Vor Jahren habe ich mal beim Italiano eine Auszug einer Akte der Magdeburger Stasi reingesetzt. Hier ging es um den Fund einer toten Person in den Magdeburger Anlagen . Kam man aus dem Hauptbahnhof in Magdeburg am Haupteingang raus , so konnte man bis zum Hotel Maritim sehen . Der ganze heute bebaute Platz war von den Trümmern des Krieges gesäubert und mit Blumen , Sträuchern bepflanzt , mit Bänken versehen . Das waren die Anlagen von Magdeburg . Hier hatte sich folgendes Abgespielt .
https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.htmlWalter Otte
Für die Grenztruppen im Bereich Halberstadt war Walter Otte aus Bad Harzburg ein Ärgernis: Insgesamt zehn Mal wurde er im Grenzbereich festgenommen, selbst hohe Gefängnisstrafen in der DDR konnten ihn nicht einschüchtern. Der Grund aus dem der als harmlos bekannte Kohlenträger schließlich erschossen wurde, gab im Nachhinein Rätsel auf.
In Bad Harzburg bewohnte Walter Otte 1976 ein Zimmer in einer Unterkunft für Sozialhilfeempfänger. Beim örtlichen Kohlenhändler Trull führte er Aushilfsarbeiten durch. Wenn er erzählte, dass er „drüben” gewesen war, glaubten ihm dies nur wenige angesichts der hermetisch abgeriegelten Grenzanlagen. Der 40-Jährige galt als „Spinner”. Vermutlich las Otte die Zeitungsmeldungen im Mai 1976 nicht, die vom Tod Michael Gartenschlägers berichteten. Vielleicht konnte er sich auch gar nicht vorstellen, dass sich die Atmosphäre im Eckertal durch die Vorfälle verändern würde. Tatsächlich erwarteten die DDR-Staatssicherheit und die Grenztruppen dort „Anschläge” von Nachfolgern der „Gruppe Gartenschläger”. Erst wenige Wochen zuvor hatte jemand Lampen in den Grenzsicherungsanlagen durch Schüsse und Steinwürfe zerstört. Deshalb wurden als „Sondermaßnahme” neben den obligatorischen Grenzposten zusätzliche Grenzaufklärer (GAK) westlich der Grenzzäune eingesetzt, die Aktionen gegen die Grenzanlagen unterbinden sollten. Am 10. Juni 1976 lief Walter Otte gegen 23 Uhr den Bahndamm der ehemaligen Strecke Bad Harzburg – Ilsenburg entlang, um erneut in die DDR zu gelangen. Sein Geld hatte er in einer Kneipe vertrunken. Als er auf den ersten Grenzzaun stieß, rüttelte er an diesen und rief: „Hallo Freunde, hier bin ich … helft mir rüber!” Grenzposten meldeten das ihrem Zugführer, der zwei Grenzaufklärern über das Grenzmeldenetz befahl, sich vor die Grenzbefestigungen zu begeben und den „Provokateur” festzunehmen. Stabsfeldwebel Erwin G. und sein Posten Unterfeldwebel Peter D. näherten sich Otte von hinten. Was nun geschah, lässt sich nicht mehr eindeutig rekonstruieren. Nach Feststellung des Landgerichts Magdeburg aus dem Jahr 2000, sei Erwin G. über die Grenzverletzung so empört gewesen, dass er diese auf jeden Fall unter Einsatz seiner Schusswaffe beenden wollte und auf den am Grenzzaun stehenden ohne Vorwarnung geschossen habe. Der Schütze Erwin G. sagte hingegen aus, Walter Otte habe sich zu Boden geworfen und sei für ihn nicht mehr sichtbar gewesen, als er schoss. Die beiden von ihm abgegebenen Schüsse durchschlugen Walter Ottes Körper am rechten Arm und in der Bauchgegend. Die Grenzaufklärer fanden ihn am Bahndamm liegend. Zunächst klagte er noch über Schmerzen im Bauch, dann verlor er das Bewusstsein. Ein Bergetrupp der DDR-Grenztruppen transportierte ihn durch die Grenzanlagen zum Gebäude des Bataillonsstabes Ilsenburg. Der um 0.30 Uhr eingetroffene Arzt konnte nur noch Walter Ottes Tod feststellen.
