Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Hier bitte ausschließlich Themen die sich mit der Berliner Mauer beschäftigen.

Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Icke46 » 6. August 2011, 09:49

Hallo,

an sich ist das ein in sich stimmiger Beitrag der Morgenpost. Er war für mich auch deshalb interessant, weil ich einen Teil meiner Kindheit in West-Berlin im Bereich Brunnenstraße - Bernauer Straße verbracht habe, so dass ich die bizarre Situation noch ein klein wenig in Erinnerung habe.

Einziger Kritikpunkt - was auch wieder darauf hinweist, dass die Artikel scheinbar nicht gegengelesen werden: Die Grossmutter der Frau Behrend war 1961 schon 68 Jahre alt und ist 1983 mit 96 Jahren verstorben - kann sich der Springer-Verlag keine Taschenrechner mehr leisten?

Gruss

icke
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 7. August 2011, 11:49

Zigaretten gegen Schokolade

Elf Kilometer. Eine Strecke, die sich hinziehen kann, wenn man erst acht Jahre alt und mit einem zu großen Fahrrad unterwegs ist. Hans-Joachim Weß, genannt Hansi, muss sich gewaltig strecken, um die Pedale zu erreichen. Von der Großmutter in der Gropiusstraße in Wedding bis zum Vater in Prenzlauer Berg ist er gut 40 Minuten unterwegs.

Die Eltern sind geschieden, die Mutter lebt mit neuem Mann im Westen, zu ihr hat der Junge kaum Kontakt. Er wohnt bei der Oma. "Ab 1957 besuchte ich an den Wochenenden regelmäßig meinen Vater. Mein Weg zur Stahlheimer Straße führte mich immer über die Bornholmer Brücke", erzählt Hans-Joachim Weß. Er erinnert sich genau an das befreiende Gefühl, wenn er abends Richtung Wedding zurückfuhr und in der Ferne die glitzernden Lichter des Westteils sehen konnte. "Im Osten war es duster und beklemmend."

50 Jahre später steht der 61-Jährige am S-Bahn-Eingang auf der Mitte der Brücke. "An dieser Stelle waren die Grenzkontrollen - und hier war auch der Schauplatz meiner Schmugglerzeit." Doch zunächst denkt er an den ersten Morgen des Mauerbaus zurück. Im Radio hört der mittlerweile Elfjährige von den Vorgängen an der Grenze. "Aber meine Oma sagte, fahre mal los, du willst doch zu deinem Vater. Sie glaubte, dass an diesem Sonntag nur strenger kontrolliert werden würde." Doch die Posten stehen schon auf der Brücke. Grenzsoldaten, die meisten aus Sachsen. Weß steigt vom Rad. "Was ist los? Ich will zu meinem Papa." Darauf antwortet einer der Volksarmisten: "Nee, Junge, du kannst jetzt niemand mehr besuchen."

Also zurück zur Oma. Die bittet ihn, gleich zur Bernauer Straße zu fahren. Ihr zweiter Enkel, genauso alt wie Hansi und Scheidungskind wie er, wohnt dort mit seinen anderen Großeltern. Die Grenze verläuft auf östlicher Seite entlang der Häuserfront - treten die Bewohner vor die Haustür, sind sie im Wedding. Doch jetzt ist der Zugang zu den Häusern versperrt. Wieder zu Hause, schildert der Enkel seiner Oma atemlos die Situation. In den folgenden Wochen fährt der Junge nach der Schule fast täglich zur Bernauer Straße. Er begreift nicht, was geschieht. Aber er will sehen, wie die Mauer wächst.

Ein Bild, das um die Welt gehen sollte, brennt sich ihm ein: Am 24. September beobachtet er, wie eine weißhaarige ältere Frau im ersten Stock der Bernauer Straße 34 auf dem Sims steht und sich ängstlich am Fenster festhält. Oben zerren Vopos an ihr, unten stehen Feuerwehrleute mit Sprungtüchern. Sie fällt, wird aufgefangen - und stirbt kurz darauf. Ihr Herz hat die Aufregung nicht verkraftet. Schon am frühen Morgen sind Hunderte Angehörige der Volkspolizei und der Betriebskampfgruppen in die Häuser eingedrungen, um bis zum Nachmittag 2000 Menschen umzusiedeln. "Darunter wohl auch meinen Cousin. Ich habe ihn nie wieder gesehen."

Auch Weß Vater ist hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden. "Aber das hat mir wenig ausgemacht. Unser Verhältnis war unterkühlt, ich bekam bei ihm ständig Rotlichtbestrahlung. Er war überzeugter Genosse." Was dem Jungen mehr zu schaffen macht, ist das Ende seiner Schmugglerlaufbahn. Sie beginnt im Alter von acht Jahren. Er ist auf dem Weg nach Prenzlauer Berg, als er auf der Brücke von zwei Vopos angehalten wird. Sein Rücklicht sei kaputt. "Wir müssen dich zurückschicken!" Weß erwidert kess: "Ich kann ja schieben." Der verblüffte Vopo hat eine Idee: "Hol uns doch mal da drüben am Kiosk 'ne Schachtel Stuyvesant." Er zeigt zum westlichen Brückenanfang. "Dann drücken wir ein Auge zu." Darauf entgegnet der Steppke: "Gut. Dann gibt es für mich aber Schokolade!" Der Grenzposten sieht seinen Kollegen an, beide nicken. "Da hast du Geld. Aber wenn hier nachher ein Offizier mit Silberlitzen steht, fahr einfach durch, dann gibst du uns die Zigaretten das nächste Mal."

Aus der spontanen Idee wurde ein Geschäft. Bald ist der junge Mann auch bei den anderen Volkspolizisten bekannt. Er beliefert sogar die Posten auf der zwei Kilometer entfernten Behmbrücke. Die bevorzugen HB. "Der Handel florierte. Eine Tafel Cadbury Schokolade für 60 Pfennig pro Tour. Das war meine Bedingung." Mit dem Mauerbau endet auch der Schmuggel. Nach dem Mauerfall kehrt Weß zur Bernauer Straße zurück: "Ich stand wieder da, wo ich mit elf Jahren den Bau beobachtet hatte." Nun sieht Weß, wie die Mauer von Baukränen abgetragen wird. Wieder ist er fassungslos - aber glücklich.
http://www.morgenpost.de/printarchiv/be ... olade.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 7. August 2011, 12:32

Die letzen Tage davor.....

Arbeitspendler, Flüchtlinge, kalter Krieg. Wie war die Situation in der Stadt unmittelbar vor dem Mauerbau?

Vor dem 13. August 1961, dem Tag des Mauerbaus, war Berlin alles andere als eine normale Stadt. Aber zwischen den beiden Teilen, dem Westen mit dem amerikanischen, britischen und französischen Sektor auf der einen und dem sowjetischen Sektor auf der anderen Seite, gab es vielfältige Beziehungen. Ein auswärtiger Besucher der Stadt, der nicht gewusst hätte, dass mitten durch Berlin die Grenze zwischen den Einflusszonen der beiden Supermächte USA und UdSSR verläuft, wäre allenfalls irritiert gewesen, dass es offensichtlich zwei verschiedene Zahlungsmittel gab. Ansonsten aber hätte er das völlig normale Gewusel einer großen Stadt erlebt.

U-Bahnen und S-Bahnen, die Hauptverkehrsadern zwischen Ost und West, funktionierten. Viele Ost-Berliner arbeiteten in westlichen Betrieben, deutlich weniger West-Berliner waren im Ostteil der Stadt tätig. 50 000 Frauen und Männer aus dem Ostteil waren in West-Berliner Industriebetrieben beschäftigt. Von ganz besonderer Bedeutung waren die vielen Ostberliner Studenten der Freien Universität, jener Universität, die ja erst aus dem Geist des Widerstandes gegen die marxistische Indoktrination entstanden war. Mit dem Stichtag 13. August 1961 wurden 400 junge Frauen und Männer über Nacht von ihrem Studienplatz abgeschnitten. Die 14 000 berufstätigen West-Berliner, die täglich zur Arbeit Richtung Osten fuhren, waren vorwiegend bei der Bahn, der Post, bei Theater und Film tätig.

Aber die meisten Berliner ahnten, dass das Leben in der Stadt und die Durchgängigkeit von einem Teil in den anderen immer mehr einem Tanz auf dem Vulkan glich. Die oft nur kleinen Texte auf den lokalen Seiten des Tagesspiegels und die großen Aufmacher auf der Titelseite zeigen die zwiespältige Situation. Berlin war mit Beginn des kalten Krieges zum weltpolitischen Konfliktpunkt geworden. Nicht in Korea, in Berlin wird es, wenn überhaupt, zur Konfrontation der Supermächte kommen. Alle wissen – und verdrängen das.

Chruschtschows Berlin-Ultimatum vom 27. November 1958 hatte West- Berlin in eine Dauerkrise gestürzt, obwohl die Berliner und die bundesdeutsche Politik, auch die Haltung und die Äußerungen der westlichen Alliierten, das Gegenteil zu signalisieren suchten. Chruschtschow hatte den USA, Frankreich und Großbritannien vorgeworfen, sie hätten das Viermächteabkommen verletzt und sie aufgefordert, innerhalb von sechs Monaten die „Besatzung“ West-Berlins zu beenden. Die Stadt solle entmilitarisiert und zu einer „Selbständigen Politischen Einheit“ ohne Anbindung an die Bundesrepublik werden. Die UdSSR drohte, mit der DDR einen Separatfriedensvertrag abzuschließen und ihr die Kontrolle über die Verbindungen zwischen der Bundesrepublik und West- Berlin zu übertragen. Von einem Flughafen unter DDR-Hoheit ist in der russischen Propaganda die Rede. Jeder in West-Berlin wusste, was das bedeutet: Man saß, im übertragenen Sinne, auf gepackten Koffern. Vor allem die Amerikaner würden West-Berlin nicht einfach den Russen überlassen, dessen war man gewiss. Aber ob sie die Freiheit der Stadt um jeden Preis bewahren würden, da konnte man sich nicht so sicher sein, der Zweifel war wohl in allen Familien ein Thema.

