gestürmt wurde, er bittet dringend um pol. Hilfe.
13.25 Eine tel. Verbindung zum W.-U.-Stadion ist nicht mehr herzustellen. Es ist zu vermuten, daß der Betriebsschutz die Diensträume verlassen hat.
13.30 Rowdies haben das Gebäude der IG Metall, Unter den Linden 13, betreten und werfen vom Dach mit Steinen.
13.33 Die Waffe des heute vormittag am Potsdamer Platz entwaffneten VP-Angehörigen wurde von Genossen sichergestellt und befindet sich zur Abholung in der DIA, Maschinenexport.
13.33 Starke Menschenmassen, aus dem Westsektor kommend, befinden sich in der Köpenicker Str. und bedrängen die Sektorenposten.
13.33 Im Verlag der "Tribüne" demolieren ca. 15-20 Personen die Einrichtung und fordern die Belegschaft zum Streik auf.
13.40 Ansammlung von großen Menschenmassen im dem. Sektor Bernauer Str./Ecke Brunnenstr. in Höhe der U-Bahn, die die Sektorenschilder umwerfen, die AKW-Baracke gestürmt haben und einen AKW-Angehörigen in den Westsektor verschleppt haben, wo sie ihn der Stupo übergaben.
13.35 Im Verlag der "Nationen", Berlin C 2, Magazinstr., hat die Belegschaft den Streik beschlossen und das Gebäude verlassen.
13.40 In der Köpenicker Str. bewegt sich eine Gruppe von ca. 200 Personen provozierend in Richtung Wallstr.
13.50 Am Babylon befinden sich ca. 40-50 Rowdies, welche auf dort befindliche Personen, welche irgendwelche Abzeichen tragen, einschlagen.
13.50 In der Rathausstr./Ecke Jüdenstr. befindet sich ein Autowrack, welches ständig zu Provokationen Anlaß gibt, wodurch die umliegenden Magistratsdienststellen in Mitleidenschaft gezogen werden.
13.50 Ein Mitglied des Bundesvorstandes des FDGB meldet, daß unweit der Marx-Engels-Brücke am Museum für Deutsche Geschichte ein Holzkreuz errichtet wurde mit der Aufschrift: "Von den Sowjets ermordet".
13.50 Hennigsdorfer Stahlwerker, durchsetzt mit Westberliner Provokateuren, dringen in die Berliner Aufzugswerke, Chausseestr. 35, ein. Belegschaft hat das Werk verlassen, anwesend noch BS-Wache und Genossen, Waffen in Sicherheit gebracht.
14.00 Ca. 400 Personen marschieren, vom Rosenthaler Platz kommend, provozierend in Richtung Sektorengrenze.
14.00 Jugendliche Rowdies haben die Fahne auf dem Brandenburger Tor auf Halbmast gesetzt.
13.55 Ein Provokateur festgenommen, befindet sich im VP-Rev. 6.
14.00 Wache VP-Krankenhaus, letzte Tür vor der Boyenstr. erbrochen, provozierende Jugendliche werfen Steine in die Fenster der Frauenabteilung.
14.00 Berolina-Haus am Alexanderplatz wird von Rowdies gestürmt.
14.10 SED-Kreisleitung Friedrichstr./Ecke Unter den Linden ist in Bedrängnis, erbitten Hilfe, Provokateure reißen Fahnen und Transparente ab.
14.10 Tribüne, Chausseestr. 118, ca. 300-400 Personen dringen in das Gebäude ein, es wird um Hilfe gebeten.
14.10 Schlägerei in der HO-Imbißhalle Rosenthaler Str. 32.
14.15 AKW-Baracke am KP 59, Köpenicker Str., von provozierender Menge in Brand gesteckt.
14.20 W.-U.-Stadion, Sporthaus wird jetzt gestürmt, sie bitten um Hilfe.
14.20 AKW-Baracke Brunnenstr. Ecke Oderberger Str. umgeworfen, Schwedter- Ecke Bernauer Str. ein Pkw. vom dem. in den Westsektor geschoben. Straßensperren Schwedter Str., Svinemünder Str., Wolliner Str. abgeräumt.
14.20 An einem Laternenpfahl an der Schwedter Str. Ecke Bernauer Str. (Westsektor) ist ein Bild des Präsidenten Wilhelm Pieck aufgehängt worden.
14.25 Die Rowdies haben auf dem Hof der "Tribüne", Chausseestr., Feuer angezündet, es besteht Gefahr, daß der Brand auf das Gebäude übergreift.
14.30 Rowdies werfen die Akten auf den Hof und verbrennen diese.
14.30 An der Marx-Engels-Brücke wurde von Rowdies ein Pkw. in Brand gesteckt. Nummer nicht mehr zu erkennen.
14.35 Straße Unter den Linden wird von sowj. Truppen und VP geräumt. Es fielen scharfe Schüsse.
14.40 Rowdies im W.-U.-Stadion haben AKW-Unterkunft zerstört und Unterkunft des BS teilweise zerstört. Rowdies sind noch im W.-U.-Stadion, es besteht die Gefahr, daß sie von dort in das VP-Krankenhaus eindringen.
14.45 Durchsage des Op.-Stab PdVP: Rauchschwaden im Haus der Kultur gesichtet. VP-Rev. 1 soll feststellen, was dort vorliegt.
14.45 Postvermittlung 53 in der Palisadenstr. wird von provozierender Menge gestürmt.
14.50 Mauer-/Ecke Friedrichstr., Haus der Projektierung, werden Möbel aus dem Fenster geworfen und verbrannt.
14.55 Stresemannstr. 128, Konsum, werfen Rowdies die Fensterscheiben ein.
14.55 Ca. 150 Personen, vorwiegend Jugendliche, marschieren in Richtung Innenstadt.
14.55 Am VPR 14 erfolgt Anruf über 01, meldet sich niemand, vermutlich Notrufmelder zerstört.
15.00 Durchsage Op.-Stab PdVP: Bitte feststellen, von welcher VPI der Funkwagen mit der Tarnnummer 009-783 eingesetzt ist.
15.00 Die genannte Rauchsäule kommt nicht vom Haus der Kultur, sondern von einem Lkw., der auf dem Marx-Engels-Platz in Brand gesetzt wurde.
15.10 Den Ausgang der Uni von 150 Personen versperrt und hindern die Studenten am Verlassen der Uni. Im Institut Marx-Engels-Lenin-Stalin wurden die Fensterscheiben zertrümmert.
15.25 Heinz F., geb. 27.8.14, erscheint auf dem VPR 12 und macht folgende Meldung: Der Wagen des stellvertr. Minister Otto Nuschke wurde an der Mühlenstr./Oberbaumbrücke gestoppt, der Wagen mit Nuschke zum Westsektor geschoben und zum Rev. 109 gebracht. Der Fahrer konnte entkommen.
15.30 Die den Marx-Engels-Platz abkämmenden sowj. Freunde werden von einem Turm in Richtung Alexanderplatz von ca. vier Zivilpersonen beschossen.
15.45 Ca. 2.000 bis 3.000 Menschen demonstrieren, vom Veteranenberg kommend, in Richtung Nordbahnhof, provozieren vor dem VPR 14.
15.50 Das Verkaufspersonal der HO-Verkaufsstelle "Nord", Chausseestr. 56, hat der Aufforderung einer unübersehbaren Menschenmenge, welche mit Gummiknüppeln und Schlagringen ausgerüstet ist, Folge geleistet und die Verkaufsstelle verlassen. Menschenmenge versucht, in die Räume einzudringen.
15.55 HO-Verkaufsstelle Liebknechtstr. 66 wird gestürmt.
15.55 Am KP 59, Köpenicker Str., wurde von den Rowdies die AKW-Baracke in Brand gesetzt und die Posten tätlich angegriffen.
16.00 Auf Anweisung des Op.-Stabes PdVP hat sich der Sektorenposten Melchiorstr. auf das VPR 12 zurückgezogen.
16.10 Vor dem Nordbahnhof befindet sich eine randalierende Menge.
16.15 Die AKW-Baracke Brunnenstr./Ecke Bernauer Str. wurde in Brand gesetzt, das gegenüberliegende HO-Geschäft wurde vollkommen ausgeräumt.
16.15 Im Gebäude des HTA Lage ruhig, Arbeit geht weiter, vor dem Gebäude Lage ebenfalls ruhig, Sicherung für die Nacht vorbereitet durch Auslegen von Wasserschläuchen an jedem Ausgang.
16.25 Sämtliche Konsumkioske in der Chausseestr. zwischen Schwartzkopfstr. und Liesenstr. gestürmt und geplündert, die HO-Lebensmittelverkaufsstelle Chausseestr. 56 mit einem Warenbestand von ca. 35.000 DM wird stark bedrängt, und es ist anzunehmen, daß diese ebenfalls gestürmt und geplündert werden soll.
17.00 Bauakademie, Hannoversche Str., ca. 150 Personen entfernen Transparente und werfen Scheiben ein.
