Bei Gewitter detonierten Minen im TodesstreifenVon Sven Felix Kellerhoff | Stand: 03.10.2015
Neue Aktenfunde aus dem Bundesarchiv zeigen: Die Erprobung der "Selbstschussanlagen" war schwieriger, als die DDR-Führung gehofft hatte.Praxis schlägt alle Theorie. Diesem Prinzip folgten auch die ostdeutschen Grenztruppen. Um auszuprobieren, ob die neu entwickelte Splittermine SM-70 tatsächlich die innerdeutsche Grenze unüberwindlich machen könne, wurden im Winter 1971/72 an einem fünf und einem zehn Kilometer langen Abschnitt des Todesstreifens zwischen DDR und Bundesrepublik Probeanlagen montiert.
Zwar hatte der oberste Soldat der SED-Diktatur, Verteidigungsminister und Armeegeneral Heinz Hoffmann, die Fertigstellung der Testinstallation schon zum 1. Januar 1971 befohlen. Doch der zuständige „Chef Pionierwesen“, Oberst Worbs, musste einräumen: „Aufgrund von nicht rechtzeitig zugeführten Materials sowie der extremen Wetterbedingungen im Winterhalbjahr konnten die vorgegebenen Termine der Fertigstellung und Erprobung nicht eingehalten werden.“ Erst Mitte April 1971 wurde der erste „Ausbauabschnitt“ an die Grenztruppen übergeben, sechs Wochen später der zweite, benachbarte Teil.
Die beiden Varianten unterschieden sich deutlich: Auf fünf Kilometern zwischen den Kleinstädten Salzwedel im DDR-Bezirk Magdeburg und Lüchow in Niedersachsen waren am letzten Zaun des Todesstreifens, dem aus Streckmetallplatten bestehenden „vorderen Sperrelement feindwärts“, in drei vertikalen Linien die unscheinbaren Trichter der Splitterminen angebracht. Wer die Auslösedrähte, die bis zur nächsten Minengruppen reichten, berührte, zündete damit in einer oder mehrerer der Minen jeweils rund hundert Gramm hochexplosiven Sprengstoff, der 90 scharfkantige Stahlsplitter aus den Trichtern schießen ließ.
Die zweite Variante, auf einer Länge von zehn Kilometer etwas weiter östlich am Arendsee installiert, kombinierte die neuen Splitterminen mit konventionellen Erdminen und war in zwei Reihen am Zaun des dort verlegten Minenfeldes angebracht. Die Funktionsweise aber war gleich, ebenso die Steuerung: In der Mitte jedes fünf Kilometer breiten Grenzabschnittes lag eine „Zentrale“, von der aus die Splitterminen mit Spannung versorgt wurden und wo die Auslösung elektrisch angezeigt wurde.
Mit den Ergebnissen des Testbetriebs waren die Grenztruppen zufrieden: „Die Wirksamkeit der Minen wurde bei 22 Minendetonationen, ausgelöst durch Wild, nachgewiesen. Wildschweine, Rehe und Flugwild wurden überwiegend (72 Prozent) tödlich getroffen.“
In Details allerdings sahen die Grenztruppen-Pioniere Verbesserungsbedarf. So erwies sich die Flugrichtung der Splitter durch die Metalltrichter als nicht ausreichend begrenzt: „Aufprallstellen am Streckmetall sowie an den Metallteilen der Sperren lassen die Schlussfolgerung zu, dass Splitter aus der Detonationsachse abgelenkt werden.“ Genau das aber hatte bei der neuen Splittermine eigentlich nicht geschehen sollen.Weiter mit dem längeren Bericht geht es hier:
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