Das Ultimatum wird zwar im Mai 1959 ohne einen erkennbaren Wandel der Rechtsgrundlagen und der Fakten um Berlin auslaufen, aber es hat Langzeitwirkung. Chruschtschows Ziel ist es, die Westmächte durch dauernde Nadelstiche aus West-Berlin zu vertreiben, sie zu dem Eingeständnis zu bringen, dass sie wegen des Westteils der ehemaligen Hauptstadt keinen Weltkrieg riskieren wollen. Bei den Engländern fand Chruschtschows Idee von der selbstständigen politischen Einheit West-Berlin damals die größten Sympathien. In deren diplomatischem Corps verglich man die Situation auf der nach Unabhängigkeit strebenden Insel Zypern mit West-Berlin und befand, beide hätten ja ungefähr 2,5 Millionen Einwohner, da könne man doch überlegen… Es ist die Phase, in der auch die abstruse Idee zirkuliert, durch einen umfassenden Geländetausch West-Berlin Richtung Lüneburger Heide zu transferieren, wo die Berliner ohnedies gerne Urlaub machen.

Die West-Berliner sind sich des Prekären ihrer Situation durchaus bewusst. Im Tagesspiegel-Immobilienteil künden die vielen Eigentums- und Mietwohnungsangebote aus Bayern, dem Allgäu und der Lüneburger Heide von der tief sitzenden Sorge, ob man sich nicht doch besser rechtzeitig um ein bundesdeutsches Domizil kümmern solle, für den Fall neuer sowjetischer Sanktionen gegen die Stadt. Zwar boomt die Wirtschaft im Westteil, der IHK-Präsident kann am 2. Juli 1961 stolz die um 15 Prozent gestiegene Industrieproduktion erwähnen und dass es seit der Chruschtschow-Note vom November 1958 45 000 neue Arbeitsplätze und 50 000 neue Wohnungen gegeben habe. Aber das Unbehagen bleibt, und aus damaliger Sicht mag die Feststellung zynisch klingen, dass erst mit dem Bau der Mauer und den nachfolgenden deutsch-deutschen Abmachungen West-Berlin eine sichere Stadt geworden ist.

Während Nikita Chruschtschow 1958 von der Überlegenheit des Sozialismus fest überzeugt ist, verharrt Walter Ulbricht noch tief im stalinistischen Denken. Immer wieder versucht der KPdSU-Führer, den SED-Chef zu Reformen zu drängen. Dem Westen das Unsinnige eines weiteren Verbleibens in West-Berlin deutlich zu machen, das kann aus nachvollziehbarer russischer Sicht nur gelingen, wenn das Leben in der DDR attraktiver und damit die seit 1945 anhaltende Abwanderung aus der sowjetischen Besatzungszone beendet wird. Aber Ulbricht verweigert jede Lockerung. Freie Wahlen sind für ihn undenkbar. Mit der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft geht er den Weg in die Repression weiter, statt der von der SED versprochenen deutlichen Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln tritt das Gegenteil ein. Dass Chruschtschow den SED-Chef, trotz der in der DDR stationierten 380 000 sowjetischen Soldaten, nicht zu einer Verhaltensänderung zwingt, sondern ihn gewähren lässt, hängt vor allem mit Ulbrichts Zuverlässigkeit zusammen. Im Juni 1953 mussten russische Panzer noch bei der Niederschlagung des Volksaufstandes helfen. 1956 griff die ungarische Revolution nicht auf die DDR über. Der Kreml rechnet dies dem SED-Chef als bleibendes Verdienst an.

Dass aber tatsächlich die Macht der kommunistischen Partei in der DDR erodiert, belegen die Flüchtlingszahlen. Seit 1945 haben drei Millionen Menschen das Gebiet der DDR, also die sowjetische Besatzungszone, verlassen. Seit Gründung der DDR 1949 bis 1959 waren es zwei Millionen. Jeder zweite Flüchtling ist jünger als 25 Jahre. In den ersten sechs Monaten 1961 verließen 388 Ärzte und 843 Lehrer das Land, im Studienjahr zuvor kamen 1648 Studenten und 725 Hochschulwissenschaftler in das West-Berliner Notaufnahmelager Marienfelde. Und mit der immer schwieriger werdenden Versorgungslage schwillt die Fluchtbewegung an, die sich ja nur über West-Berlin entladen kann, denn die Grenzen zwischen der DDR und der Bundesrepublik sind längst gesichert. Auch die 50 000 Ostberliner Grenzgänger geraten zunehmend unter den Druck der kommunistischen Partei. Sie werden gedrängt, Arbeit im Osten anzunehmen. Weigern sie sich, werden sie aus Neubauwohnungen zwangsexmittiert, ihre Kinder müssen sich von linientreuen Lehrern in der Schule anhören, ihre Väter seien keine Aktivisten, sondern Schmarotzer, die von den Errungenschaften des Sozialismus profitierten, aber nichts für ihn täten.

Im Juli 1961 kommen täglich 1000 Flüchtlinge in West-Berlin an, am 8. August sind es 1700, am 9. August 1926, am 10. August 1709, am 11. August 1532, am 12. August schließlich 2400 Menschen. Am 8. August macht der Tagesspiegel seine Seite eins mit den Fluchtzahlen auf. Die Unterzeile lautet: Furcht vor Absperrung der Fluchtwege nimmt zu. Es ist auch der Tagesspiegel, der am 27. Juli eine Rede von John F. Kennedy zur Lage Berlins auf fast 400 Druckzeilen dokumentiert und den amerikanischen Präsidenten mit dem Satz zitiert: „Berlin (gemeint ist West-Berlin) ist so sicher wie wir alle – denn wir können seine Sicherheit nicht von unserer eigenen trennen“.

Aber dass Kennedy bei der Aufzählung der „essentials“ des ungehinderten Zugangs von und nach West-Berlin sowie zur Lage in Gesamtberlin eines nicht mehr erwähnt, fällt damals niemandem auf – der Präsident nennt in seiner Rede nicht mehr die Bewegungsfreiheit in der ganzen Stadt als ein zu garantierendes Recht.

Heute wissen wir, dass unter dem Druck der Zahlen die sowjetische Spitze am 20. Juli 1961 schließlich dem Drängen Ulbrichts nachgab und dem Bau der Mauer zustimmte. Die sich selbst entschuldigende Lesart der überlebenden DDR-Granden, man sei an der Mauer nicht schuld, die Russen seien es gewesen, haben Historiker wie Hope Harrison, Gerhard Wettig und Manfred Wilke als eindeutig falsch nachgewiesen. Chruschtschow sagte Ja, aber der Fordernde war Ulbricht. Auch das Zögern des Kreml kann die Geschichtsforschung erklären. Die russische Lesart von der angeblichen Überlegenheit des Sozialismus über das kapitalistische System erwies sich in dem Moment als Chimäre, in dem die Mauer gebaut wurde. Die Fluchtbewegung als Erklärung für den nur zögernden Wirtschaftsaufbau war damit weg gefallen. Die Lage wurde zwar besser, von Normalität oder gar von westlichen Standards war die DDR jedoch bis zu ihrem Ende weit entfernt. Noch in den siebziger und achtziger Jahren brachten westdeutsche Gäste zu Familienfeiern in der DDR dringend benötigte Waschbecken oder Kloschüsseln als Gastgeschenke mit.

Dass die SED ihre Mauer nicht als „antifaschistischen Schutzwall“ verkaufen konnte, zeigte sich in den Tagen nach dem Beginn der Absperrung, als westliche Grenzgänger immer noch unbehelligt in den Ostteil der Stadt konnten. Auf den offensichtlichen Widerspruch hingewiesen – wieso durften die denn einreisen, gegen die angeblich die Mauer gebaut worden war? – sperrte die DDR- Führung dann die 14 000 Grenzgänger aus.

Für die West-Berliner Industrie hatte die Abschnürung weitreichende Folgen. Bei Siemens kamen 4000 Beschäftigte am Montag nach dem Mauerbau nicht mehr zur Arbeit. [shocked] Der damalige Siemens-Chef, der heute 80-jährige Joachim Putzmann, musste sich im Ausland nach den nötigen Arbeitskräften umschauen – der Beginn der Anwerbung türkischer Arbeitnehmer hängt ganz unmittelbar mit dem Mauerbau zusammen.
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/die- ... 72272.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 8. August 2011, 16:58

9. August 1961
Grenzgänger sollen fortan diverse Gebühren in Westgeld zahlen

Der Ost-Berliner Magistrat gibt Einzelheiten zu den „öffentlichen Gebühren“ bekannt, welche die in West-Berlin arbeitenden Grenzgänger ab 1. August neben Miete, Strom, Wasser und Gas in Westgeld zahlen müssen. Es sind die Gebühren für Müllabfuhr und Straßenreinigung, Telefon, Rundfunk und Fernsehen sowie alle „sonstigen" Gebühren, ferner die Kfz- und Hundesteuer.

Die Beträge sind in West-Mark bei der Bank oder Post einzuzahlen. Die Registrierpflicht für Grenzgänger wird auf Personen vom 14. Lebensjahr an ausgedehnt, die in West-Berlin zur Schule gehen oder studieren.


Im Ost-Fernsehen wird am Abend erstmals die Möglichkeit angedeutet, die Wege nach West-Berlin „administrativ" zu verlegen.

Ein Pfarrer bedauert, dass es „noch so viele Türen nach draußen“ gibt. Es sei „nötig, die vielen offenen Türen endlich zuzumachen“. Am Vortag haben Vopos an der Kontrollstelle Schönefeld 116 DDR-Bürger an der Weiterreise nach Berlin gehindert. In der Ost-Presse ist über Kontrollen an der Stadtgrenze nie etwas zu lesen. (Eig. Anmerkung: Diese Kontrollstelle war bekannt, deshalb flogen manche von Erfurt oder Leipzig nach Schönefeld, da sie vom Flughafen einfach mit der S-Bahn nach Berlin-West kamen)

Das Bezirksgericht Potsdam verurteilt einen West-Berliner wegen „Abwerbung“ zu vier Jahren Gefängnis. Der mitangeklagte Ost-Berliner, den er „zur Wirtschaftsspionage und illegalen Einfuhr von Zahlungsmitteln missbraucht“ habe, erhält vier Jahre und drei Monate Gefängnis. Nach West-Informationen wurde der West-Berliner vor dem Haus der Ost-Berliner Handelsgesellschaft Deutscher Innen- und Außenhandel (DIA) festgenommen, zu der er Kontakte hatte. Die Ost-Presse berichtet, er habe als Vertreter einer westdeutschen Firma während der Leipziger Messe „mehrfach führende Wirtschaftsfunktionäre zu Gelagen“ eingeladen. Neun von ihnen hätten die DDR verlassen.

Nach einer Übersicht des Informationsbüros West haben Ost-Gerichte seit Ende Juli 26 DDR-Bürger und zwei Bundesbürger wegen „Abwerbung“ und „organisierter Kopfjägerei“ verurteilt. Die Freiheitsstrafen würden sich auf insgesamt 30 Jahre Gefängnis und 69 Jahre Zuchthaus belaufen.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/9-aug ... 77098.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 8. August 2011, 17:02

Hildegard Köppel lernte auf einer Schule in West-Berlin – allein dafür bestrafte die Stasi sie hart.