17.30 Abholung eines Provokateurs von der Kreisregistrierkommission Behrensstr. 42-44.
17.35 Menschenansammlungen von einigen hundert Personen in der Fritz-Heckert-Str.
17.40 Durchsage Op.-Stab PdVP: Es ist nach folgenden Fahrzeugen zu fahnden: GB 002-063, GB 011-011, GB 003-719. Im Erfolgsfalle Fahrzeuge sicherstellen und Personen festnehmen. Sofort Op.-Stab PdVP.
17.40 Wirtschaftseingang W.-U.-Stadion, hart an der Sektorengrenze, brennt Baracke des AKW sowie einige Kioske des Konsum. Feuerwehr verständigt.
17.45 Alexanderplatz, an der Bedürfnisanstalt, Diskussionsgruppen, ca. 50 Personen.
17.50 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Funkwagen sollen Michaelkirchstr. feststellen, ob Insp. M. eingetroffen ist.
17.55 Flugblattaktion des Klassengegners aus Richtung Lehrter Bahnhof. Abwurf durch Ballons mit Raketen. Flugblätter im VP-Krankenhaus gefunden.
17.55 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Insp. feststellen, ob alle Posten an der Sektorengrenze bezogen sind, ob Verbindungen zu den Stützpunkten und Kontrollpunkten bestehen. Nachricht ........ [im Orig. unvollständig, d.Hg.]
18.10 Kundgebung Oranienplatz und Luckauer Platz, Redner fordert auf, wieder in den demokratischen Sektor einzudringen. Sicherungsmaßnahmen der KVP und sowj. Truppen getroffen.
18.00 Flugblattabwurf, vermutlich durch Ballon, ca. 30 Stück Flugblätter gehen mit Bericht dem Op.-Stab Mitte zu. Lt. Rücksprache mit Op.-Stab PdVP keine Spitzenmeldung erforderlich.
18.15 Gen. M. ist Michaelkirchstr. eingetroffen. Gen. H. bittet um Unterstützung durch weitere 20 VP-Kräfte für die Sektorensicherung.
18.30 Ein Zug am KP 26 hat Sicherung übernommen.
18.45 Durchsage Op.-Stab PdVP: Ein Hinüberwechseln aus dem Westsektor in den dem. Sektor ist unter allen Umständen zu verhindern, ebenfalls ist nach Möglichkeit ein Hinüberwechseln vom dem. Sektor in den Westsektor zu verhindern. Dabei muß besonderer Wert auf möglichst viel Zwangsgestellte gelegt werden.
18.45 Schüsse in der Brunnenstraße. Passanten, aus dem Westsektor kommend, tragen Schußwaffen und schießen auf VP-Angehörige. Feuer wurde von VP erwidert.
18.50 Durchsage Op.-Stab PdVP: Die Insp. haben einen Lkw. zum Op.-Stab zu entsenden, um die Plakate betr. Ausnahmezustand abzuholen und dann zu kleben.
18.55 Ein Zug der Abteilung S mit 30 Personen in hoher Bedrängnis, 500-800 Personen umlagern den Wagen, VPR 4 hat schon 4 Ausfälle, erbitten Hilfe.
17.20 Die Hausvertrauensmännin Elsbeth G., Brunnenstr. wohnh., teilt folgendes mit: Die Gen. S., Brunnenstr., wurde am 17.6.53 gegen 18.10 Uhr von 2 unbekannten Männern gewaltsam aus ihrer Wohnung geholt und in den Westsektor verschleppt.
19.05 Unrechtmäßiger Schußwaffenbesitz, Landfriedensbruch, Aufruhr, Nötigung und Bedrohung
Am 17.6.53, gegen 13.00 Uhr, wurden in Berlin C 2, Marx-Engels-Platz (Tribüne) unmittelbar in der Nähe der Rathausbrücke, folgende Personen festgenommen:
1.) Hans Sch., 1934 Berlin geb, Bln.-Blankenfelde, Hauptstr. wohnhaft,
2.) Günter F., 1935 Röntgenthal geb., Röntgenthal, Ahornallee wohnh.
Die Genannten haben am 17.6.53 gegen 12.00 Uhr in einer Diskussionsgruppe Nähe Rathausbrücke eine drohende Haltung gegen folgende Personen eingenommen:
1.) Hermann B., 1906 Oberstein geb., Berlin O 17, Brückenstr. wohnh.,
2.) Walter G., 1912 Berlin geb., Bln.-Staaken, Finkenkrugweg wohnh.,
3.) Herbert H., 1906 Glogau geb., Eberswalde, Ruhlaer Str. wohnhaft.
Der Beschuldigte Sch. ist Träger der Pistole Fabrikat Mauser, Nr. 805499, Kaliber 7,65 mm ohne Magazin, mit einem Schuß Munition, welche er gegen die Diskutierenden richtete. In seiner Vernehmung wurde festgestellt, daß beide Beschuldigte zuvor mit anderen Rowdies an der Jüden-/Ecke Rathausstr. einen Pkw., Marke BMW, Pol. Kennzeichen GB 009-783 umgeworfen haben und später in Brand steckten. Die im Fahrzeug befindlichen Personen wurden zusammengeschlagen, so daß eine Überführung in das VP-Krankenhaus erfolgen mußte. Dabei wurde auch einer Person die o.g. Pistole entrissen.
18.55 Durchsage Op.-Stab PdVP: Haus Vaterland soll brennen, Überprüfung nicht möglich, da Potsdamer Platz von KVP abgesperrt.
19.40 Durchsage Op.-Stab PdVP: An den KP Dresdener- und Prinzenstr. dringen ca. 2.000 bis 3.000 Menschen, aus dem Westsektor kommend, in den dem. Sektor ein.
19.40 Die Inspektionen melden dem Op.-Stab PdVP, ob bei den heutigen Vorkommnissen VP-Angehörige verletzt wurden (schwer / leicht), ob VP-Angehörige vermißt werden, und ob Tote zu beklagen sind.
21.20 Durchsage Op.-Stab PdVP: Nach Empfang der Plakate soll sofort mit dem Kleben begonnen werden, nach Abschluß der Aktion muß dem Op.-Stab Vollzug gemeldet werden.
23.35 Zwangsgestellungen, welche in Anbetracht des Ausnahmezustandes durchgeführt wurden, sind im Laufe dieser Nacht der Haftanstalt PdVP zuzuleiten.
23.40 Es sind nicht nur die Zwangsgestellungen zu überführen, welche im Laufe des Ausnahmezustandes gemacht wurden, sondern in Laufe des ganzen Tages.
23.45 Jede VP-Inspektion erhält einen Lkw., den sie, mit VP-Angehörigen besetzt, zu Streifenfahrten im Insp.-Bereich benutzen kann. Der Lkw. hat sich am 18.6.53, 06.00 Uhr, auf dem Op.-Stab PdVP zurückzumelden.
00.05 Die Zwangsgestellungen sind auf der VP-Insp. zu belassen, außer Prenzl. Berg. Der 1. und 2. Rundspruch verlieren ihre Gültigkeit.
01.45 In der Zeit von 23.30 Uhr bis 01.30 Uhr Kontrollen der Lokalitäten der VPI-Mitte durch bewegliche Komm. von 1/10 - S - und 1/4 - K - auf Einhaltung der Bestimmung betr. Ausnahmezustand. Keine Vorkommnisse.
01.50 Am 17.6.53 gegen 22.45 Uhr nahmen am KP 18, Westsektor, 2 Lkw. Stumm Aufstellung.
03.05 Illegale Flugblattverteilung: Um 03.05 Uhr wurden von einer Streife des VPR 4 am Oranienburger Tor Flugblätter in russischer und deutscher Sprache gefunden.
03.45 Der Polit-Stellvertreter möchte jemanden beauftragen, der uns auf App. 605 konkret Bescheid gibt:
1.) Welche hauptsächlichen Betriebe die Arbeit aufgenommen haben;
2.) Wie die Stimmung in den Betrieben und in der Bevölkerung ist, und wie die Stimmung über die Demonstration ist. Durchzugeben am 18.6. in der Zeit von 08.00-08.15 Uhr.
05.00 Um 05.00 Uhr war die Klebeaktion in der VPI-Mitte beendet.
05.05 Ein Hinüberwechseln von dem dem. Sektor in den Westsektor und von dem Westsektor in den dem. Sektor ist weiterhin nicht gestattet.
07.05. Menschenansammlungen vor dem Nordbahnhof. Trapo-Nordbahnhof meldet, daß vor dem S-Bahnhof sich eine größere Menschenmenge ansammelt, welche auf Eröffnung des Bahnhofes wartet. Sowj. Panzerkommandant hat mit seinen Kräften schon teilweise die Absperrung vorgenommen. Bittet um VP-Kräfte, da Trapo zu schwach und außerdem abgezogen werden muß, da sie andere Aufgaben hat.
07.10 Durchsage Op.-Stab PdVP: Um 06.40 Uhr erfolgte die Durchsage, daß sofort innerhalb von 10 Minuten festzustellen und an Op.-Stab PdVP zu melden ist, wieviele Personen seit dem 17.6.53, 21 Uhr, unterteilt nach Ost- und Westsektor, zwangsgestellt wurden.