Da Walter Otte als zweiter Bundesbürger nach Michael Gartenschläger innerhalb von sechs Wochen an der innerdeutschen Grenze erschossen wurde, rechnete die DDR-Seite mit einem negativen Medienecho, mit Protesterklärungen aus der Bundesrepublik und zwischenstaatlichen Spannungen. Deswegen versuchte der DDR-Staatssicherheitsdienst, das Geschehene zu vertuschen. Ottes Leichnam wurde zunächst in die vom MfS geführte Untersuchungshaftanstalt Magdeburg-Neustadt überführt. Von dort aus brachten ihn MfS-Mitarbeiter in die Magdeburger Glacis-Anlagen, legten neben ihn eine Pistole ab und fotografierten den Toten als vermeintlichen Selbstmörder. Über den Leichenfund wurde eine Meldung im Neuen Deutschland veröffentlicht. In der Nacht vom 11. zum 12. Juni brachte das MfS die Leiche schließlich ins Magdeburger Institut für Gerichtliche Medizin, wo sie als unbekannt aufgefundener Mann obduziert wurde. Danach erfolgte am 23. Juni 1976 im Krematorium des Westfriedhofes Magdeburg die Einäscherung der sterblichen Überreste Walter Ottes und am 6. Juli 1976 seine anonyme Beisetzung in einer Aschenreihenstelle.
Walter Ottes Verschwinden löste in Bad Harzburg keine polizeilichen Ermittlungen aus. Sein Arbeitgeber nahm an, dass er wieder einmal in der DDR in Haft sitzen würde. Von seinem Tod an der Grenze erfuhr man dort erst nach dem Ende der DDR. Der Spiegel berichtete 1991, dass Otte als „ehemaliger ‚Geheimer Informant‘ der Stasi-Hauptabteilung I in eine Falle gelaufen” sei: „die einstigen Auftraggeber hatten ihn offenbar liquidieren lassen”. Die Frage nach der Rolle des MfS bei der Tötung Ottes spielte auch in den von 1991 bis 1997 laufenden Ermittlungsverfahren gegen Erwin G. eine wichtige Rolle. Hatte G., der als erfahrener und zuverlässiger Grenzaufklärer bekannt war, den Auftrag erhalten, Otte zu erschießen? Die Überlieferungen des Staatssicherheitsdienstes enthalten weder einen Hinweis noch ein Motiv für einen solchen Auftrag. Mitarbeiter des MfS versicherten dem Todesschützen Erwin G., alle Spuren würden verwischt, damit der Todesfall nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden könne. Die Stasi warb Erwin G. nach der Tat als Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) an. In seiner MfS-Personalakte befinden sich Unterlagen über den Tod Walter Ottes, die man vermutlich aufbewahrte, um seine „Bindung an das MfS” auch für die Zukunft absichern zu können.
Das Landgericht Magdeburg sah es am 30. Juni 2000 als erwiesen an, dass Erwin G. trotz der erkennbaren Harmlosigkeit Ottes beim Gebrauch seiner Schusswaffe den Tod des Grenzgängers in Kauf nahm. Es verurteilte ihn wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe. Gegen dieses Urteil erhob der Angeklagte Einspruch. Mit seiner Entscheidung vom 17. Mai 2001, den Schuldspruch auf Totschlag abzuändern und die Sache zu neuer Verhandlung an das Landgericht Dessau zu weisen, vertrat der Bundesgerichtshof die Auffassung, Erwin G. könne nicht zur Last gelegt werden, sein Opfer heimtückisch getötet zu haben. Mit Blick auf die erhebliche Indoktrination und den besonderen Druck der Befehlslage sowie weiterer strafmildernder Aspekte reduzierte das Landgericht Dessau die Freiheitsstrafe auf drei Jahre. (Recherche: jk, jos., MP, MS, St.A.; Autor: jk) Beitrag musste gekürzt werden , war zu lang . ratata