Die junge Frau presst die Hände auf die Knie. Ihre Vernehmer sollen nicht merken, wie sehr sie zittert. Die 17 Jahre alte Hildegard Köppel hockt im Kellergewölbe der DDR-Polizei auf einem Holzstuhl, die Knie unter einem schäbigen Tisch verborgen. Gegenüber sitzen zwei Mitarbeiter der Staatssicherheit. Dunkle Lodenmäntel, smarte Gesichter, harte Gesprächsführung. Sie wollen der Schülerin Republikflucht nachweisen und bieten ihr einen Handel an: Wenn sie einen Mitschüler ausspioniert, lassen sie sie in Ruhe.

Wenn Hildegard Köppel heute, fast 50 Jahre später, davon erzählt, spannt sich ihr Körper. 67 Jahre ist sie inzwischen alt, aber klein und zierlich geblieben. Doch der Eindruck täuscht. „Wat? Der? Nee!“, sagt Hildegard Köppel im breiten Berliner Dialekt. „Mit dem gehe ich nicht aus. Den kann ich meinen Freunden doch gar nicht vorzeigen.“ Bei der Erinnerung an das Verhör durch die Stasi grinst Köppel listig. Denn mit dieser Antwort hat sie den Anwerbeversuch des Geheimdienstes pariert. Das junge Mädchen soll mit dem Mitschüler ins Kino gehen, ihn bezirzen – dann, verspricht die Stasi, werde der Vorwurf gegen sie fallen gelassen. Doch so viel Schnodderigkeit beeindruckt die Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Zumindest kurzzeitig.

Vor dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 ist Hildegard Köppel eine Grenzgängerin. Ihre gläubige Mutter schickt sie auf die Liebfrauenschule in Charlottenburg, eine katholische Schule in West-Berlin. Mit der U-Bahn fährt sie von Ost nach West – und kommt regelmäßig zu spät zum Unterricht. „Ich brauchte gar nichts mehr zu sagen“, erinnert sich Köppel. Der Grund für die Verspätung sind die Kontrollen am Grenzübergang Potsdamer Platz. Stumm inspizieren die Grenzsoldaten jeden U-Bahn-Waggon, zeigen mit dem Finger auf verdächtige Personen und fordern sie zum Mitkommen auf. Oft räumen sie den ganzen Waggon, pferchen die Fahrgäste auf dem Bahnsteig zusammen. „Wie Strafgefangene standen sie dann da“, erinnert sich Köppel. Vor dem 13. August 1961 verschärft die SED die Repressionen gegen Grenzgänger, doch „dass sie die Mauer dichtmachen, hätte ich nicht gedacht“.

An einem Donnerstagmorgen, kurz vor dem Mauerbau, zeigt der Finger eines Grenzsoldaten auf die 17 Jahre alte Schülerin. Das Kommando ist eindeutig: Aussteigen. Sofort. Doch das junge Mädchen wird nicht zu den anderen Fahrgästen gebracht, sondern soll in einem separaten Raum gründlich durchsucht werden. Die Grenzsoldaten haben bei einer ersten Kontrolle das westdeutsche Geschichtsbuch Köppels in der Schultasche entdeckt. Brisant: Zwischen den Seiten steckt das von der Mutter unterschriebene Antragsformular auf Beihilfe für Ost-Schüler. Es geht um zehn Mark, doch Hildegard Köppel weiß: Das ist ein Devisenvergehen. „Wenn sie mich mit dem Formular erwischen, dann kommt meine Mutter ins Gefängnis“, sagt Köppel. Doch sie hat Glück, die für die Kontrolle zuständige Grenzbeamtin verspätet sich. Die Schülerin nutzt die Gelegenheit und türmt. Einem Grenzsoldaten, der sie aufhalten will, versichert sie kess: „Ich bin doch schon kontrolliert worden.“ Ohne Probleme schafft sie es zur Schule, doch vor dem Heimweg graut ihr. Sie zieht die Jacke auf links, verwuschelt die Haare und nimmt die Brille ab – am Potsdamer Platz sollen die Grenzsoldaten sie nicht wiedererkennen. Der Plan geht auf. Doch bis zum Bau der Mauer steigt Hildegard Köppel in keine U-Bahn mehr.

Die Grenzabriegelung am 13.August 1961 trifft das junge Mädchen hart. „Mein Leben hat sich total verändert“, sagt sie. Die Schulkarriere ist von einem auf dem anderen Tag vorbei, in der DDR muss sie sich nun dringend um eine Arbeitsstelle kümmern, „sonst hätte ich in einem Kalkwerk arbeiten müssen“. Doch in Ost-Berlin kann Köppel nur den Schulabschluss aus Klasse zehn vorweisen, als ehemalige Grenzgängerin bleibt ihr das Abitur verwehrt. Plötzlich ist das junge Mädchen eine ungelernte Arbeitskraft.

Dazu kommen die ständigen Verhöre. Ab September 1961 holt die Staatssicherheit Hildegard Köppel zwei Mal pro Woche ab, will ihr Republikflucht nachweisen. Ein Freund hat sich in den Westen abgesetzt – und ließ die Fotos seiner Freundin Hildegard zurück. Der Verdacht der geplanten Republikflucht lastet schwer auf der damals 17-Jährigen. Ende Dezember hilft der Onkel, Chefarzt in einer Ost-Berliner Klinik, mit einem Trick: Er weist seine Nichte in eine Nervenheilanstalt in Weißensee ein. Dort verbringt die Gesunde drei Monate unter psychisch Kranken.

Nach der Entlassung im März 1962 ist sie die Staatssicherheit zwar los, nicht aber den Makel der ehemaligen Grenzgängerin. Erneut scheint eine Ausbildung zur Laborassistentin unmöglich. Zwei Aufnahmeverfahren, zwei Absagen. Hildegard Köppel ist ernüchtert, vermutet eine Retourkutsche für ihre Schulzeit in West-Berlin. „Dabei haben die mich noch nicht mal in Marxismus-Leninismus geprüft“, sagt Köppel. Heute kann sie sich über diese Episode ihres Lebens amüsieren. Schon als junges Mädchen verweigert sie sich der Ideologie des SED-Staats. Doch sie hat Glück, ein Professor an der Humboldt-Universität steht ihr bei. Nach der zweiten Ablehnung greift der Ordinarius zum Telefon, setzt sich für die Aufnahme Köppels an der Fachhochschule in Rostock ein. An den Wortlaut erinnert sich Hildegard Köppel noch heute:

„Er sagte: In dieser glorreichen DDR wird jedem entlassenen Strafgefangenen eine zweite Chance gegeben. Aber Jugendlichen, deren einziges Vergehen darin bestand, Grenzgänger zu sein, werden bestraft.“ Das sitzt. Hildegard Köppel erhält eine Chance und wird zur Ausbildung in Rostock zugelassen.
http://www.morgenpost.de/berlin/berline ... esuch.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Edelknabe » 8. August 2011, 18:12

Gefunden im ND vom 8.August 2011 unter Leserbriefe.
Die ganz bösen und ganz lieben Menschen/Zum 13.August 1961
Ich bin im Grenzkreis aufgewachsen. Ich weiß aus Gesprächen mit Angehörigen und eigenem Erleben, wie die Westdeutschen dicht an der Grenze oder die Westberliner nach dem Wegfall der Lebensmittelkarten zu Hamsterkäufen in die DDR kamen. Sie tauschten ihr Geld zum Schwindelkurs von 1:5 um und kauften, was sie bekommen konnten. Obwohl sie sich über die Mangelwirtschaft in der DDR belustigten, hatten sie beim "Hamstern" keine Skrupel. Als die DDR dann am 13.8.61 die Mauer bauten, da waren die "kommunistischen Diktatoren" ganz böse Menschen. Und die nun in die Röhre guckenden Wessis waren ganz, ganz liebe, bedauernswerte Brüder und Schwestern.
Horst Richter
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Rainer-Maria und Jörg, da musste ich doch auch einmal was zur Mauer beitragen obwohl mich das Thema nicht so....Aber so ist der Mensch auch heute noch, also wenn bei uns im Supermarkt mal was besonders billig ist dann wird sich nicht beschränkt auf nur ein Stück, dann wird gehamstert und hast du nicht gesehen ist das Regal leergeräumt.Es steckt also mittlerweile auch in uns Brüder und Schwestern aus dem Osten drin.
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon ex-maja64 » 8. August 2011, 18:34

Edelknabe hat geschrieben:Ich weiß aus Gesprächen mit Angehörigen und eigenem Erleben, wie die Westdeutschen dicht an der Grenze oder die Westberliner nach dem Wegfall der Lebensmittelkarten zu Hamsterkäufen in die DDR kamen. Sie tauschten ihr Geld zum Schwindelkurs von 1:5 um und kauften, was sie bekommen konnten.


Kann ich als Bewohner eines ehem. Grenzkreises auch bestätigen, für die Zeit zwischen der Visabefreiung der BRD-Bürger ( Jahreswechsel 89) und der Währungsunion am 01. Juli 1990.
Das waren nicht unbedingt hochwertige Sachen oder nur Lebensmittel, nein auch einfachste Blechbrotbüchsen oder Wurzelbürsten wurden gekauft.


Mario
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 8. August 2011, 18:45

ex-maja64 hat geschrieben:
Edelknabe hat geschrieben:Ich weiß aus Gesprächen mit Angehörigen und eigenem Erleben, wie die Westdeutschen dicht an der Grenze oder die Westberliner nach dem Wegfall der Lebensmittelkarten zu Hamsterkäufen in die DDR kamen. Sie tauschten ihr Geld zum Schwindelkurs von 1:5 um und kauften, was sie bekommen konnten. mittlerweile auch in uns .


Kann ich als Bewohner eines ehem. Grenzkreises auch bestätigen, für die Zeit zwischen der Visabefreiung der BRD-Bürger ( Jahreswechsel 89) und der Währungsunion am 01. Juli 1990.
Das waren nicht unbedingt hochwertige Sachen oder nur Lebensmittel, nein auch einfachste Blechbrotbüchsen oder Wurzelbürsten wurden gekauft.


Mario



Alles richtig, das machten fast 89/90 alle so, nicht nur Bundesbürger. DDR-Bürger profitierten davon genauso. Immerhin gab es davor auch 20 Jahre mit Mindestumtausch, wo man fast nix dafür bekam bzw. nicht ausführen durfte.