Abgeschlossen am 18. Juni 1953, 08.00 Uhr
gez. Sch.
(Sch.,VP-Komm.)

[Quelle: Polizeihistorische Sammlung des Polizeipräsidenten in Berlin, PdVP/Stab Operativ/Rapporte, 15.-30.6.1953, Nr. 8012, Bl. 71-76; Anm. d. Hg.: Rechtschreibfehler wurden stillschweigend korrigiert, Namen anonymisiert, Wohnanschriften und Geburtsdaten gekürzt.]

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 17. Juni 2012, 12:26

Rainer was willst Du mit Deiner eingestellten Aufstellung, die zwangsläufig nicht objektiv sein kann, zum Ausdruck bringen?

Etwa, daß damit das Erschießen von Menschen ( einschließlich Jugendlicher ) und später vollstreckte Todesurteile gerechtfertigt waren ?
Interessierter
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Bergmensch » 17. Juni 2012, 14:53

Wer bezahlt dich eigentlich dafür RMR?


Edelknabe hat geschrieben:Danke Jörg für den Link aber hier nochmal der Auszug, den ich konkret meinte, so braucht der Leser nicht erst zu suchen.Aber hier gibt es wirklich allerhand zu lesen.

Re: 17. Juni 1953

Beitragvon Edelknabe » 18. Juni 2010, 20:10
Hallo zusammen, habe ihn einmal aus dem Link von Augenzeuge herausgenommen, er liest sich so besser, dieser Lagebericht der VPI Mitte von Berlin Ost.
Weiterhin muss ich als ehemaliger Werktätiger in der DDR ganz ehrlich sagen, das mir der Begriff " Arbeiteraufstand/ Volksaufstand" nach der Lektüre solcher damaligen Berichte irgendwie nicht ganz richtig für den damaligen Tag gewesen sein kann?

Rainer-Maria

hier ein Lagebericht der VPI Mitte zum 17.6.1953:

Vom 17. Juni 1953, 08.00 Uhr - 18. Juni 1953, 08.00 Uhr

08.00 Verstärkung Brandenburger Tor bezogen. 50 Wm.
08.10 Ca. 5.000 Personen demonstrieren die Leipziger Str. entlang in Richtung Haus der Ministerien.
08.15 Ca. 1.000 Personen demonstrieren Unter den Linden entlang in Richtung Brandenburger Tor.
08.15 Im VEB Anlagenbau Schlegelstr. 25-26 ist eine Unruhe unter den Arbeitern, ca. 300-400, zu bemerken.
08.20 Ca. 150 FDJler demonstrieren in der Kronenstr. ebenfalls in Richtung Haus der Ministerien.
08.25 Ab sofort Sektorengrenze für Ein- und Ausfahrt aller KB-Fahrzeuge gesperrt.
08.40 3-4.000 Personen demonstrieren in der Friedrichstr. in Richtung Leipziger Str.
08.45 Demonstranten zerschlagen Stände in der Zentralmarkthalle. Halle wird geschlossen.
08.50 Die Posten vom KP 36 und 41 müssen zurückgezogen werden, weil sich Demonstranten dem Westsektor nähern.
09.00 Haus der Ministerien von der Volkspolizei abgeriegelt. Sowj. Panzerspähwagen patrouillieren.
09.00 Durchsage Op.-Stab PdVP: Private Händler der Zentralmarkthalle schließen HO- und Konsumgeschäfte.
09.05 Ca. 1.000 Personen demonstrieren in der Wallstr. in Richtung Spittelmarkt, desgleichen befinden sich in der Holzmarckstr. ca. 800 Personen.
09.10 Meldung vom HTA, Lage normal, Sicherungsmaßnahmen getroffen.
09.10 AKW-Baracke Friedrich-/Ecke Zimmerstr. von Demonstranten in Brand gesetzt.
3165.) Vermutl. Einbruch im Lager des Verlages "Junge Welt".
09.00 In der Zeit vom 15.6.53, 11.00 Uhr - 16.6.53, 21.00 Uhr, drangen unbekannte Täter vermutlich mittels Nachschlüssel, Dietrich oder Brechwerkzeugen in das Lager des Verlages "Junge Welt", Bln. W 8, Schützenstr. 8 ein. Infolge der herrschenden Dunkelheit (elektr. Licht ist nicht vorhanden) konnte nicht festgestellt werden, ob von den dort lagernden Maschinen Teile fehlen. Tatortbefundsbericht und Ermittlungsprotokoll gefertigt. ED nicht eingesetzt. Tatort durch die Betriebsleitung verschlossen. Weiterbearbeitung erfolgt durch RKSt 6.
09.20 Große Menschenmassen bewegen sich in der Leipziger Str. in Richtung Potsdamer Platz.
09.25 Kundgebung am Platz der Republik, Demonstranten werden aufgefordert, Sektor-Schilder zu entfernen und Posten zurückzudrängen.
09.25 Unkontrollierbare Meldung: Graue Limousine GB 013, weitere Nr. unbekannt, fährt Brunnenstr. in Richtung Invalidenstr., fordert Geschäftsleute auf, Läden zu schließen.
09.30 AKW-Angehöriger wird von Demonstranten in den Westsektor verschleppt.
09.30 VEB-Anlagenbau Diskussion auf dem Fabrikhof zwischen Betriebsgruppenleitung und einem Teil der Belegschaft, der andere Teil der Belegschaft arbeitet an den Maschinen. Sonst Lage ruhig.
09.35 Die Belegschaft des Hauses der Ministerien ist vor dem Hause angetreten und schließt sich dem Demonstrationszug an.
09.40 Eine große Menschenmenge marschiert auf dem Marx-Engels-Platz in Richtung Brandenburger Tor.
09.50 Das Aufklärungslokal gegenüber dem Columbus-Haus von Demonstranten abgerissen und in den Westsektor verschleppt.
09.50 Die Posten KP 59 und Schillingstr. mußten sich wegen Vordringens der Demonstranten zurückziehen.
09.55 200 Jugendliche, aus dem Westsektor kommend, zerstören an der Adalbert-/Ecke Heckertstr. Sektorenschilder bzw. stürzen diese um.
10.00 Potsdamer Platz starke Rauchentwicklung. Kann nicht gesehen werden, was dort geschieht.
10.00 Anruf 01: Friedrichstr. Ecke/Unter den Linden wird VP-Fahrzeug mit zwei Personen von Demonstranten umgekippt.
10.05 Das Aufklärungslokal der NF brennt auf dem Potsdamer Platz.
10.05 Zusammenstoß zwischen sowj. Spähwagen und LKW Charlottenstr./Ecke Unter den Linden.
10.05 Ca. 3.000 Personen marschieren Unter den Linden Ecke Brandenburger Tor.
10.10 Baustelle Leipziger Str., hintere Front des Ministerial-Gebäudes, Demonstranten demolieren Einrichtungsgegenstände der Bau-Union, Büro und Geräte.
10.10 Demonstranten sind in das Columbus-Haus eingedrungen, schmeißen die Scheiben zur Wache ein.
10.15 VPR 1 versucht Verbindung mit der Wache Columbus-Haus aufzunehmen. Hörer wird immer aufgenommen und wieder aufgelegt. Starker Lärm im Columbus-Haus.
10.20 Wallstr. 23-34, Mag.-Gebäude, werden die Scheiben von Demonstranten eingeschlagen.
10.20 Wallstr. 23-24 versucht die Menge, in das Gebäude einzudringen. Erbitten Hilfe.
10.25 Geschäfte Köpenicker Str. schließen, Demonstrationszug, Zahl ist nicht mehr zu übersehen, entlang der Sektorengrenze in Richtung Stadtmitte. Sektoren- und AKW-Posten zurückgezogen.
10.30 Der am Brandenburger Tor gemeldete Demonstrationszug begibt sich die Wilhelmstr. entlang, ist im Auflösen begriffen, nur noch kleinere Diskussionsgruppen.
10.30 Dresdener- und Prinzenstr. werden die Kontrollpunkte überrannt.
10.35 Behrens-/Friedrichstr. werden FDJ-Angehörige von Demonstranten zusammengeschlagen.
10.35 FDGB-Bundesvorstand dringend Verstärkung durch VP gefordert, ca. 1.000 Demonstranten vor dem Gebäude.
10.38 Im HO-Kaufhaus Nord, Invalidenstr./Brunnenstr., befindet sich eine stark angetrunkene Person, welche die Belegschaft auffordert, das Geschäft zu schließen, anderenfalls alles zerschlagen wird.
10.40 Im Westsektor (Tiergarten) werden Luftballons mit Flugblättern hochgelassen.
10.40 Große Menschenmengen, von der S-Grenze kommend, nehmen drohende Haltung zum VPR ein und rufen: "Wir brauchen keine Volksarmee". Marschieren in Richtung Wallstr. weiter.
10.40 Die Sektorengrenze Chausseestr. (im Westsektor) wurde durch fünf Bereitschaftspolizisten und einen Offizier verstärkt. Außerdem ein Pkw. der franz. Besatzungsmacht mit zwei Offizieren aufgefahren.
10.45 Die Columbuswache wurde von den Demonstranten gestürmt. VP-Mstr. Hahn entwaffnet eingetroffen. Verbleib der anderen nicht bekannt.
10.45 In der sowj. Botschaft sind drei VP-Angehörige der Columbus-Wache eingetroffen (zwei VPR 1, ein B.-Kdo.). Vier VP-Angehörige wurden gewaltsam nach dem Westsektor verschleppt. Verbleib der anderen des B.-Kdo. nicht bekannt, da Stärke nicht bekannt.
10.45 Von der Wallstr. marschieren ca. 2.500-3.000 Menschen in Richtung Spittelmarkt. Sie führen provokatorische Reden.
10.47 An den KP Köpenicker Str., Dresdener Str., Prinzenstr. werden die Geschäfte demoliert. AKW und KP wurden zurückgezogen.
10.50 Sämtliche Geschäfte Rosenthaler-/Invalidenstr. wurden von den Demonstranten gewaltsam geschlossen. Ackerhalle schließt ebenfalls.
10.55 Vor der SED-Kreisleitung Friedrichstr. große Schlägerei.
10.55 Letzter Demonstrationszug hat die Scheiben der NF in der Wallstr. eingeschlagen.
11.00 Schlägerei beendet. Schlägerkolonne in Richtung Marx-Engels-Platz abgezogen.
11.15 1 Demonstrationszug im Westsektor (Müllerstr.) gebildet. Befinden sich im Marsch Richtung demokratischer Sektor, KP Chausseestr.
11.20 Die Demonstranten, ca. 1.000 Personen, vom Potsdamer Platz zum Brandenburger Tor zurückgekehrt. Vom Brandenburger Tor wurde die Fahne heruntergeholt. Marschieren zum Marx-Engels-Platz.
11.20 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Auf keinen Fall dürfen Demonstranten in die Reviere eindringen. Verteidigung wird geboten. Erst Warnschuß, dann Feuer.
11.25 Große Demonstrationszüge aus dem Westsektor haben am Walter-Ulbricht-Stadion den demokratischen Sektor passiert.
11.18 Die Belegschaft der Med.-Geräte-Fabrik, Chausseestr. 42, hat sich den Demonstranten aus dem Westsektor angeschlossen.
11.30 Vor dem Hause des Stadtrates Mitte, am Alexanderplatz, wurde ein VP-Kraftfahrzeug umgeworfen. Die VP-Angehörigen werden von den Demonstranten tätlich angegriffen.
11.30 Im Walter-Ulbricht-Stadion wird von dem westl. Demonstrationszug die Schrift heruntergerissen, außerdem das Stadion demoliert.
11.30 Durchsage Op.-Stab PdVP: Es ist auf jeden Fall zu verhindern, daß Demonstranten in die VP-Reviere eindringen. Zuerst blinde Schüsse, dann zur Verteidigung übergehen.
11.40 Sowjetische Einheiten mit schweren Panzern Unter den Linden in Richtung sowj. Botschaft.
11.45 Friedrichstr./Ecke Unter den Linden brennt der Bücherkiosk.
11.55 W.-Ulbricht-Stadion ist leer, keine Menschen auf dem Platz. Neon-Lampen wurden am Eingang zerschlagen.
11.55 Schule Friedrichstr./Ecke Oranienburger Tor wurden Türen und Fenster zerschlagen.
12.00 Mag./Ecke Alexanderstr. Schlägerei mit Demonstranten.
12.00 HTA sämtliche Ein- und Ausfahrten geschlossen, sonst ruhige Lage, Dienstbetrieb gestört, da Fahrzeuge nicht mehr ausfahren können.
12.05 Demonstrationszug aus Hennigsdorf hat in der Friedrichstr. 126 die dortige Schule gestürmt, das Lehrpersonal sowie die Kinder aufgefordert, sich der Demonstration anzuschließen.
