augenzeuge hat geschrieben:Wenn es einen Gehlen gab, teilweise auch andere im BND, eher unbekannte Menschen mit einer politischen Vergangenheit im Dritten Reich, warum sollte man bei der Tochter Himmlers, die 1945 16 Jahre war, plötzlich noch höhere Hürden aufbauen?
Am BND haftete das Image als Hort der Alt-Nazis, und über Jahrzehnte sollte dieses Bild eher schlimmer als besser werden und zu einem gestörten Verhältnis der deutschen Öffentlichkeit, aber auch der Bundesregierung zu ihren Nachrichtendiensten beitragen.
Ein Beispiel ist der Doppelagent Heinz Felfe. Der Leiter der Gegenspionage des BND hatte seit den 1950er-Jahren für den sowjetischen KGB spioniert und viele BND-Operationen ins Leere laufen lassen, nachdem er mit seiner Zugehörigkeit zur SS, die er bei seiner Einstellung verschwiegen hatte, erpresst worden war. Dieser erste große Spionageskandal in Westdeutschland wurde zu einer öffentlichen Schlammschlacht.
Erst etwa 70 Jahre nach der Gründung von BND und Verfassungsschutz war es möglich, diesem diffusen Image auf den Grund zu gehen. Auf der Suche nach Alt-Nazis sezierten von der Bundesregierung eingesetzte Historiker-Kommissionen sämtliche Bundesbehörden, auch die Nachrichtendienste.
Die Ergebnisse zeigen ein komplexes Bild. Quantitativ waren sowohl Verfassungsschutz als auch der BND weniger belastet als das Bundeskriminalamt oder das Justizministerium. Im BND zum Beispiel hatten in den 1950er-Jahren knapp über die Hälfte der Mitarbeiter eine NS-Vergangenheit, in den 1960er-Jahren noch etwa ein Drittel. Die meisten davon kamen aus der Waffen-SS, in höhere Positionen schafften es jedoch nur ehemalige Mitarbeiter des Wehrmachts-Nachrichtendienstes >> Amt Abwehr<<.
Auf über 90 Prozent in den 1950er- und über 50 Prozent in den 1960er-Jahren stiegen die Zahle jedoch, wenn die Zugehörigkeit zur Wehrmacht mit eingeschlossen wird (was damals nicht als "Belastung" angesehen wurde, solange keine direkte Beteiligung an Kriegsverbrechen nachzuweisen war).
Die Nachrichtendienste hatten ihre Bewerber auf ihre Tätigkeit während der NS-Zeit überprüft, dabei jedoch oftmals nur lasche Maßstäbe angelegt. Gerade in der frühen Nachkriegszeit wurden Bestimmungen häufig umgangen, indem "alte Kameraden" auf inoffiziellem Weg als freie Mitarbeiter beschäftigt wurden.
Der ehemalige Wehrmachtsoffizier und spätere BND-Chef Gehlen rekrutierte seine Mitarbeiter mit Vorliebe aus seiner Meinung nach "unbelasteten" Wehrmachtskreisen.
In ihrer Arbeit selbst waren die "Organisation Gehlen" und der daraus entstandene BND bis in die 1960er- Jahre ungleich stärker von NS-Denken geprägt als das Bundesamt für Verfassungsschutz. Bei den Kölner Verfassungsschützern war die NS-Vergangenheit in der Gesamtheit nicht bedeutsam in Bezug auf operative Arbeit und Ausrichtung. Der BND hingegen jagte Fantasien einer kommunistischen Unterwanderung hinterher und spionierte im Inland "unzuverlässige" Politiker, Beamte und Intellektuelle aus.