Übrigens, zum Artikel. Ist schon interessant, was der Zeitzeuge von sich gibt. Er spricht gleichzeitig von Westdeutschland und Westberlin....Ich bezweifle, dass er das alles selbst erleben konnte. War es 1960 wirklich so einfach riesige Hamsterkäufe aus der DDR in die BRD zu schmuggeln? Und 1961 gab es allein 4000 DDR-Bürger, die bei Siemens tätig waren. Die haben natürlich nicht getauscht.....soviel zu den Differenzierungen West-/ Ostdeutsche.
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Edelknabe » 8. August 2011, 19:01

"Nein Mario, also nach gut 30 Jahren wieder, ich fasse es nicht denn das muss mittlerweile die zweite Generation Brüder und Schwestern West gewesen sein, sie haben es also an ihre Kinder in den Familien weitervererbt, das "Hamstern".
Und dann steckte es uns an, das westliche Hamstervirus siehe mein Vortext, es muss durch das herzliche Händeschütteln und Umarmen damals zur Wende 1989 auf uns abgefärbt haben"....entschuldigt Leute, ich kann vor Lachen nicht mehr weiterschreiben, es ist so köstlich weil der Spiegel, es ist der Spiegel, den wir uns ab und zu vorhalten sollten, am besten gegenseitig so von West nach Ost und umgekehrt direkt vor die Nase und was erblicken wir da?
Richtig, das eigene dumme Gesicht mit dem Mund, der immer meint, den Anderen belehren zu müssen.Aber genug von dem innerdeutschen Spass der ganz normalen negativen menschlichen Eigenschaften.

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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon ex-maja64 » 8. August 2011, 19:04

augenzeuge hat geschrieben: Immerhin gab es davor auch 20 Jahre mit Mindestumtausch, wo man fast nix dafür bekam bzw. nicht ausführen durfte.



Jörg man hätte ja in dieser Zeit, z.B. Blechbrotbüchsen oder Wurzelbürsten kaufen können [grins]. Aber ich denke da war manchem der 1:1 Mindestumtausch zu schade. Wenn ich mich recht entsinne war der Kurs nach dem Mauerfall dann 1:8 oder 1:10 .


Mario
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 8. August 2011, 19:09

ex-maja64 hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben: Immerhin gab es davor auch 20 Jahre mit Mindestumtausch, wo man fast nix dafür bekam bzw. nicht ausführen durfte.



Jörg man hätte ja in dieser Zeit, z.B. Blechbrotbüchsen oder Wurzelbürsten kaufen können [grins]. Aber ich denke da war manchem der 1:1 Mindestumtausch zu schade. Wenn ich mich recht entsinne war der Kurs nach dem Mauerfall dann 1:8 oder 1:10 .


Mario


Ja, das kann sein. Der Kurs entwickelte sich deshalb ja nur so hoch, weil die DDR-Bürger soviel Geld in die Wechselstuben brachten. Kurzzeitig lag er sogar bei 1:20. [flash]
AZ
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 10. August 2011, 18:46

Der ehemalige Intendant der Deutschlandradios, Ernst Elitz, erzählt, warum die deutsch-deutsche Spaltung nicht erst mit dem Mauerbau begann.
Ernst Elitz ist gebürtiger Berliner und war bis 2009 Intendant des Deutschlandradios

Durch die Menschentrauben auf der Stresemannstraße wieselten ein paar flinke Gestalten – Typ eher unauffällig, die Augen irrlichternd nach allen Seiten. Ihr Flüstern „Amis“, „Dollar“, „guter Kurs“ wurde nur unterbrochen durch den Blitztausch von Geldscheinbündeln und Zigarettenschachteln. Das Warendepot lag in der Hosentasche. Die wenigen Hundert Meter Straßenland zwischen Potsdamer Platz und Landwehrkanal waren ein ideales Geschäftsgelände, ein Niemandsland in der geteilten Stadt. Hier verlief die Sektorengrenze direkt an der Baufluchtlinie. Der Gehweg gehörte zum sowjetischen, die Buden mit Süßigkeiten, Schnaps und Groschenromanen zum britischen Sektor. Rasten die Pritschenwagen der Ost-Berliner Volkspolizei auf das Menschengewusel zu, verdrückten sich Schieber und Geldwechsler mit den Warnruf „Razzia!“ durch die Lücken der Budenzeile auf das dahinter liegende Ruinenland. Sie waren in Sicherheit.

Viersprachige Schilder – deutsch, englisch, russisch, französisch – markierten die Sektorengrenzen. Wer sich nicht auskannte, landete leicht in einem anderen Sektor, wie die russischen Panzer, die sich am 17.Juni 1953 auf französisches Gebiet verfahren hatten und wieder abdrehten, bevor sie eine Weltkrise auslösten.

Berlin war geteilt, aber eine Stadt. Im Fünf-Minuten-Takt verkehrten S- und U-Bahn sowie Straßenbahn zwischen beiden Teilen der Stadt. Daran änderte sich nichts, als im September 1948 kommunistische Demonstranten die in Ost-Berlin tagende Stadtverordnetenversammlung sprengten und der gewählte Oberbürgermeister Ernst Reuter mit den Parlamentariern von SPD und CDU in den Westen flüchtete. Es war Blockade-Zeit. Mit dem berlintypischen „Uns kann keener“-Gemüt reiften die Bewohner des Westteils der Stadt zu einem trotzigen Menschenschlag, der sich mit den mäßigen Überlebensrationen zufriedengab, die Amerikaner und Briten über die Luftbrücke einfliegen konnten. Klein beigeben? Nee!

Fast jeder Berliner hatte beide Währungen im Portemonnaie. Der Ost-Berliner brauchte die D-Mark, um die kargen Zuteilungen seiner Lebensmittelkarten mit Obst, Schokolade und Bohnenkaffee aufzubessern. Büdchen mit dem verführerischen Angebot säumten auf westlicher Seite die Sektorengrenze. Und mancher West-Berliner konnte der Versuchung nicht widerstehen, den billigen Haarschnitt im Osten vorzuziehen. In Grenznähe darbten westliche Bäcker, denn Brötchen und Kuchen waren im Osten zum Kurs 4:1 zu haben.

So viel private Marktwirtschaft missfiel den Regierenden in Ost und West. Hinter der westlichen Grenze legten sich Zollbeamte mit Feldstecher auf die Lauer, um West-Berliner, die sich in Sichtweite den Tank mit Ost-Benzin füllten, zur Kasse zu bitten. Und auf der östlichen Seite durchwühlten die Mitarbeiter des Amtes für Zoll und Kontrolle des Warenverkehrs die Taschen einkaufsfreudiger West-Berliner. Auf beiden Seiten konnte der Bürger vor unliebsamen Blicken in seine Taschen nicht sicher sein.

Mehr als geldwerte „Schieberartikel“ aber fürchtete die SED ideologische Konterbande. Die passierte die Grenze im Kopf und selten im Einkaufsbeutel. Im Amerikahaus am Bahnhof Zoo und in der 1954 eröffneten Amerika-Gedenkbibliothek konnten sich Besucher aus dem Osten frei informieren. Hunderttausende taten es. Und der 1946 von den Amerikanern gegründete Rias war lange vor dem SFB Heimatsender aller Berliner. Wenn Fred Ignor mit seiner Kultsendung „Schlager der Woche“ auf Sendung war, schallten an heißen Sommertagen aus den weit geöffneten Fenstern in beiden Teilen der Stadt Bill Haleys „Rock Around the Clock“ und Elvis Presleys „Don't Be Cruel“. Folgten die Nachrichten, wurde leiser gestellt. Und nur noch gedämpft empfingen Hörer in den Ost-Bezirken die Verlesung der Listen von Stasi-Spitzeln – mit Klarnamen. Service im Kalten Krieg.

Berlin war vom Kriegsende bis zum Mauerbau eine Stadt, schillernd zwischen Normalität und Kaltem Krieg – und manchmal mit einem Brett vorm Kopf. So hatte die West-BVG 1951 den Verzicht auf weibliches Fahrpersonal zur Bedingung für den grenzüberschreitenden Straßenbahnverkehr gemacht. Begründung: Frauen im Führerstand einer Straßenbahn könnten „nicht immer volle Verkehrssicherheit gewährleisten“. Da lachte den SED-Funktionären das Herz, und sie schickten einen Straßenbahnzug der Linie 74 nach Lichterfelde – mit einer Frau am Stromhebel. Am Potsdamer Platz sagten westliche Streckenmeister: „Stop!“ Seitdem gab es in Berlin zwei unabhängige Straßenbahnnetze. Und der Westen stand als Spalter da.

Berlin war eine Stadt mit drei Polizeiuniformen: Schupos im Westen, Vopos im Osten und Trapos (Transportpolizisten) auf dem von der DDR verwalteten Reichsbahngelände. Auf den Bahnhöfen lieferten sich Schupos und Trapos Scharmützel bis hin zu Verfolgungsjagden einer Funkwagenarmada, deren Besatzung einen S-Bahn-Zug kurz vor der Einfahrt in den Ostsektor stürmte, um einen Flüchtling aus dem Trapo-Dienstabteil zu befreien. Die offene Grenze war auch offen für Menschenraub. Vermeintliche oder wirkliche Agenten wurden in den Osten entführt. Das Ziel war Bautzen, Sibirien oder der Tod durch Genickschuss.

Zugleich strömten West-Berlins Kulturbürger in Bert Brechts „Berliner Ensemble“ und in die 1955 wieder eröffnete Staatsoper Unter den Linden. Gegen Vorlage des Ost-Personalausweises vergnügte sich Ost-Berlin in den Kinos und Theatern rund um den Kurfürstendamm. Die Karten gab es 1:1. Berlin – das war Kulturaustausch und freie Arbeitsplatzwahl. Zehntausende aus dem Osten fuhren täglich über die Sektorengrenze zum Arbeiten. Walter Ulbricht konnte viel versprechen: Sieben-Stunden-Tag, höheres Einkommen, mehr Plattenbauten: Man glaubte ihm nicht. Zu tief saß die Erfahrung von Enteignung und Willkür. Die Flüchtlingszahl stieg. Als Ulbricht am 13. August 1961 die Grenzen sperren ließ, war Berlin wirklich geteilt.
http://www.morgenpost.de/berlin/berline ... erbau.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 11. August 2011, 19:33

Den Mauerbau direkt vor Augen: Hollywood hätte sich die Szene nicht besser ausdenken können: Ein VW-Käfer rast in der Ackerstraße aus Richtung Ost-Berlin auf die kurz zuvor errichtete Grenzabsperrung an der Bernauer Straße zu. Bislang liegt dort nur Stacheldraht. Der Pkw schiebt den Draht vor sich her und kommt kurz darauf zum Stehen - im Westen. Zuschauer klatschen begeistert Beifall.