12.05 Ein neuer Demonstrationszug hat die Sektorengrenze überschritten.
12.05 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Bitte feststellen, ob U-Bahnverkehr eingestellt.
12.10 Ein Provokateur mit Schußwaffe festgenommen. Befindet sich auf dem VPR 6. In der Rathausstr. brennt ein roter BMW 009-783.
12.10 BVG-Liebknechtstr. haben Rowdies in größerer Menge den Haupteingang und die Toreinfahrt gewaltsam erbrochen und dringen laufend in das Gebäude ein. Erbitten Hilfe.
12.15 Leipziger/Ecke Friedrichstr. schwere Schlägereien unter den Demonstranten.
12.15 Es kommen laufend Gruppen vom Spittelmarkt ruhig diskutierend zurück.
12.20 Am Brandenburger Tor ist ein Lautsprecherwagen aufgefahren und fordert die Menschen auf zu demonstrieren. Schüsse aus Richtung Potsdamer Platz sind am Brandenburger Tor zu hören.
12.25 Große Teile der Demonstranten wandern durch das Brandenburger Tor in Richtung Westsektor unorganisiert ab.
12.30 FDGB-Bundesvorstand Wallstr. sind 50 Genossen zur Sicherung des Gebäudes von der Parteihochschule eingetroffen.
12.35 Der Laukw., Privat-Fahrzeug, grauer Ford, KB 063-153, am Brandenburger Tor fordert auf zur Fortsetzung der Demonstration, kündigt Kundgebung am Oranienplatz um 18.00 Uhr an. Ca. 2.000 Menschen sind dort versammelt.
12.35 Demonstranten aus dem W.-Ulbricht-Stadion verdrängt.
12.35 Verlag John Peet, Friedrich-/Ecke Französische Str., gestürmt, Fahne abgerissen und vor dem Hause verbrannt, Sicherungen herausgerissen, so daß die Druckerei nicht weiterarbeiten kann. Demonstranten nehmen vor Friedrichstr. 167/68 drohende Haltung ein, da aus dem Hause Fahnen heraushängen. Versuchen in das Gebäude einzudringen und Fahnen herunterzuholen.
12.38 Laukw. hat Brandenburger Tor in Richtung Westsektor verlassen.
12.50 Wöhlerstr., FDJ-Heim, rücken ca. 100 Personen an, um das Heim zu stürmen.
13.00 Ca. 100 bis 150 Personen befinden sich im W.-Ulbricht-Stadion und zerschlagen die Einrichtungen.
13.00 Ca. 20 jugendliche Rowdies sind in das Gebäude des Bauprojektierungsbüros, Mauerstr. 92, eingedrungen und demolieren die Einrichtung. Untergebracht sind dort Baupläne von Stalinstadt und anderen Städten der DDR.
13.05 Am Brandenburger Tor ein Jeep mit engl. Besatzungsangehörigen sowie 12-15 Stummpolizisten stationiert. Starke Diskussionsgruppen Wilhelmstr./Ecke Unter den Linden.
13.05 Demonstrationszug, von Schönhauser Allee kommend, jetzt Alte Schönhauser Str. in Richtung Münzstr. - Alexanderplatz, ca. 800 bis 1.000 Personen.
13.10 Kommissar S., VP-Rev. 14, teilt mit, daß der BGL-Vorsitzende der Konsumbäckerei Mitte, Brunnenstr. 29, die Belegschaft aufgefordert hat, in den Generalstreik zu treten.
13.10 Vor dem Gebäude der DIA, Liebknechtstr. 14, wurde ein Pkw. in Brand gesetzt. Demonstranten versuchen, das Haus zu stürmen.
13.20 VP-Obw. W., Dienststelle VPI-Treptow, wohnhaft Svinemünder Str. 10, teilt mit, daß der Hauswirt Svinemünder Str. das Gerücht verbreitet, heute ab 12.00 Uhr haben wir den Generalstreik, es gibt kein Licht und kein Wasser mehr, in der Leipziger Str. stehen 10.000, und die Russen haben geschossen.
13.20 John Peet teilt mit, daß sein Verlag Französische Str./Ecke Friedrichstr. gestürmt wurde, er bittet dringend um pol. Hilfe.
13.25 Eine tel. Verbindung zum W.-U.-Stadion ist nicht mehr herzustellen. Es ist zu vermuten, daß der Betriebsschutz die Diensträume verlassen hat.
13.30 Rowdies haben das Gebäude der IG Metall, Unter den Linden 13, betreten und werfen vom Dach mit Steinen.
13.33 Die Waffe des heute vormittag am Potsdamer Platz entwaffneten VP-Angehörigen wurde von Genossen sichergestellt und befindet sich zur Abholung in der DIA, Maschinenexport.
13.33 Starke Menschenmassen, aus dem Westsektor kommend, befinden sich in der Köpenicker Str. und bedrängen die Sektorenposten.
13.33 Im Verlag der "Tribüne" demolieren ca. 15-20 Personen die Einrichtung und fordern die Belegschaft zum Streik auf.
13.40 Ansammlung von großen Menschenmassen im dem. Sektor Bernauer Str./Ecke Brunnenstr. in Höhe der U-Bahn, die die Sektorenschilder umwerfen, die AKW-Baracke gestürmt haben und einen AKW-Angehörigen in den Westsektor verschleppt haben, wo sie ihn der Stupo übergaben.
13.35 Im Verlag der "Nationen", Berlin C 2, Magazinstr., hat die Belegschaft den Streik beschlossen und das Gebäude verlassen.
13.40 In der Köpenicker Str. bewegt sich eine Gruppe von ca. 200 Personen provozierend in Richtung Wallstr.
13.50 Am Babylon befinden sich ca. 40-50 Rowdies, welche auf dort befindliche Personen, welche irgendwelche Abzeichen tragen, einschlagen.
13.50 In der Rathausstr./Ecke Jüdenstr. befindet sich ein Autowrack, welches ständig zu Provokationen Anlaß gibt, wodurch die umliegenden Magistratsdienststellen in Mitleidenschaft gezogen werden.
13.50 Ein Mitglied des Bundesvorstandes des FDGB meldet, daß unweit der Marx-Engels-Brücke am Museum für Deutsche Geschichte ein Holzkreuz errichtet wurde mit der Aufschrift: "Von den Sowjets ermordet".
13.50 Hennigsdorfer Stahlwerker, durchsetzt mit Westberliner Provokateuren, dringen in die Berliner Aufzugswerke, Chausseestr. 35, ein. Belegschaft hat das Werk verlassen, anwesend noch BS-Wache und Genossen, Waffen in Sicherheit gebracht.
14.00 Ca. 400 Personen marschieren, vom Rosenthaler Platz kommend, provozierend in Richtung Sektorengrenze.
14.00 Jugendliche Rowdies haben die Fahne auf dem Brandenburger Tor auf Halbmast gesetzt.
13.55 Ein Provokateur festgenommen, befindet sich im VP-Rev. 6.
14.00 Wache VP-Krankenhaus, letzte Tür vor der Boyenstr. erbrochen, provozierende Jugendliche werfen Steine in die Fenster der Frauenabteilung.
14.00 Berolina-Haus am Alexanderplatz wird von Rowdies gestürmt.
14.10 SED-Kreisleitung Friedrichstr./Ecke Unter den Linden ist in Bedrängnis, erbitten Hilfe, Provokateure reißen Fahnen und Transparente ab.
14.10 Tribüne, Chausseestr. 118, ca. 300-400 Personen dringen in das Gebäude ein, es wird um Hilfe gebeten.
14.10 Schlägerei in der HO-Imbißhalle Rosenthaler Str. 32.
14.15 AKW-Baracke am KP 59, Köpenicker Str., von provozierender Menge in Brand gesteckt.
14.20 W.-U.-Stadion, Sporthaus wird jetzt gestürmt, sie bitten um Hilfe.
14.20 AKW-Baracke Brunnenstr. Ecke Oderberger Str. umgeworfen, Schwedter- Ecke Bernauer Str. ein Pkw. vom dem. in den Westsektor geschoben. Straßensperren Schwedter Str., Svinemünder Str., Wolliner Str. abgeräumt.
14.20 An einem Laternenpfahl an der Schwedter Str. Ecke Bernauer Str. (Westsektor) ist ein Bild des Präsidenten Wilhelm Pieck aufgehängt worden.
14.25 Die Rowdies haben auf dem Hof der "Tribüne", Chausseestr., Feuer angezündet, es besteht Gefahr, daß der Brand auf das Gebäude übergreift.
14.30 Rowdies werfen die Akten auf den Hof und verbrennen diese.
14.30 An der Marx-Engels-Brücke wurde von Rowdies ein Pkw. in Brand gesteckt. Nummer nicht mehr zu erkennen.
14.35 Straße Unter den Linden wird von sowj. Truppen und VP geräumt. Es fielen scharfe Schüsse.
14.40 Rowdies im W.-U.-Stadion haben AKW-Unterkunft zerstört und Unterkunft des BS teilweise zerstört. Rowdies sind noch im W.-U.-Stadion, es besteht die Gefahr, daß sie von dort in das VP-Krankenhaus eindringen.
14.45 Durchsage des Op.-Stab PdVP: Rauchschwaden im Haus der Kultur gesichtet. VP-Rev. 1 soll feststellen, was dort vorliegt.
14.45 Postvermittlung 53 in der Palisadenstr. wird von provozierender Menge gestürmt.
14.50 Mauer-/Ecke Friedrichstr., Haus der Projektierung, werden Möbel aus dem Fenster geworfen und verbrannt.
14.55 Stresemannstr. 128, Konsum, werfen Rowdies die Fensterscheiben ein.
14.55 Ca. 150 Personen, vorwiegend Jugendliche, marschieren in Richtung Innenstadt.
14.55 Am VPR 14 erfolgt Anruf über 01, meldet sich niemand, vermutlich Notrufmelder zerstört.
15.00 Durchsage Op.-Stab PdVP: Bitte feststellen, von welcher VPI der Funkwagen mit der Tarnnummer 009-783 eingesetzt ist.
15.00 Die genannte Rauchsäule kommt nicht vom Haus der Kultur, sondern von einem Lkw., der auf dem Marx-Engels-Platz in Brand gesetzt wurde.
15.10 Den Ausgang der Uni von 150 Personen versperrt und hindern die Studenten am Verlassen der Uni. Im Institut Marx-Engels-Lenin-Stalin wurden die Fensterscheiben zertrümmert.
15.25 Heinz F., geb. 27.8.14, erscheint auf dem VPR 12 und macht folgende Meldung: Der Wagen des stellvertr. Minister Otto Nuschke wurde an der Mühlenstr./Oberbaumbrücke gestoppt, der Wagen mit Nuschke zum Westsektor geschoben und zum Rev. 109 gebracht. Der Fahrer konnte entkommen.
15.30 Die den Marx-Engels-Platz abkämmenden sowj. Freunde werden von einem Turm in Richtung Alexanderplatz von ca. vier Zivilpersonen beschossen.
