Ein Bahnhof als Tummelplatz der SpioneGrenzpolizisten am Bahnhof KK.jpg
Wer heute auf dem Bahnhof Küstrin-Kietz, den letzten Haltepunkt auf der deutschen Seite, unmittelbar an der polnischen Grenze gelegen, ahnt zumeist nicht einmal, dass er sich auf einem der einst wichtigsten Grenzbahnhöfe an der Ostgrenze der ehemaligen DDR befindet. Noch weniger ahnt der Besucher, dass sich hier auf diesem Bahnhof einst verschiedene Geheimdienste tummelten. CIA, KGB, Organisation Gehlen und deren Nachfolger, der Bundesnachrichtendienst. Kurz BND. Und natürlich das Ministerium für Staatssicherheit.
Was haben denn die ganzen Dienste auf diesem popligen Bahnhof gesucht? Was gab es denn hier zu spionieren? Du willst uns doch hier nur die Taschen vollhauen, mein lieber Uwe!
Mitnichten! Um die Geschichte zu verstehen, muss man sie von Anfang an erzählen. Gut, ganz so weit möchte ich nun doch wieder nicht ausholen. Aber ein Rückblick in die unmittelbare Nachkriegszeit ist dennoch unumgänglich.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der Landschaft an der Oder nicht nur Leid und Tod, sondern auch jede Menge strukturelle Veränderungen gebracht. Die „Verschiebung“ der polnischen Westgrenze bis in die Mitte von Oder und Neiße, hatte nicht nur zwei in Jahrhunderten zusammengewachsene Regionen, die Kurmark und die Neumark, voneinander getrennt und vielen tausend Deutschen und Polen den Verlust der Heimat gebracht, sondern auch zu völlig anderen Neuheiten gesorgt. Zum Beispiel für eine bislang ungeahnte strategische Bedeutung des bislang eher relativ unbedeutenden früheren Stadtteils Küstrin-Kietz. Und dem sich dort befindlichen, nicht minder unbedeutenden Vorstadt-Bahnhof.
Nun war aus dem Stadtteil der nun mehr „geteilten“ Stadt Küstrin, die in alter Form nicht mehr existierte, ein formal eigenständiger Grenzort geworden. Und aus dem unbedeutenden Vorstadt-Bahnhof ein Grenzbahnhof. Gelegen an einer Strecke, die Berlin mit Königsberg im fernen Ostpreußen befand. Das Gebiet um Königsberg gehörte seit 1945, als Exklave, zur Sowjetunion. Und die Gegend zwischen Oder und Elbe zum „Sowjetischen Sektor“, der späteren Deutschen Demokratischen Republik. Die sowjetische Führung konnte über diese Bahnlinie, via Polen, fortan Güter -und Militärtransporte von einem Teil ihres neuen Herrschaftsgebiets in den anderen rollen lassen. Der Bahnhof Küstrin-Kietz, obwohl wie der gesamte Ort in Trümmern liegend, entwickelte sich rasch zu einem wichtigen Umschlagplatz für den besagten grenzüberschreitenden Güter -und Militärverkehr. Wozu in den ersten Jahren auch Transporte mit so genannten Reparationsgütern gehörten.
Die einstige Harmonie der Siegermächte, falls es sie in der Realität, außerhalb der großen Politik, je gegeben hat, hielt jedoch nicht lange an. Bald entwickelte sich in Europa ein so genannter „Kalter Krieg“, der durchaus verdammt „heiß werden konnte.“ Damit schlug die Stunde der Geheimdienste. Ihnen fiel die Aufgabe zu, möglichst viele Informationen über die Aktivitäten des jeweiligen Gegners einzuholen. Um dessen Absichten zu erraten und im Fall eines Falles, verhindern oder bekämpfen zu können.
Zu den Schwerpunkten der vor allem in den Westsektoren Berlins bzw. Westberlin residierten westlichen Geheimdiensten, darunter die US-amerikanische Central Intelligence Agency, besser bekannt unter dem Kürzel CIA. Zu den besonderen Interessengebieten dieses berühmten, aus diversen Spielfilmen und Romanen – vermeintlich – bekannten Geheimdienstes, gehörte auch die besagte Bahnlinie zwischen Berlin und Küstrin-Kietz. Und auch darüber hinaus bis an ihren Endpunkt im sowjetischen Kaliningrad, wie Königsberg seit 1945 offiziell hieß. Um an die hochwichtigen Informationen zu gelangen, benötigte die CIA, wie andere Geheimdienste beiderseits der „Frontlinie des Kalten Krieges“ auch, Helfer. Die für ihre Auftraggeber vor Ort Augen und Ohren offenhielten. Und -was diesen Leuten zumeist verschwiegen wurde – für diese im Fall einer Entdeckung den Kopf hinhalten mussten. Nicht selten im wahrsten Sinn des Wortes.