Detlef Berndt war im August 1961 Augenzeuge dieser filmreifen Flucht. Der Tiefbauer lebte damals mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern auf der zum Westen gehörenden Seite der Bernauer Straße, die zu einem Brennpunkt der Teilung Berlins wurde. Der Fußweg auf der anderen Straßenseite gehörte schon zum Westen, die Häuser aber noch zum Osten.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fasste am Mittwoch die Geschichte der Straße bei der Übergabe des zweiten Bauabschnitts der Gedenkstätte Berliner Mauer wie folgt zusammen: 'Hier wurden mindestens 2.000 Menschen zwangsausgesiedelt, ihre Häuser wurden zerstört; drei Friedhöfe wurden überformt, ein zentraler Bahnhof stillgelegt. Es existierten zwölf Fluchttunnel und ein Gegentunnel der Stasi. An der Bernauer Straße wurden 200 bis 300 Fluchtversuche registriert. Es gab zehn Tote.'

Detlef Berndt lebte seit Februar 1960 in Hausnummer 107. Es ist sein Kiez. Der waschechte Berliner, Geburtsjahr 1937, wurde an der Stralsunder/Ecke Bernauer Straße groß. Wenn er umzog, dann immer nur in dem Bereich zwischen Wedding und Mitte. In den ersten Tagen des Mauerbaus dokumentierte der Hobbyfotograf mit farbigen Aufnahmen das Geschehen. 'Die Bilder sind seltene Zeitdokumente, weil sie die Ereignisse auf der Bernauer Straße aus völlig subjektiver Sicht eines 'normalen' Bürgers festgehalten haben', sagt Bernhard Sälter von der Gedenkstätte Berliner Mauer.

Dabei hatte der 13. August 1961 für die Berndts harmlos begonnen. 'Ich fragte meine Frau am Morgen noch 'Gibt's was Neues?' Die Antwort lautete 'Nö.' So kann man sich täuschen.' Kurz darauf zogen Volkspolizisten und Betriebskampfgruppen auf, die Szene mit dem VW ereignete sich wenige später, wurde aber nicht auf Foto festgehalten.

Nach den Erinnerungen von Berndt konnte er nach dem Mauerbau noch ein paar Tage lang seine Verwandten 'drüben' in der Prenzlauer Allee und in der Schivelbeiner Straße besuchen, bevor auch das unmöglich wurde. Erst später in den 1960ern folgte das Passierscheinabkommen, das West-Berlinern einen Abstecher in den Osten ermöglichte. 'Für einen solchen Schein haben wir stundenlang in der Kälte gestanden', sagt Berndt.

Und bewegt fügt er hinzu: 'Es war nicht schön, die Mauer wachsen zu sehen.' Er wurde Augenzeuge, wie die Menschen auf der Ostseite Zettel in den Westsektor warfen, zu welchem Zeitpunkt sie springen wollten. 'Dann kam unsere Feuerwehr mit Sprungtüchern. Gleichzeitig wurden die Flüchtlinge von den Dächern im Osten aus oft mit Tränengas angegriffen, um die Flucht zu verhindern. Einige sprangen auch daneben', sagt Berndt. Er erlebte auch jenen tausendfach als Film gezeigten Moment mit, als eine ältere Frau aus dem obersten Stockwerk den Fluchtversuch wagte und in die Tiefer stürzte.

'Wir hatten lange Bange, dass unser Haus dem Osten zugeschlagen wird', erinnert sich der Rentner. Dann holt er vorsichtig zwei schmale Karten aus einem Ordner. Es sind die Nachweise der kirchlichen Trauung mit seiner Frau Marianne am 3. Oktober 1959 in der Versöhnungskirche an der Bernauer Straße. Nach dem 13. August 1961 stand das Gotteshaus plötzlich in der Mitte des künstlich geschaffenen Todesstreifens, bis die DDR-Oberen sie 1985 sprengen ließen.

Wenn am 13. August an 'ihrer' Bernauer Straße aller Maueropfer und der Teilung gedacht wird, sind auch die Berndts mit dabei. Sie werden unter anderem zur Kapelle der Versöhnung kommen. Das schlichte Bauwerk wurde dort errichtet, wo sie 1959 getraut wurden.
http://www.ad-hoc-news.de/den-mauerbau- ... s/22350787
dapd
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 12. August 2011, 08:32

50 Jahre Berliner Mauerbau: Chruschtschow wollte nur Stacheldraht

In der Stadt, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten in Sektoren aufgeteilt war und sich zu einem Brennpunkt der militärpolitischen Konfrontation entwickelt hatte, wurde nun eine Mauer hochgezogen. Zunächst trennten Stacheldraht und vereinzelte Betonblöcke die Stadt in zwei Teile.

Fast 30 Jahre lang war die Berliner Mauer das Symbol des Kalten Krieges und des Kampfes zweier Systemen. Die Grenzöffnung in Berlin im November 1989 ist in die Geschichtsbücher als Ende des Kalten Kriegs eingegangen.

Seit dem Fall der Berliner Mauer sind mittlerweile 20 Jahre vergangen, aber Historiker und Politiker streiten sich immer noch darüber, für wen „antifaschistischer Schutzwall“, wie ihn die damalige DDR-Führung anpries, in Wahrheit nützlich war. Denn eigentlich sollte der Ideegeber zur Mauer nicht nur für den „Freiheitsentzug“ der 17 Millionen DDR-Bürger, sondern auch für 136 Tote Rede und Antwort stehen, die von 1961 bis 1989 beim Fluchtversuch an der Mauer erschossen wurden.

Diese Zahl hat dieser Tage der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Naumann in Berlin genannt. Zum 50-jährigen Jubiläum des Mauerbaus präsentierte er die Ergebnisse einer Studie des Zentrums für zeithistorische Forschung Potsdam und der Stiftung Berliner Mauer. Dabei veröffentlichte er einige „Details“, die bisher kaum bekannt gewesen waren: Es wurden nämlich 256 Fälle registriert, bei denen Menschen nach der Kontrolle an den Grenzübergängen zwischen West- und Ost-Berlin starben - so viel Angst hatten sie vor den „Prozeduren“.


Moskau mitschuldig?

Im Vorfeld des „Jubiläums“ ließen sich auch einige frühere ostdeutsche Generäle die Möglichkeit nicht nehmen, ihre Meinung zu diesem Thema zu äußern. Der einstige Verteidigungsminister der DDR, Heinz Keßler, und der frühere Generalstabschef der Nationalen Volksarmee, Fritz Streletz, stellten ihr Buch „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“ vor. Ihnen zufolge ist für die Verbrechen an der Berliner Mauer die sowjetische Führung schuldig. „Nicht Ulbricht, sondern Chruschtschow sei’s gewesen“, behauptet Keßler.

Als schlechter Diplomat habe der damalige sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow die Debatte mit dem US-Präsidenten John Kennedy bei einem Gipfeltreffen in Wien 1961 verloren, so der frühere Verteidigungsminister. Er habe den Abbau der alliierten Truppen in West-Berlin nicht erreichen können und musste nach alternativen Wegen in der „Frontstadt“ suchen. "Die billigste Lösung, die einfachste Lösung ohne Krieg war, in West-Berlin eine Mauer hochzuziehen, damit war die Sache für Chruschtschow erledigt. Die Folgen mussten nachher wir ausbaden."

Auch Egon Krenz, Nachfolger Erich Honeckers an der Spitze der SED und des Staatsrats der DDR, der vorher für die Verteidigung zuständig gewesen war, ist der Ansicht, dass die sowjetische Führung die ganze Verantwortung für diese Morde trägt. Alle Entscheidungen seien in Moskau getroffen worden, behauptet er. Nach der Wiedervereinigung wurde Krenz zu 6,5 Jahren und Keßler zu sieben Jahren Haft für die Morde an der Berliner Mauer verurteilt.

Ein neues Wort in der Geschichte der Berliner Mauer redet der bekannte deutsche Soziologe und Zeithistoriker Manfred Wilke, der sich mit der Erforschung der „kommunistischen Diktatur“ befasst. Ende 2010 begegnete er auf einer internationalen Konferenz über die Schlachte Stalingrad dem sowjetischen General Anatoli Mereschko, der in den frühen 1960er Jahren der stellvertretende Chef der sowjetischen Armee in Deutschland gewesen war. Damals soll Mereschko verraten haben, dass er im Sommer 1961 von der sowjetischen Führung mit der Ausarbeitung eines Operativplans für den Mauerbau beauftragt worden war.

Die Behauptungen der Herren Krenz, Keßler und Streletz, die Berliner Mauer hätte nur die sowjetische Führung gebraucht, seien absurd, so Manfred Wilke in einem Interview für die Zeitung "Moskowskije Nowosti". Die Berliner Mauer sei im Auftrag der SED geplant und von ostdeutschen Grenzschützern bewacht worden. Die drei Meter hohen Betonblöcke seien in DDR-Betrieben hergestellt worden. Das Gleiche gilt dem Experten zufolge für die auf Körperwärme reagierenden Selbstschussanlagen an der Mauer. Noch im Januar 1989 habe Erich Honecker behauptet, die Berliner Mauer würde noch 50 oder 100 Jahre stehen, bis die Gründe für ihre Errichtung festgestellt würden. An den Bemühungen der alten SED-Mitglieder, sich von der Schuld zu befreien, gebe es nichts Außergewöhnliches, findet Wilke. Das Gleiche sei auch im Juni 1945 passiert, nachdem Deutschland von den Alliierten besetzt worden war. Damals stellte sich heraus, dass nicht nur deutsche Generäle und Politiker, sondern auch das Volk schuldlose Opfer des Tyrannen Adolf Hitler gewesen waren, so der Historiker.

Überlebensfrage für DDR-Führung

In Wirklichkeit habe die UdSSR-Führung im Sommer 1961 auf den bisherigen politischen Drang nach Westen verzichtet, fuhr Wilke fort. Als Ziel wurde die Integration West-Berlins in die DDR oder wenigstens seine Verwandlung in eine entmilitarisierte Stadt ausgerufen. Dadurch sollte die Nato geschwächt werden.

Die Wurzel dieses Konflikts ist in den Entscheidungen zu finden, die bereits im Juni 1945 getroffen worden waren. Damals wurde West-Berlin aus dem System der Aufteilung Deutschlands in einzelne Sektoren ausgeschlossen. Ab dieser Zeit wurde West-Berlin von der britischen, französischen und amerikanischen Militärverwaltung kontrolliert. Später wollten alle vier Alliierten einen besonderen Friedensvertrag schließen. Stattdessen kam es zu ständigen Streitigkeiten und Konflikte aus, die schließlich zum Kalten Krieg geführt haben.