15.45 Ca. 2.000 bis 3.000 Menschen demonstrieren, vom Veteranenberg kommend, in Richtung Nordbahnhof, provozieren vor dem VPR 14.
15.50 Das Verkaufspersonal der HO-Verkaufsstelle "Nord", Chausseestr. 56, hat der Aufforderung einer unübersehbaren Menschenmenge, welche mit Gummiknüppeln und Schlagringen ausgerüstet ist, Folge geleistet und die Verkaufsstelle verlassen. Menschenmenge versucht, in die Räume einzudringen.
15.55 HO-Verkaufsstelle Liebknechtstr. 66 wird gestürmt.
15.55 Am KP 59, Köpenicker Str., wurde von den Rowdies die AKW-Baracke in Brand gesetzt und die Posten tätlich angegriffen.
16.00 Auf Anweisung des Op.-Stabes PdVP hat sich der Sektorenposten Melchiorstr. auf das VPR 12 zurückgezogen.
16.10 Vor dem Nordbahnhof befindet sich eine randalierende Menge.
16.15 Die AKW-Baracke Brunnenstr./Ecke Bernauer Str. wurde in Brand gesetzt, das gegenüberliegende HO-Geschäft wurde vollkommen ausgeräumt.
16.15 Im Gebäude des HTA Lage ruhig, Arbeit geht weiter, vor dem Gebäude Lage ebenfalls ruhig, Sicherung für die Nacht vorbereitet durch Auslegen von Wasserschläuchen an jedem Ausgang.
16.25 Sämtliche Konsumkioske in der Chausseestr. zwischen Schwartzkopfstr. und Liesenstr. gestürmt und geplündert, die HO-Lebensmittelverkaufsstelle Chausseestr. 56 mit einem Warenbestand von ca. 35.000 DM wird stark bedrängt, und es ist anzunehmen, daß diese ebenfalls gestürmt und geplündert werden soll.
17.00 Bauakademie, Hannoversche Str., ca. 150 Personen entfernen Transparente und werfen Scheiben ein.
17.30 Abholung eines Provokateurs von der Kreisregistrierkommission Behrensstr. 42-44.
17.35 Menschenansammlungen von einigen hundert Personen in der Fritz-Heckert-Str.
17.40 Durchsage Op.-Stab PdVP: Es ist nach folgenden Fahrzeugen zu fahnden: GB 002-063, GB 011-011, GB 003-719. Im Erfolgsfalle Fahrzeuge sicherstellen und Personen festnehmen. Sofort Op.-Stab PdVP.
17.40 Wirtschaftseingang W.-U.-Stadion, hart an der Sektorengrenze, brennt Baracke des AKW sowie einige Kioske des Konsum. Feuerwehr verständigt.
17.45 Alexanderplatz, an der Bedürfnisanstalt, Diskussionsgruppen, ca. 50 Personen.
17.50 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Funkwagen sollen Michaelkirchstr. feststellen, ob Insp. M. eingetroffen ist.
17.55 Flugblattaktion des Klassengegners aus Richtung Lehrter Bahnhof. Abwurf durch Ballons mit Raketen. Flugblätter im VP-Krankenhaus gefunden.
17.55 Durchsage des Op.-Stabes PdVP: Insp. feststellen, ob alle Posten an der Sektorengrenze bezogen sind, ob Verbindungen zu den Stützpunkten und Kontrollpunkten bestehen. Nachricht ........ [im Orig. unvollständig, d.Hg.]
18.10 Kundgebung Oranienplatz und Luckauer Platz, Redner fordert auf, wieder in den demokratischen Sektor einzudringen. Sicherungsmaßnahmen der KVP und sowj. Truppen getroffen.
18.00 Flugblattabwurf, vermutlich durch Ballon, ca. 30 Stück Flugblätter gehen mit Bericht dem Op.-Stab Mitte zu. Lt. Rücksprache mit Op.-Stab PdVP keine Spitzenmeldung erforderlich.
18.15 Gen. M. ist Michaelkirchstr. eingetroffen. Gen. H. bittet um Unterstützung durch weitere 20 VP-Kräfte für die Sektorensicherung.
18.30 Ein Zug am KP 26 hat Sicherung übernommen.
18.45 Durchsage Op.-Stab PdVP: Ein Hinüberwechseln aus dem Westsektor in den dem. Sektor ist unter allen Umständen zu verhindern, ebenfalls ist nach Möglichkeit ein Hinüberwechseln vom dem. Sektor in den Westsektor zu verhindern. Dabei muß besonderer Wert auf möglichst viel Zwangsgestellte gelegt werden.
18.45 Schüsse in der Brunnenstraße. Passanten, aus dem Westsektor kommend, tragen Schußwaffen und schießen auf VP-Angehörige. Feuer wurde von VP erwidert.
18.50 Durchsage Op.-Stab PdVP: Die Insp. haben einen Lkw. zum Op.-Stab zu entsenden, um die Plakate betr. Ausnahmezustand abzuholen und dann zu kleben.
18.55 Ein Zug der Abteilung S mit 30 Personen in hoher Bedrängnis, 500-800 Personen umlagern den Wagen, VPR 4 hat schon 4 Ausfälle, erbitten Hilfe.
17.20 Die Hausvertrauensmännin Elsbeth G., Brunnenstr. wohnh., teilt folgendes mit: Die Gen. S., Brunnenstr., wurde am 17.6.53 gegen 18.10 Uhr von 2 unbekannten Männern gewaltsam aus ihrer Wohnung geholt und in den Westsektor verschleppt.
19.05 Unrechtmäßiger Schußwaffenbesitz, Landfriedensbruch, Aufruhr, Nötigung und Bedrohung
Am 17.6.53, gegen 13.00 Uhr, wurden in Berlin C 2, Marx-Engels-Platz (Tribüne) unmittelbar in der Nähe der Rathausbrücke, folgende Personen festgenommen:
1.) Hans Sch., 1934 Berlin geb, Bln.-Blankenfelde, Hauptstr. wohnhaft,
2.) Günter F., 1935 Röntgenthal geb., Röntgenthal, Ahornallee wohnh.
Die Genannten haben am 17.6.53 gegen 12.00 Uhr in einer Diskussionsgruppe Nähe Rathausbrücke eine drohende Haltung gegen folgende Personen eingenommen:
1.) Hermann B., 1906 Oberstein geb., Berlin O 17, Brückenstr. wohnh.,
2.) Walter G., 1912 Berlin geb., Bln.-Staaken, Finkenkrugweg wohnh.,
3.) Herbert H., 1906 Glogau geb., Eberswalde, Ruhlaer Str. wohnhaft.
Der Beschuldigte Sch. ist Träger der Pistole Fabrikat Mauser, Nr. 805499, Kaliber 7,65 mm ohne Magazin, mit einem Schuß Munition, welche er gegen die Diskutierenden richtete. In seiner Vernehmung wurde festgestellt, daß beide Beschuldigte zuvor mit anderen Rowdies an der Jüden-/Ecke Rathausstr. einen Pkw., Marke BMW, Pol. Kennzeichen GB 009-783 umgeworfen haben und später in Brand steckten. Die im Fahrzeug befindlichen Personen wurden zusammengeschlagen, so daß eine Überführung in das VP-Krankenhaus erfolgen mußte. Dabei wurde auch einer Person die o.g. Pistole entrissen.
18.55 Durchsage Op.-Stab PdVP: Haus Vaterland soll brennen, Überprüfung nicht möglich, da Potsdamer Platz von KVP abgesperrt.
19.40 Durchsage Op.-Stab PdVP: An den KP Dresdener- und Prinzenstr. dringen ca. 2.000 bis 3.000 Menschen, aus dem Westsektor kommend, in den dem. Sektor ein.
19.40 Die Inspektionen melden dem Op.-Stab PdVP, ob bei den heutigen Vorkommnissen VP-Angehörige verletzt wurden (schwer / leicht), ob VP-Angehörige vermißt werden, und ob Tote zu beklagen sind.
21.20 Durchsage Op.-Stab PdVP: Nach Empfang der Plakate soll sofort mit dem Kleben begonnen werden, nach Abschluß der Aktion muß dem Op.-Stab Vollzug gemeldet werden.
23.35 Zwangsgestellungen, welche in Anbetracht des Ausnahmezustandes durchgeführt wurden, sind im Laufe dieser Nacht der Haftanstalt PdVP zuzuleiten.
23.40 Es sind nicht nur die Zwangsgestellungen zu überführen, welche im Laufe des Ausnahmezustandes gemacht wurden, sondern in Laufe des ganzen Tages.
23.45 Jede VP-Inspektion erhält einen Lkw., den sie, mit VP-Angehörigen besetzt, zu Streifenfahrten im Insp.-Bereich benutzen kann. Der Lkw. hat sich am 18.6.53, 06.00 Uhr, auf dem Op.-Stab PdVP zurückzumelden.
00.05 Die Zwangsgestellungen sind auf der VP-Insp. zu belassen, außer Prenzl. Berg. Der 1. und 2. Rundspruch verlieren ihre Gültigkeit.
01.45 In der Zeit von 23.30 Uhr bis 01.30 Uhr Kontrollen der Lokalitäten der VPI-Mitte durch bewegliche Komm. von 1/10 - S - und 1/4 - K - auf Einhaltung der Bestimmung betr. Ausnahmezustand. Keine Vorkommnisse.
01.50 Am 17.6.53 gegen 22.45 Uhr nahmen am KP 18, Westsektor, 2 Lkw. Stumm Aufstellung.
03.05 Illegale Flugblattverteilung: Um 03.05 Uhr wurden von einer Streife des VPR 4 am Oranienburger Tor Flugblätter in russischer und deutscher Sprache gefunden.
03.45 Der Polit-Stellvertreter möchte jemanden beauftragen, der uns auf App. 605 konkret Bescheid gibt:
1.) Welche hauptsächlichen Betriebe die Arbeit aufgenommen haben;
2.) Wie die Stimmung in den Betrieben und in der Bevölkerung ist, und wie die Stimmung über die Demonstration ist. Durchzugeben am 18.6. in der Zeit von 08.00-08.15 Uhr.
05.00 Um 05.00 Uhr war die Klebeaktion in der VPI-Mitte beendet.
05.05 Ein Hinüberwechseln von dem dem. Sektor in den Westsektor und von dem Westsektor in den dem. Sektor ist weiterhin nicht gestattet.
07.05. Menschenansammlungen vor dem Nordbahnhof. Trapo-Nordbahnhof meldet, daß vor dem S-Bahnhof sich eine größere Menschenmenge ansammelt, welche auf Eröffnung des Bahnhofes wartet. Sowj. Panzerkommandant hat mit seinen Kräften schon teilweise die Absperrung vorgenommen. Bittet um VP-Kräfte, da Trapo zu schwach und außerdem abgezogen werden muß, da sie andere Aufgaben hat.
07.10 Durchsage Op.-Stab PdVP: Um 06.40 Uhr erfolgte die Durchsage, daß sofort innerhalb von 10 Minuten festzustellen und an Op.-Stab PdVP zu melden ist, wieviele Personen seit dem 17.6.53, 21 Uhr, unterteilt nach Ost- und Westsektor, zwangsgestellt wurden.

