von pentium » 2. Juli 2024, 09:29
Berlin - DDR-Geschichte. Die große Sonderausstellung „Hin und Weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ ist lange zu sehen: Eröffnet im Humboldt-Forum in Berlin im Mai, läuft sie bis zum 16. Februar 2025. Mittels Theaterformaten, Virtual Reality und vielem mehr sollen die Palastgeschichte und auch die Vorgeschichte und Bedeutung des zuvor dort stehenden und dann wieder aufgebauten Schlosses diskutiert und verschiedene Perspektiven zu den umstrittenen Repräsentationsbauwerken vermittelt werden.
Von der SED-Führung zum „Haus des Volkes“ verklärt, wurde der Palast der Republik von diesem gerne witzelnd als „Erichs Lampenladen“ bezeichnet, wegen der vielen Lampen im Foyer. „Diese können im Museumsshop des Humboldt-Forums käuflich erworben werden“, sagte ein Schauspieler beim Theaterspektakel „Bau Auf! Bau Ab!“, Teil des Programms zur Palastgeschichte. Der Satz - vom Darsteller in werbetauglichem Tonfall vorgetragen – löste Gelächter und Raunen beim Publikum aus, weil er auf den Punkt bringt, dass hier etwas als Kitsch, als Souvenir angeboten wird, das eigentlich unschätzbar ist und unverkäuflich. Als Kitsch hält besser das Humboldt-Forum her – mit seinem nur äußerlich barocken Anschein. „Der Palast steckt dem Humboldt-Forum in den Knochen“, bemerkt der Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh, zur Pressekonferenz.
Der Palast der Republik wurde zwischen 1973 und 1976 als repräsentativ-sozialistisches Staats- und Kulturhaus in zentralster Lage auf der Museumsinsel an der Stelle erbaut, an der das ehemalige Berliner Schloss stand. Dieses wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und 1950 auf Veranlassung von Walter Ulbricht abgerissen. Der Palast war Sitz der Volkskammer, Begegnungs- und Unterhaltungsort mit Gemäldegalerie, Theater, Restaurants, Diskothek, Bowlingbahn, Post und Telefonzellen. Die SED hielt hier im Mai 1976 ihren neunten Parteitag ab, Udo Lindenberg und Santana traten hier auf, zum 40. Jahrestag der DDR-Staatsgründung am 7. Oktober 1989 versammelten sich Protestler vor dem Palast. Bereits ein Jahr danach, am 10. August 1990, beschloss hier die erste frei gewählte Volkskammer den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der BRD. Und schon einen Monat später, am 19. September, beschloss der Ministerrat der DDR die Schließung des Palasts wegen 5000 Tonnen Spritzasbest, die darin verbaut waren. Kunst und Inventar aus dem Palast wurden gesichert, manches ging verloren, der Abriss wurde 1993 das erste Mal beschlossen. 2006 kamen die Abrissbagger.
Die Stiftung Humboldt-Forum wurde gegründet und der Bau am Schloss begann 2012, das 2020 fertiggestellt wurde. Die Fassade des Schlosses wurde in weiten Teilen originalgetreu nachgebaut. Eben diese sorgte zuletzt wieder für einen Skandal. Nachdem bereits 2021 ein Großspender mit antidemokratischem und antisemitischem Gedankengut aufgedeckt wurde, sollen nun auch die zuletzt auf der Kuppel aufgestellten alttestamentarischen Propheten mit Geld aus rechten Kreisen finanziert worden sein.
Die Spenderproblematik ist nicht der einzige Skandal um das Schloss. Von Anbeginn ist es vor allem mit sich selbst beschäftigt. Es eröffnete, als die Debatte um Raubkunst und ihre Restitution einen neuen Höhepunkt erreichte. Eingezogen ins Schloss sind die Sammlung des Ethnologischen Museums und das Museum für Asiatische Kunst – so präsentierte das Humboldt-Forum eine Sammlung, deren Herkunft zum Teil immer noch fragwürdig ist.