Später entstanden aus den vier Sektoren, in die Deutschland aufgeteilt worden war, die beiden deutschen Staaten, so Manfred Wilke weiter. Dabei war die BRD von Anfang an ein demokratischer Staat, weil die Amerikaner, Briten und Franzosen den Bürgern die Möglichkeit ließen, ihre Parteien zu wählen. Außerdem hatte West-Deutschland eine stärkere Wirtschaft. Das unterschied sich grundsätzlich von den Normen in der sowjetischen Besatzungszone. Das politische Gebilde der DDR wurde am 5. bzw. 6. Juli 1945 im Arbeitszimmer Josef Stalins im Kreml geschaffen, der die deutschen Kommunisten beauftragte, in der sowjetischen Zone eine eigene Form der Demokratie aufzubauen. An diesen Regeln hielten sich alle sowjetischen Führer außer Michail Gorbatschow.

Die „Frontstadt“ sorgte immer wieder für Probleme zwischen der Sowjetunion und den USA. Zu den schlimmsten kam es 1948 bzw. 1949 und 1960 bzw. 1961. In beiden Fällen wurde versucht, diesen „Geschwulst“ am Körper der DDR zu entfernen, der als wichtigster destabilisierender Faktor aus politischer und wirtschaftlicher Sicht galt.

Aber das Ultimatum der sowjetischen Führung, die 1958 einen Friedensvertrag binnen sechs Monaten verlangt hatte, haben die West-Berliner selbst beantwortet, indem sie den von Moskau vorgeschlagenen Status der freien entmilitarisierten Stadt ablehnten. In einem solchen Fall sollten die Besatzungsmächte aus Berlin abgezogen werden, wogegen die Stadteinwohner jedoch Einspruch einlegten. Im November 1958 nahm die SED an einer Kommunalwahl in West-Berlin teil und erhielt lediglich 1,9 Prozent der Stimmen. Das sei eine klare Antwort auf das Ultimatum der Sowjets gewesen, so Wilke.

In den darauffolgenden drei Jahren mussten sich Moskau, Washington, Paris und London viel Mühe geben, konnten sich aber nicht einigen: Die westlichen Alliierten wollten West-Berlin nicht verlassen. Moskau blieb als letztes Argument nur die Gewaltanwendung, doch Chruschtschow schloss einen solchen Weg aus, weil er zu einem neuen Krieg führen würde. Damit sei die Errichtung der Berliner Mauer die unmittelbare Folge des Verzichts Moskaus auf eine „friedliche Attacke“ auf West-Berlin gewesen, stellte Wilke fest.

In Bezug auf das Verschulden der DDR-Führung erinnerte der Experte an die schwierige Lebensmittelsituation in Ost-Deutschland. SED-Chef Walter Ulbricht musste sogar Chruschtschow um Kartoffeln und Butter bitten, während in der BRD und anderen westeuropäischen Ländern gebildete junge Menschen aus Ost-Deutschland willkommen geheißen wurden. In West-Deutschland lag der BIP-Zuwachs im Jahr 1960 bei 9,5 Prozent - das in den 1950er Jahren begonnene „Wirtschaftswunder“ ging weiter. Im Januar 1961 informierte Ulbricht Chruschtschow darüber, dass immer mehr Menschen aus der Arbeiter- und Bauernrepublik in den Westen flüchten. Dabei führte er an, dass 75 Prozent der Flüchtlinge jünger als 25 Jahre waren. Damit schien die Berliner Mauer für die DDR-Führung lebenswichtig zu sein.

Mereschkos Plan

Die Sowjetunion und die DDR betrachteten das Problem West-Berlin unterschiedlich: Chruschtschow strebte einen weltpolitischen Deal mit den Amerikanern an, während Ulbricht daran interessiert war, die Grenze dichtzumachen, die das sozialistische Regime vor dem Niedergang beschützen sollte. Deshalb forderte er den Kreml-Chef zur schnellstmöglichsten Lösung der West-Berlin-Frage auf. Aber Chruschtschow antwortete im März 1961 barsch: „Solange ich die Person, mit der ich es zu tun habe, nicht persönlich kennen gelernt habe, werde ich nichts entscheiden.“

Sein Treffen mit US-Präsident John Kennedy fand am 4. Juni 1961 in Wien statt. Dabei ließ sich Kennedy von der Drohung Chruschtschows nicht beeindrucken, einen separaten Friedensvertrag mit der DDR zu schließen, falls ein Vertrag mit den Alliierten bis Jahresende nicht zustande kommen sollte. Moskau warnte, es würde die Transitwege zwischen der BRD und West-Berlin sperren, was katastrophale Folgen für Berlin gehabt hätte. Denn die Amerikaner hätten sich das nicht gefallen lassen. In Moskau und Washington wurden identische Pläne erstellt: Die DDR würde die Grenze und damit den Gütertransit nach West-Berlin sperren. Die Amerikaner würden versuchen, diese Sperren zu brechen, ein neuer Krieg wäre unvermeidlich.

Der Kreml war dennoch an einer friedlichen Regelung interessiert, damit Deutschland in drei selbstständige Teile aufgeteilt werden könnte - Ost- und West-Deutschland und die freie Stadt West-Berlin, so Wilke weiter. Der Westen akzeptierte diese Forderung der Sowjets jedoch nicht.

In dieser Situation hing die DDR-Führung von der Entscheidung Moskaus ab. Die Behauptungen früherer DDR-Politiker, die Berliner Mauer wäre auf Verfügung der Russen errichtet worden, stimmen nicht, betonte Wilke. Im Juli 1961 schrieb Ulbricht an Chruschtschow, er könnte das Weiterbestehen der DDR nicht garantieren, wenn die Grenze zu West-Berlin nicht geschlossen werden sollte.

Welche Rolle spielte in dieser Geschichte der sowjetische General Anatoli Mereschko? Im Gespräch mit Manfred Wilke sagte er, dass die Operation „Rose“ zur Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 vom Kommando der sowjetischen Truppengruppierung in Deutschland kontrolliert worden sei. Der 90-jährige General a. D. habe sich mit dem taktischen Plan und der Festlegung der Grenzlinie zwischen beiden Teilen Berlins unmittelbar befasst. Im Auftrag des Kommandos habe daran der Stab der Sowjettruppen in Wünsdorf, 40 Kilometer von Berlin entfernt, Tag und Nacht gearbeitet, weil er nur zwei Wochen zur Verfügung hatte. Mereschko sei derjenige gewesen, der über die Aufstellung des Stacheldrahtzauns entschied, die entsprechende Kosten kalkulierte und die Orte der Grenzübergänge bestimmte.

Mit seinem Plan reiste Mereschko am 7. August nach Moskau. Chruschtschow nickte das Dokument ab. Der General kehrte am selben Tag nach Wünsdorf zurück. Am 10. August trafen beim Stab der sowjetischen Truppen (zum Befehlshaber der Gruppe war Marschall Iwan Konew ernannt worden) der Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, der Verteidigungsminister Heinz Hoffmann und der Innenminister Karl Maron ein. Mereschko präsentierte ihnen seinen Plan. Konew telefonierte mit Chruschtschow und informierte ihn über das Gespräch mit den DDR-Ministern. Sofort wurde der Zeitpunkt für den Mauerbau festgelegt: Sonntag, der 13. August. Das sowjetische Kommando rechnete damit, dass am Wochenende weniger Menschen, die im östlichen Teil der Stadt lebten und im westlichen arbeiteten, West-Berlin besuchen würden.

Laut Mereschko wurden zwei Exemplare des Plans von Chruschtschow und Ulbricht persönlich unterzeichnet. „Das Wichtigste ist, dass unser Plan keine Errichtung der Mauer in Berlin vorsah. Es handelte sich nur um Sperren, um Kontrollen seitens der DDR-Grenzer und um Betonblöcke in den Straßen an den Sektorengrenzen, damit die Fahrer bremsen mussten“, so der General. „Ursprünglich wurde die Grenze auf einem 40 bzw. 45 Kilometer langen Abschnitt gezogen - im Grunde wurden nur der nördliche und südliche Abschnitt des Berliner Rings gesperrt.“

Letztendlich wurde aber um West-Berlin eine hohe Betonmauer errichtet – mit Minen und Selbstschussanlagen. Dafür ist allerdings ausschließlich die DDR-Führung verantwortlich.

http://de.rian.ru/opinion/20110811/260068543.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Danny_1000 » 12. August 2011, 10:03

Schlichtweg Blödsinn, was der Wilke da schreibt. Zu keinem Zeitpunkt gab es an der Mauer zu Westberlin Minen und Selbstschussanlagen ! Ein wenig Recherche im Internet hätte genügt, um das raus zu finden. Und so was nennt sich nun Historiker...

Gruß Danny
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 12. August 2011, 10:14

Ja, Danny, da ist natürlich richtig. Wir wissen das.

Aber, es ist immer das Problem der Journalisten. Sie schreiben einen Artikel, der insgesamt gar nicht so schlecht ist, machen einen gravierenden Fehler und schon wird der ganze Artikel verworfen. Schade. Denn manchmal zu unrecht.
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 12. August 2011, 10:20

Der Journalist Frederick Kempe ist Chef des Atlantic Council und Autor des Buches "Berlin 1961. Einige tolle Aussagen:

Ich glaube, wenn Kennedy klarer gesagt hätte, dass das Viermächteabkommen heilig und unveränderlich ist, so wie dies die US-Präsidenten Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower vor ihm klargestellt haben, hätte Chruschtschow im August den Mauerbau nicht riskiert.

Viele argumentieren ja, die Berliner Mauer habe die Welt weniger gefährlich gemacht. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Die Mauer hat die Welt insoweit gefährlicher gemacht, dass es ein Jahr später fast zum Atomkrieg gekommen ist.


Kennedy habe geglaubt, der Sowjetunion entgegenkommen zu müssen. "Das war eine fatale Fehleinschätzung", so Kempe. Ein Jahr danach habe es die Kuba-Krise gegeben, durch den Mauerbau sei die Welt gefährlicher geworden.
http://www.n-tv.de/politik/JFK-haette-d ... 84976.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Interessierter » 12. August 2011, 12:12

Nach dem Studium unzähliger Berichte über dieses unselige Bauwerk und Ausführungen darüber, warum die Mauer erbaut wurde, wer den Bau veranlasst hat oder auch nicht, wo Minen waren und wo keine bleibt eines immer eine unbestrittene Tatsache:
Die Mauer war ein menschenverachtendes Bauwerk, durch das Menschen zu Tode kamen und schwer verletzt wurden und das tausende von Bürgern unter ihrer Trennung leiden ließ.