Abgeschlossen am 18. Juni 1953, 08.00 Uhr
gez. Sch.
(Sch.,VP-Komm.)

[Quelle: Polizeihistorische Sammlung des Polizeipräsidenten in Berlin, PdVP/Stab Operativ/Rapporte, 15.-30.6.1953, Nr. 8012, Bl. 71-76; Anm. d. Hg.: Rechtschreibfehler wurden stillschweigend korrigiert, Namen anonymisiert, Wohnanschriften und Geburtsdaten gekürzt.]

Rainer-Maria
Bergmensch
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 17. Juni 2012, 17:40

Wieso bezahlen Bergmensch, ich brauch kein Geld von irgendwelchen Anderen, habe selber wieder zwei gesunde(mittlerweile)Hände um mein eigenes Geld zu verdienen.. Das Protokoll ist doch aussagekräftig genug. Wenn man nun natürlich gleich Alles anzweifelt, was damals auf irgendwelchen Schriftstücken vermerkt wurde so von der Volkspolizei dann könnte man die Säcke mit den Schnipseln vom MfS oder besser der Stasi heute doch gleich verbrennen....weil vielleicht deren Wahrheitsgehalt auch nicht gerade ....der Wahrheit entspräche? Bißchen komisch, was?

Verstehst du, was ich damit ausdrücken möchte Mann vom Harzberg. Das was da steht kann doch nicht erfunden sein in irgend einer Phantasieblase vom Volkspolizeiobermeister Schulze oder vom Müller? "Zwangsläufig nicht objektiv" Interessierter? Du vermutest da eventuell nachträgliche Fälschung? Tut mir leid, auf dem Gebiet bin ich leider nicht bewandert und siehe dazu auch die Säcke im Vortext.

"Arbeiteraufstand" und das schrieb ich schonmal sinngemäß, ich wäre ein schlechter Arbeiter, wenn ich mein eigenes Schaffenswerk mit der Fackel anstecke und mich dann genüsslich daran weite, wenn es abbrennt.Und das nur, weil ich im Staate was verändern möchte? Ist irgendwie nicht logisch, nicht nachvollziehbar für mich als Arbeiter, als schaffender Mensch der ich einmal lange Jahre war?

Das ostdeutsche Arbeiter aus gut nachvollziehbaren Gründen auf die Strasse gingen ist ein Fakt, nur das was dann passierte durch"westliche Trittbrettfahrer "lag wohl nicht mehr in ihren Fäusten und Ermessen, in ihrer Macht.

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 17. Juni 2012, 18:10

Edelknabe hat geschrieben:....nur das was dann passierte durch"westliche Trittbrettfahrer "lag wohl nicht mehr in ihren Fäusten und Ermessen, in ihrer Macht.

Rainer-Maria


Rainer, ich glaube, dass man hier etwas klar stellen muss. Wenn hier von westlichen Demonstranten gesprochen wird, dann können das auch Ostdeutsche gewesen sein, die im westl.Sektor unterwegs waren. Denn die Züge die z.B. aus dem Stahlwerk Henningsdorf kamen, liefen Richtung Osten durch den Westteil der Stadt.

Und wenn du Berlin kennst, dann nahmen auch jene aus Friedrichshain den kürzeren Weg durch Neukölln/ Kreuzberg. Und im Westen schaute man diese erst verwundert an, war darauf überhaupt nicht vorbereitet.

Und dieses Protokoll ist ein Zeugnis, die Geschichte kann man aber erst beurteilen, wenn man auch die aus dem Chemiedreieck Halle-Leipzig , die aus Görlitz etc. kennt.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 17. Juni 2012, 19:08

Hier mal ein "normales Einzelschicksal" aus Brumby:
http://www.17juni53.de/tote/grobe.html
Volker Zottmann
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 5. Juli 2012, 08:37

Zum 50. Jahrestag erhält der Aufstand vom 17. Juni neue Aufmerksamkeit. Die Revolte war mehr als ein Arbeiterprotest – es ging um Freiheit und Demokratie

In Dähre, einem Dorf bei Magdeburg, herrscht Ausnahmezustand. Gerade ist im Schulhaus ein Bauer zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er nicht die staatlichen Planvorgaben erfüllen konnte. Da versammeln sich 80 Dorfbewohner vor dem Schulhaus und fordern seine Freilassung. Der Verurteilte wird in Handschellen in ein Auto verfrachtet, als ihn die Menge befreit und ihm johlend die Flucht ermöglicht. 19. Dezember 1951. Die DDR steckt in der Krise. Und in Dähre findet eine kleine Revolution statt. Es soll nicht die letzte sein.
Es ist nur eine Anekdote aus der Provinz, doch sie erzählt viel über den Zustand der ostdeutschen Gesellschaft wenige Jahre nach Kriegsende. Sie erzählt viel über einen Staat, der sich Deutsche Demokratische Republik nannte, der aber vom Volk weder als deutsch noch als demokratisch oder als Republik empfunden wurde. Und sie läßt vieles ahnen über einen herannahenden Tag, der die Geschichte des Staates grundlegend verändern sollte: den 17. Juni 1953, den Tag des Aufstands in der DDR. Ein Aufstand, auch das zeigt die kleine Geschichte aus der Provinz, der nicht nur eine Erhebung der Arbeiter im Arbeiterstaat war.
Der Tag des Protests, hatte eine lange Vorgeschichte. Und er hatte Nachwirkungen. Bis 1989 blieb er ein Trauma der Ostdeutschen, denn der Protest des Volkes wurde von sowjetischen Truppen niedergeschlagen und fortan von der Partei- und Staatsführung als »faschistischer Putschversuch« verunglimpft. Der Westen Deutschlands dagegen zelebrierte den 17. Juni ritualhaft als Tag der nationalen Einheit. Doch all diese Etiketten werden dem Aufstand nicht gerecht. Das zeigen die zahlreichen Bücher, die zum Jubiläum erscheinen und mit ihren Anekdoten ein ganz anderes Geschichtsbild lebendig werden lassen. Ein Geschichtsbild des Leidens und des Aufbegehrens.
»Im Juni 1953 ging es nicht um einen sozialen Protest, sondern um eine politische Bewegung mit dem klar umrissenen Ziel von Freiheit und Demokratie«, schreibt der Historiker Hubertus Knabe in seiner Studie. Knabe, der in Berlin die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen leitet, hat eine umfassende Darstellung der Ereignisse vorgelegt, die auch wegen ihrer klaren Erzählweise als Standardwerk bezeichnet werden kann. Allerdings ist es nicht das einzige.