Ihre Tätigkeit hatte nichts mit dem Actionbeladenen Abenteuerleben eines James Bond zu tun. Im Osten wie im Westen! Sie waren im Prinzip „austauschbare Werkzeuge“, deren Verlust zwar bedauert aber zumeist kommentarlos hingenommen wurde. Das mussten unter anderem sieben Eisenbahner vom Bahnhof Küstrin-Kietz erfahren, die dort jahrelang die CIA mit detaillierten Informationen versorgten. Diese Informationen beinhalteten nicht nur Meldungen über Transporte. Sondern auch sämtliche Veränderungen rund um den Bahnhof. Der ab 1951 sukzessive eine erhebliche Erweiterung der Gleisanlagen, der technischen Anlagen und der Gebäude erfuhr. Jede diesbezügliche Aktivität, inklusive aussagefähiger Skizzen oder Kopien von Originalunterlagen, landeten wenig später in der Zentrale der CIA in Langley, unweit von Washington.
Hätte Erich Mielke einen Blick in die im Jahr 2017 für die Öffentlichkeit freigegebenen, in der Zeit des „Kalten Krieges“ angelegten Dokumente werfen können, wäre er wohl über den Wissensstand der Amerikaner über verschiedene Objekte in der DDR, wie eben auch den Grenzbahnhof Küstrin-Kietz (ab 1954 nur noch Kietz), mehr als zornig geworden. Die Dokumente stellen aber auch, vor allem für einen lokalen Hobbyhistoriker wie mich, einen unschätzbaren Wert dar. Kaum jemand weiß beispielsweise heute noch, wann das Empfangsgebäude des Bahnhofs wiederaufgebaut und eingeweiht wurde. Wenn, ja wenn die sieben später verhafteten und zu hohen Zuchthausstrafen verurteilten Eisenbahner, nicht so fleißig Nachrichten für die CIA gesammelt hätten.
Wie diese Information über den geplanten Beginn der Arbeiten zur Erweiterung des Bahnhofs:
Am 6. Dezember 1950 erschien eine Kommission, bestehend aus sowjetischen Soldaten (und einem polnischen Zivilisten aus Warschau, auf dem Bahnhof Küstrin-Kietz.
Dem deutschen Bahnhofsvorsteher wurde mitgeteilt, dass der Bau der neuen Gleisanschlüsse in Küstrin-Kietz geplant sei. Nach dem Inspizieren versammelte einer der sowjetischen Offiziere das deutsche Stationspersonal und notierte die Namen aller Mitarbeiter mit familiären Beziehungen zur Bundesrepublik oder andere westliche Länder. Am nächsten Tag begann die Arbeit unter der Aufsicht des polnischen Zivilisten. Eigentlich war geplant, die neuen Gleise am Bahnhof Küstrin-Kietz zu bauen, den Bahnhof Küstrin-Altstadt zu reaktivieren und die Oderbrücke um 2 Meter zu erhöhen.
Das im Frühjahr 1945 vollständig zerstörte Installationsgebäude des Bahnhofs Küstrin-Kietz wurde auf Kosten von 150000 Ostmark rekonstruiert. Das Gebäude wurde am 28. Dezember 1950 in Betrieb genommen. Die deutschen Zollbeamten bewohnen ein Haus, das vom Bahnhofs- Gebäude abgetrennt ist.
Die Vermessung für den Umbau des Bahnhofs zum Grenzübergang wurde von Mitarbeitern aus Frankfurt (Oder), des Eisenbahnamts und der Berliner Eisenbahnzentrale durchgeführt. Nach Angaben des Stationsmeisters wären umfangreiche Aushubarbeiten für den Bau neuer Gleise erforderlich. Die Kosten des Projekts sollen sich auf 2000000 Ostmark belaufen. Anfang Februar 1951 wurden die im Zusammenhang mit dem Projekt abzutragenden Gebäude von Vertretern der Eisenbahnverwaltung inspiziert.
Die Arbeiten an dem Projekt sollen am 1. März 1951 mit zunächst 500 bis 700 Mitarbeitern beginnen, die später auf 2000 erhöht werden sollen. Es wurden keine Vorbereitungen für die Ausführung der Arbeiten getroffen.
Am 9. und 13. Februar 1951 wurde bekannt, dass für den Bahnhof Küstrin-Kietz der Bau umfangreicher neuer Gleise geplant ist. Der Bau soll 1951 abgeschlossen sein.
Wird fortgesetztUwe
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