Mit diesem Wissen ist es für mich persönlich unerträglich, wenn mehr als 2 Jahrzehnte nach dem Mauerfall von gewissen Personen immer noch versucht wird den Mauerbau zu rechtfertigen.
Für dieses Bauwerk, das seine eigenen Bürger einsperrte und ein Regime das eigenen Bürgern in den Rücken schießen ließ, wenn diese dennoch versuchten diesen diktatorischen Staat zu verlassen - GIBT ES KEINE RECHTFERTIGUNG- !

Muß wirklich erst der letzte lebende Augenzeuge verstorben sein, bis diese Versuche des Schönredens ein Ende haben?
Interessierter
 

Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon augenzeuge » 12. August 2011, 18:36

Der ganz andere Blick auf die Berliner Mauer

Die Berliner Mauer, vor genau 50 Jahren zunächst als simple «Fluchtsperre» konstruiert, war ein mörderisches, dauernd perfektioniertes und wirtschaftlich kostspieliges Gebilde.
Marianne Birthler, von 2000 bis 2011 Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, hat dieser Tage daran erinnert, dass die Berliner Mauer auf der DDR-Seite nur grau war. Die bunten Graffiti und Inschriften, die sie auf der anderen, der westlichen Seite schmückten, blieben den Bürgern des kommunistischen Ostdeutschland verborgen. Hätten sie es gewagt, eine kreative Hand anzulegen an das graue Monstrum, wären sie auf der Stelle verhaftet worden.

Bunte Klischierung
Angesichts der sich jagenden Veranstaltungen zum Gedenken an den Bau des «antifaschistischen Schutzwalls» durch die DDR vor 50 Jahren drängt sich manchmal der Eindruck auf, an das simple Faktum der grauen, nackten Mauer werde zu wenig erinnert. Die üblichen Klischees werden herumgereicht, Junge bekommen seltsame Namen wie Ulbricht, Honecker, Chruschtschew und Kennedy zu hören, und die unvermeidliche Eventkultur sorgt für eine Buntheit, die dem Charakter des Anlasses wohl nicht ganz angemessen ist.

Einer, der seit je aus einem anderen Winkel auf die Mauer blickt, ist der Kulturwissenschafter Olaf Briese, der an der Ostberliner Humboldt-Universität studiert hat. Briese interessiert sich nicht nur für die hohe Politik, sondern auch für die profaneren Seiten des Mauerbaus. Seit Jahren betrachtet er die Mauer aus ökonomischer, ästhetischer und architektonischer Perspektive. In Freiburg im Breisgau hat er im Nachlass der DDR-Grenztruppen Erkenntnisse gesammelt, die er nun in einem Buch präsentiert.*

Die Mauer war eine Berliner Angelegenheit. Ihr Bau 1961 leitete die Einkerkerung der DDR-Bevölkerung nicht etwa ein, sondern schloss sie ab. Berlin war lange sehr viel offener als der Rest der DDR, die bereits in den fünfziger Jahren vom Westen praktisch hermetisch abgetrennt war. Zwischen Ost- und Westdeutschland gab es längst die Zonengrenze mit Grenzzaun, Stacheldraht und einem Todesstreifen, der in späteren Jahren durch Selbstschussanlagen überwacht wurde. Eine Mauer wie in Berlin gab es nur in Ausnahmefällen, so etwa bei Vacha in Thüringen.

Fachleute unterscheiden vier «Generationen» der Mauer. Die erste nennt Briese die «Spontanmauer». Sie wurde in den ersten Wochen nach Baubeginn primär aus Stacheldraht errichtet, am Brandenburger Tor auch aus Betonplatten, oft in bestehende Elemente wie Haus-, Fabrik- oder Friedhofsmauern integriert und durch Betonwürfel ergänzt. Hastig, ohne Fundament auf etwa 20 Kilometern durch die Innenstadt gezogen und mit Backsteinen als «Fluchtsperre» befestigt, sackte sie vielerorts rasch wieder in sich zusammen, so dass der Planungsstab unter Erich Honecker am 20. September 1961 beschloss, die zweite Generation in Angriff zu nehmen. Diese war erstmals eine Doppelmauer und enthielt alle bekannten Elemente, so den «inneren Grenzstreifen» zwischen den beiden Mauern, im Westen «Todesstreifen» genannt, die «Postentürme» (DDR-Jargon), Signal- und Stolperdrähte sowie die immense Beleuchtung. Selbstschussanlagen und Minen gab es in Berlin allerdings nie.

Wirtschaftliche Belastung
Die dritte Generation veränderte das Bild. Zwischen 1965 und 1968 entstand eine kompaktere Mauer, in die jeweils zwischen zwei Pfosten neun bis zehn «Betonleisten» eingelassen wurden. Diese Konstruktion hatte zwei Mängel, die bald erkannt wurden. Zum einen boten die Leisten Flüchtenden eine Art Tritthilfe, da sie nie ganz plan waren, zum anderen gaben sie ein ideales Ziel ab für das, was man im Osten als westliche Vandalenakte bezeichnete. Die Mauer wurde angemalt, behämmert und angebohrt. Im Osten sah man es mit Ärger, und so veranlasste man 1975 den Bau der «Grenzmauer 75», die im Wesentlichen die Mauer ist, die sich ins heutige Bewusstsein eingegraben hat: eine unendliche Reihe von Beton-Stelen mit T-förmigem Fuss und einem Betonrohr als «Übersteigsicherung», an der Halt suchende Hände ebenso abrutschten wie Haken. Die «Grenzmauer 75» war 3,6 Meter hoch, ihre Elemente waren 1,2 Meter breit.

Was die DDR wirtschaftlich schützen sollte, wurde für sie zu einer ungeheuren Belastung. Die Mauer verschlang Unsummen. Etwa 155 Kilometer rund um Berlin wand sich ein breites Band, das nachts taghell beleuchtet war, dazu kamen Ausgaben für Wachsoldaten, für Kräne, Bagger und Lastwagen, für die «Kolonnenwege» zwischen den Mauern und die Asphaltierung. Mit Beginn der zweiten Generation wurden Platten und Blöcke aus dem Wohnungsbau verwendet. Ab Mitte der sechziger Jahre musste das Militär die Baumaterialien vom Ministerium für Bauwesen beziehen, Planziele melden und die gelieferte Ware bezahlen.

Orgiastischer Abrisseifer
Gebaut wurde die Mauer von Baueinheiten der Grenztruppen. Anfangs waren diese allein, später wurden sie assistiert von der Feuerwehr (die der Polizei zugeteilt war) und von gewöhnlichen Arbeitern. Zum Einsatz kamen zunächst Betonwerke in Strausberg, Storkow und Teltow, ab der vierten Phase auch Baukombinate. In den siebziger Jahren wurde die Mauer mit Mikroelektronik bestückt. Spezialbetriebe lieferten allerlei Sensoren und Bewegungsmelder, die viel kosteten, aber kaum je gut funktionierten. Wie fast alle Architektur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Mauer immer glatter und einheitlicher. Was als «Lottermauer» begann und im Westen gerne als Exempel sozialistischen Schlendrians gesehen wurde, erlangte im Laufe der Jahrzehnte Regelmass und Glätte; Briese scheut nicht davor zurück, den Begriff «Bauhaus» ins Gespräch zu bringen. Zudem war man, DDR hin oder her, eben doch im ordentlichen Deutschland. Kritik an rostendem Stacheldraht und wucherndem Gestrüpp wurde laut, die Mordmaschine wurde ästhetisiert.

Heute stehen von der alten Berliner Mauer nur noch minimale Restbestände. Pädagogen, gewisse Politiker und Historiker bedauern das. Was sie oft nicht wissen: Verantwortlich für den nach Briese «orgiastischen Abrisseifer» waren vor allem die DDR-Grenztruppen selber. Viele ihrer Offiziere träumten von einer Karriere als Abriss-Spezialisten im kapitalistischen Westen und wollten sich durch die Zerstörung ihres eigenen Werkes profilieren. Dies ging zwar gründlich schief. Doch die Mauer, dieses in Jahren errichtete, fürchterliche Symbol der Unterdrückung und der Trennung, wurde in wenigen Wochen praktisch vollständig beseitigt.
http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/i ... 76306.html
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Merkur » 13. August 2011, 10:49

Einen hab ich noch:

Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke

für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa

für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen

für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit

für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und »Tafeln«

für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen

für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt

für 28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen

für 28 Jahre Club Cola und FKK

für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken

für 28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin

für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe

für 28 Jahre munteren Sex ohne »Feuchtgebiete« und Bild-Fachwissen

für 28 Jahre Bildung für alle

Quelle: Junge Welt vom 13.08.2011
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon karl143 » 13. August 2011, 11:12

Merkur hat geschrieben:Einen hab ich noch:

Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa
wenn die DDR dies beansprucht, dann gilt dasselbe für die Bunderepublik, wenn aber die Friedenssicherung durch jährliche Militärparaden gewährleistet wurde, hat wohl die DDR das alleinige Anrecht darauf

für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen
Auch die alte Bundesrepublik war in dieser Zeit in keinem Auslandseinsatz - die Zeiten haben sich verändert.

für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit
dafür 28 Jahre eine Wirtschaft die künstlich am Leben gehalten wurde und eigentlich den Staat in den Abgrund riss - Mangelwirtschaft über den größten Teil des Bestehens der DDR

für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und »Tafeln«
dafür ganze Stadtteile, die dem Verfall preisgegeben waren, Wohnungen nach Zuweisung, verfallene Wohnungen

für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen
man brauchte ja die Frau an der Werkbank, man brauchte aber auch Nachwuchs, da waren die Krippenplätze logische Konsequenz

für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt
das ist wirklich kein Glanzstück, aber wir leben nun mal in einer Demokratie, dafür kein Gefängnis wenn ein Mensch laut denkt

für 28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen
verdrehte Geschichte nach Vorgaben der SED, Bücher- und Filmverbote wie zu Zeiten der Nazis

für 28 Jahre Club Cola und FKK
FKK gab es hier auch, wer wollte konnte auch - und Coca Cola schmeckt mir ehrlich gesagt auch viel besser, aber das ist Geschmackssache

für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken
richtig, dafür eine Währung die nichts Wert war, Intershops für Priveligierte und Bonzen - die Waren des "Klassenfeindes" als Belohnung

für 28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin
ich kenne genug Fälle, wo Besucher aus dem Westen Medikamente für Verwandte oder Bekannte in die DDR mitnahmen, weil diese dort nicht erhältlich waren - eine Zweiklassenmedizin bestand dadurch, das derjenige, welcher Westkontakte hatte, Vorteile in der Medizinbeschaffung hatte

für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe
das ist jetzt so richtig Propaganda auf dem niedrigsten Niveau und menschenverachtend - 28 Jahre ständiger Verstoß gegen Menschenrechte, Folter wie bei den Nazis - wie kann man nur auf so einen Vergleich kommen ?