Der ganze Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 04219-ide/
Interessierter
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Thomas 1948 » 5. Juli 2012, 15:00

In den ersten Monaten vor dem 17. 6.1953 wurden Mitglieder der Jungen Gemeinde von Oberschulen geworfen, weil sie Agenten der USA waren, wer daran noch Interesse hat dann kann ich noch mehr tippen.
Aus diesem Grund ist der Lehrer Ewald Jacobasch in Bitterfeld aus der SED ausgetreten
Thomas
Thomas 1948
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 5. Juli 2012, 15:11

Zum Thema (obwohl 36 Jahre später) passt auch der Beitrag von Hn. Neiber mit der "nach hinten gerichteten Konterrevolution" [flash] - wobei sie (das MfS) selbst doch die wirklich Friedenerhaltenden waren. Dass man trotz Waffen gegen diese friedliche Übermacht nur schwer begründbar etwas machen konnte und durfte, verschweigt er natürlich.


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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon karnak » 6. Juli 2012, 16:25

Ich bin mir sicher, 1953 wollte niemand auf dieser Welt,daß die Revolution,Konterrevolution,Erhebung,wie auch immer gelingt.Zumindest die nicht,die politische Veratwortung trugen und die politische Macht inne hatten.
Weil ,es wäre dann doch ein territoriales und besonders politisches Vakuum mitten in Europa entstanden.Mit dem KEINER gewust hätte was er nun damit anfangen soll.Die SU wollte ihre" Kriegsbeute" mit Sicherheit nicht so einfach abgeben,der Westen wollte sie aber DESWEGEN auch nicht haben.Also mussten die Ostdeutschen ein weiteres Opfer bringen,was dem 2 Weltkrieg entsprungen war.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 6. Juli 2012, 16:30

Hätten sich bereits 1952 Adenauer und die Alliierten anders verhalten, hätte Stalins Angebot, die DDR zu opfern, vielleicht schon Tote in der DDR 1953 vermieden. Wer weiß?

Volker
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Wosch » 6. Juli 2012, 21:43

Volker Zottmann hat geschrieben:Hätten sich bereits 1952 Adenauer und die Alliierten anders verhalten, hätte Stalins Angebot, die DDR zu opfern, vielleicht schon Tote in der DDR 1953 vermieden. Wer weiß?

Volker


Volker, ich bin mir da nicht so sicher, daß der Stalin seinen Machtbereich aufgegeben hätte!
Schönen Gruß aus Kassel. [hallo]
Ich bin stolz darauf, noch nie den "Melde-Button" benutzt zu haben!
Mecklenburger sind nicht nachtragend, aber vergessen tun sie auch nicht!
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 6. Juli 2012, 21:46

War ja seinerseits als "Neutrale Pufferzone Deutschland" im Planspiel. Wäre nicht das Schlechteste gewesen. Guck mal, wie es der Schweiz so neutral geht.

Volker
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Danny_1000 » 7. Juli 2012, 06:08

Wosch hat geschrieben:....Volker, ich bin mir da nicht so sicher, daß der Stalin seinen Machtbereich aufgegeben hätte!
Schönen Gruß aus Kassel. [hallo]

Man hätte ihn doch nur beim Wort nehmen müssen !!! So gesehen ist deine These reine Spekulation.

Gesichert aber ist: Der alte Adenauer und seine Getreuen hatten überhaupt kein Interesse an einem geeintem, entmilitarisierten und neutralen Deutschland. Sie verfolgten eine Politik, die Westdeutschland in den Westen und damit in die globalen Machtinteressen der Amis einband. Bekanntlich war dem alten Kölner „das halbe Deutschland ganz lieber als das ganze Deutschland nur halb“. So gesehen war er einer der Grundsteinleger zur Spaltung unseres Landes.

Gruß
Daniel
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben
dafür einsetzen, dass du es sagen darfst !
(Evelyn Beatrice Hall 1868; † nach 1939)
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon manudave » 7. Juli 2012, 09:13

Volker Zottmann hat geschrieben:War ja seinerseits als "Neutrale Pufferzone Deutschland" im Planspiel. Wäre nicht das Schlechteste gewesen. Guck mal, wie es der Schweiz so neutral geht.

Volker


Ein neutrales Deutschland hätte es nie wirklich gegeben. Es wäre ein sehr instabiles Gebilde gewesen - dessen war sich Adenauer sicher bewusst.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 7. Juli 2012, 09:25

Das sehe ich ganz anders!
Auf beiden deutschen Seiten wurde nach dem Krieg "NIE WIEDER" getönt. Warum hätte das nicht per Volksentscheid unter Aufsicht aller Alliierten entschieden werden können?
Ich kann mir da schon ein Ergebnis vorstellen ...
Vor allem hätte sofort die Rüstungsindustrie zerschlagen werden müssen.
Es ist aber vielen Deutschen heute eigen, sich ein neutrales Deutschland nicht vorstellen zu wollen oder zu können. Auch ohne Rüstung wäre Deutschland mit dem Aufbauwillen nach dem Krieg wieder auf die Beine gekommen. Es gäbe auch heute das unsägliche Gezerre und die sicher bald einsetzende Inflation wegen "unseres" Euros nicht.


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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 7. Juli 2012, 09:32

Danny_1000 hat geschrieben:Bekanntlich war dem alten Kölner „das halbe Deutschland ganz lieber als das ganze Deutschland nur halb“. So gesehen war er einer der Grundsteinleger zur Spaltung unseres Landes.

Gruß
Daniel


Ein Grundsteinleger ist man dann, wenn ein Gebilde noch nicht existiert. Zu diesem Zeitpunkt bestand allerdings die DDR schon mehrere Jahre. Und man (DDR u. UdSSR) war nie bereit die Rolle der SED einem neutralen Deutschland zu opfern.

Und zu dem neutralen Deutschland hatte sich die DDR und die UdSSR bereits im Sept. 1951 geäußert:

" Eine Erörterung der Frage bei den geforderten Vier-Mächte-Verhandlungen – also auch das im Westen vielfach erhoffte Tauschgeschäft Demokratie gegen Neutralisierung – wurde so von vornherein ausgeschlossen. Der Ausschluß eines quid pro quo geschah mit voller Absicht. In vorbereitenden Gesprächen zwischen Vertretern Moskaus und Ost-Berlins im Sommer 1951 war man sich von Anfang an darüber einig gewesen, daß Österreich mit seinen demokratischen Institutionen kein Modell für Deutschland sein dürfe. Stattdessen sollte die DDR-Regierung in allen Fragen der inneren Ordnung ein Veto besitzen."
M. Gribanov an A.Ja. Vy(inskij, 15. August 1951
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Wosch » 7. Juli 2012, 19:44

Danny_1000 hat geschrieben:
Wosch hat geschrieben:....Volker, ich bin mir da nicht so sicher, daß der Stalin seinen Machtbereich aufgegeben hätte!
Schönen Gruß aus Kassel. [hallo]

Man hätte ihn doch nur beim Wort nehmen müssen !!! So gesehen ist deine These reine Spekulation.

Gesichert aber ist: Der alte Adenauer und seine Getreuen hatten überhaupt kein Interesse an einem geeintem, entmilitarisierten und neutralen Deutschland. Sie verfolgten eine Politik, die Westdeutschland in den Westen und damit in die globalen Machtinteressen der Amis einband. Bekanntlich war dem alten Kölner „das halbe Deutschland ganz lieber als das ganze Deutschland nur halb“. So gesehen war er einer der Grundsteinleger zur Spaltung unseres Landes.

Gruß
Daniel



Wenn meine Unsicherheit "reine Spekulation" sein soll, dann war Dein "Man hätte ihn doch nur beim Wort nehmen müssen!!" eben auch eine Solche. Ich glaube nicht, daß zum damaligen Zeitpunkt des "Kalten Krieges die Sowjetunion ernsthaft bereit war ihre Kriegsbeute aufzugeben und damit ihren deutschen komunistischen Vasallen die Macht zu entziehen. Es wurde schon viel über diese Möglichkeit geschrieben aber ich sehe diesbezüglich überhaupt keinen Grund dafür, daß der Kreml seine "Angebote" ernst meinte. Zumindesten ergab sich aus den "taktisch" geschickt gemachten"Vorschlägen" die Möglichkeit dem Adenauer und der Regierung der BRD zu unterstellen, sie würden nicht für die Deutsche Einheit sein.
Schönen Gruß aus Kassel. [hallo]
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