Auch der Programmschwerpunkt zum Palast der Republik rief wieder kritische Stimmen auf den Plan. Wenige Tage vor Eröffnung der Ausstellung meldete sich eine Gruppe um Architekturprofessor Philipp Oswalt zu Wort, die die Ausstellung als „Zynismus“ bezeichnete. Aber was zeigt sie und was will die Ausstellung? Die Schau zeigt in multimedialen Installationen und mit 300 Objekten die Palastgeschichte von der Planung und Errichtung über seine Nutzung als Veranstaltungsort, seine politische Rolle bis hin zum Abriss in Zusammenhang mit der Schlossdebatte. Im ersten Raum werden mit wissenschaftlicher Distanz und aus größerer historischer Perspektive viele Fragen gestellt und vor allem Raum gegeben für Antworten des Publikums.
Besucherinnen und Besucher werden dazu aufgerufen, ihre Meinung auf kupferfarbene Wandplatten zu schreiben, die an die Fassade des Palastes erinnern. Die Wand war bereits nach einer Woche Laufzeit der Ausstellung gut gefüllt. Die Meinungen reichen von „Baut den Palast wieder auf“ bis hin zu „Das Wahrzeichen eines Unrechtsstaates“. Im zweiten Raum ist eine abwechslungsreiche und dichte Schau von Objekten zum und aus dem ehemaligen Palast zu sehen, darunter Baupläne und Modelle, originale Kunstwerke und Einrichtungsgegenstände, Geschirr und Kleidung, Videoaufnahmen und Fotografien.
Präsent ist hier zum Beispiel die „Gläserne Blume“ beziehungsweise noch vorhandene Teile davon; eine Glas-Stahl-Plastik, die zum Markenzeichen des Palastes und einem Treffpunkt wurde. Hier wird sie so präsentiert, wie sie im Depot lagert – in einem Holzrahmen eingefasst; ein Schwenk in die Gegenwart.
Auch Unterhaltungskultur und politische Ereignisse im Zusammenhang mit dem Palast werden in Videoaufnahmen oder auf Plakaten und Fotografien gezeigt. Der zentralste Teil der Ausstellung aber ist eine Foto- und Audioinstallation, die Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen hören lässt, die mit dem Palast zu tun hatten; Mitarbeiter, Besucherinnen, Künstlerinnen und Kreative, auch ehemalige Vertragsarbeiter aus anderen Ländern kommen zu Wort.
Wer eine historisch-chronologische Ausstellung und Ostalgie erwartet, ist in einem DDR-Museum besser aufgehoben. Spielerisch gestaltete, partizipative und durchaus sinnliche Medienformate überwiegen in der Ausstellung im Humboldt-Forum – spannende Fragmente, die die Tiefe der Geschichte erahnen lassen und mehrere Perspektiven eröffnen. Hierfür ist das Projekt des Humboldt-Forums auch zu honorieren; die jahrelange Auseinandersetzung mit Expertinnen und Experten, Forschenden und vielen, vielen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, um möglichst viele Perspektiven auf den Palast einzubringen.
Und dennoch bleibt auch bei dieser Schau das ungute Gefühl, es handelt sich nur um einen Programmpunkt, ein Souvenir. Denn unter der preußisch-christlichen Kuppel eines Schlosses, das anstelle des Palastes gestellt wurde, dessen „Gegenwart“ aufleben zu lassen, kann nur wie ein Widerspruch in sich wirken. Wohl nur mit einer großen Geste, einer konsequenten und permanenten Umsetzung hätte etwas anderes gelingen können.
Was bleibt von der Auseinandersetzung mit der Palastgeschichte und der Erinnerungsarbeit? „Es ist jetzt unsere Aufgabe, uns zu überlegen, wie es mit den Netzwerken weitergeht“, so Anke Schnabel, eine der Kuratorinnen der Ausstellung. Wenn das Schloss länger steht als der Palast, ist dafür ja noch etwas Zeit.
Die Ausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ ist noch bis zum 14. Juli im Berliner Humboldt-Forum zu sehen.
„Baut den Palast wieder auf.“
Ausstellungsbesucher
Freie Presse