für 28 Jahre munteren Sex ohne »Feuchtgebiete« und Bild-Fachwissen
wer will darüber urteilen ? Die DDR hatte eine der höchsten Scheidungsraten in Europa

für 28 Jahre Bildung für alle
wieso, jetzt nicht, liegt es nicht daran, das heute viele garnicht wollen. Die Bildung nach Vorgaben in poitischer Richtung, unwahr und zum Teil voller Lügen. Mit Absicht verdrehte Geschichte als Konsum für das Volk

Quelle: Junge Welt vom 13.08.2011


Ich habe meine Gedanken dazu mal gleich darunter gesetzt. Eigentlich sind Zeilen der "Jungen Welt" es garnicht Wert, überhaupt beachtet zu werden.
karl143
 

Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon vs1400 » 13. August 2011, 11:37

Merkur hat geschrieben:Einen hab ich noch:

Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke, dass dieser spuk endlich vorbei ist.


so, nun gefällt mir dein post um klassen besser.

gruß vs
vs1400
 

Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Berliner » 13. August 2011, 13:29

Hallo Merkur, vielen Dank. [rose]

Merkur hat geschrieben:Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke

für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa

für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen

für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit

für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und »Tafeln«

für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen

für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt

für 28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen

für 28 Jahre Club Cola und FKK

für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken

für 28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin

für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe

für 28 Jahre munteren Sex ohne »Feuchtgebiete« und Bild-Fachwissen

für 28 Jahre Bildung für alle

Quelle: Junge Welt vom 13.08.2011


Alles gute Ziele, ohne Frage. Nur im Falle von Hubertus Knabe wuerde ich einfach behaupten, dass Hohenschoenhausen fuer ihn der Ansporn ist. Gaebe es kein Hohenschoenhausen, gaebe es keinen Hn. Knabe.

Hier gilt es mMn nuechtern zu hinterfragen, welche Gesellschaft am Ende ihre Ziele am Besten erreicht hat.

Dass die jetztige Gesellschaft nicht perfekt ist, ist erweisen, aber das Volk hat abgestimmt. Es wollte keiner die Mauer zurueck. Wieso ?

Nochmals Danke, Merkur ! [knuddel]

Berliner [hallo]
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon dein1945 » 13. August 2011, 17:27

karl143 hat geschrieben:
Merkur hat geschrieben:Einen hab ich noch:

Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa
wenn die DDR dies beansprucht, dann gilt dasselbe für die Bunderepublik, wenn aber die Friedenssicherung durch jährliche Militärparaden gewährleistet wurde, hat wohl die DDR das alleinige Anrecht darauf

für 28 Jahre ohne Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen
Auch die alte Bundesrepublik war in dieser Zeit in keinem Auslandseinsatz - die Zeiten haben sich verändert.

für 28 Jahre ohne Hartz IV und Erwerbslosigkeit
dafür 28 Jahre eine Wirtschaft die künstlich am Leben gehalten wurde und eigentlich den Staat in den Abgrund riss - Mangelwirtschaft über den größten Teil des Bestehens der DDR

für 28 Jahre ohne Obdachlosigkeit, Suppenküchen und »Tafeln«
dafür ganze Stadtteile, die dem Verfall preisgegeben waren, Wohnungen nach Zuweisung, verfallene Wohnungen

für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen
man brauchte ja die Frau an der Werkbank, man brauchte aber auch Nachwuchs, da waren die Krippenplätze logische Konsequenz

für 28 Jahre ohne Neonaziplakate »GAS geben« in der deutschen Hauptstadt
das ist wirklich kein Glanzstück, aber wir leben nun mal in einer Demokratie, dafür kein Gefängnis wenn ein Mensch laut denkt

für 28 Jahre Geschichtswissenschaft statt Guidoknoppgeschichtchen
verdrehte Geschichte nach Vorgaben der SED, Bücher- und Filmverbote wie zu Zeiten der Nazis

für 28 Jahre Club Cola und FKK
FKK gab es hier auch, wer wollte konnte auch - und Coca Cola schmeckt mir ehrlich gesagt auch viel besser, aber das ist Geschmackssache

für 28 Jahre ohne Hedgefonds und Private-Equity-Heuschrecken
richtig, dafür eine Währung die nichts Wert war, Intershops für Priveligierte und Bonzen - die Waren des "Klassenfeindes" als Belohnung

für 28 Jahre ohne Praxisgebühr und Zwei-Klassen-Medizin
ich kenne genug Fälle, wo Besucher aus dem Westen Medikamente für Verwandte oder Bekannte in die DDR mitnahmen, weil diese dort nicht erhältlich waren - eine Zweiklassenmedizin bestand dadurch, das derjenige, welcher Westkontakte hatte, Vorteile in der Medizinbeschaffung hatte

für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe
das ist jetzt so richtig Propaganda auf dem niedrigsten Niveau und menschenverachtend - 28 Jahre ständiger Verstoß gegen Menschenrechte, Folter wie bei den Nazis - wie kann man nur auf so einen Vergleich kommen ?

für 28 Jahre munteren Sex ohne »Feuchtgebiete« und Bild-Fachwissen
wer will darüber urteilen ? Die DDR hatte eine der höchsten Scheidungsraten in Europa

für 28 Jahre Bildung für alle
wieso, jetzt nicht, liegt es nicht daran, das heute viele garnicht wollen. Die Bildung nach Vorgaben in poitischer Richtung, unwahr und zum Teil voller Lügen. Mit Absicht verdrehte Geschichte als Konsum für das Volk

Quelle: Junge Welt vom 13.08.2011


Ich habe meine Gedanken dazu mal gleich darunter gesetzt. Eigentlich sind Zeilen der "Jungen Welt" es garnicht Wert, überhaupt beachtet zu werden.


Hallo Karl

Danke Dir für diese Antworten, besser konnte man nicht antworten. Nur schade das die "Junge Welt", dieses EX-Organ der FDJ auch zum 50 Jahrestag des Mauerbau noch so einen Quatsch schreibt !

Grüße aus Berlin, ich schau Heute den ganzen Tag in die Röhre und staune immer wieder was sich diese kaputte "DDR" alles einfallen ließ.
Man(n) muß wissen wenn Schluß ist !
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon 17.Juni » 13. August 2011, 18:04

Hallo liebe Forengemeinde,

es gibt ihn noch den 17. Juni ! Und an so einem denkwürdigen Tag wie den 13. August muß ich mich ganz einfach wieder mal melden um einige Zeilen hier wieder zu verfassen.
Ist dieser Tag den überhaupt ein Tag an den man denken sollte ?
Ich, und nicht nur ich finden meinen und sagen dies auch laut Ja.
Was da vielen Menschen mit dem Bau einer Mauer angetan wurde ist bis heute noch nicht so richtig fassbar. Dass überhaupt Menschen auf eine so wahnwitzige Idee gekommen sind, ein ganzes Land mit einer Mauer zu retten ist schon nicht fassbar bzw. mit dem normalen Menschenverstand erklärbar. Und wenn man dann noch auf Deutsche von Deutschen an dieser Grenze geschossen wird, bedarf es schon einer sehr großen Phantasie um das zu begreifen geschweige denn zu verstehen.
In zahlreichen Medien wird ja darüber ausführlich berichtet und auch an diesen Tag gedacht. Dies soll nicht der Gegenstand meiner Zeilen heute hier sein. Mich beschäftigen viel mehr die menschlichen Denkweisen mancher Autoren bzw. jener Menschen denen wir dieses 28 jährige Desaster zu verdanken haben.
Würde bzw. könnte man diese Menschen im Nachhinein psychisch untersuchen lassen, so würde diesen Menschen wohl kaum eine Normalität an Verstand und Geist bescheinigt werden können. Aber leider ist das nicht mehr möglich bzw. würde unser Gesundheitswesen noch mehr strapazieren als es eh schon ist und ich mag bezweifeln ob es überhaupt so viele Psychiater für solch ein Fachgebiet gibt. Das die Dummheit des Nichtverstehens ansteckend ist, ist mir beim lesen bestimmter Beiträge zu diesem Geschichtsthema auch neu. Aber die Gedanken sind ja bekanntlich frei und auch haben wir Gott sei`s gedankt, wieder eine Meinungsfreiheit und eine Pressefreiheit. Aber, so frage ich mich, muss mann denn seine eigene Dummheit so zur Schau stellen ? Täte man nicht besser gut daran diese lieber im stillen Kämmerle und ganz für sich preisgeben.
Bekanntlich benötigt der Mensch zum Denken Zellen. Sollte da etwa schon der Grund für solche Denk – und Handlungsweisen damals wie heute liegen ? Und damit die Kommunikation zwischen den einzelnen Gehirnzellen stattfinden kann, fliesen ganz schwach Ströme. Waren bzw. sind die Ströme zu schwach gewesen um überhaupt eine Kommunikation stattfinden zu lassen ? All diese Fragen stellen sich mir, wenn ich so die Worte von ewig Gestrigen lesen.
Sollte es einen lieben und guten Menschen hier im Forum geben der mir hilft meine Fragezeichen über meinem Kopfe abzubauen, der möge sich doch bitte bei mir melden.
Ewiger Dank ist ihm gewiss……..

In diesem Sinne…….
17.Juni
 

Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Edelknabe » 13. August 2011, 19:46

Da bin ich schon 17. Juni, ich eilte herbei um deine Gedanken vielleicht auf den richtigen Weg zu bekommen.Du urteilst in deinem Vortext hart, unterstellst dem Andersdenkenden keine Normalität an Geist und Verstand aber dir schon, warum eigentlich? Hattest du denn mit deinem Weg den richtigen Weg beschritten?
Und es stimmt, die Dummheit des Menschen nimmt zu aber schon wieder klammerst du dich aus, warum eigentlich?
Schon wieder neue Fragen und zuviele Warum. Aber so sind wir Menschen, wir meinen doch und da schließe ich mich auch nicht aus...wir, nur wir alleine wissen es...so sinngemäß jetzt einmal ausgedrückt. Dabei wissen wir nichts oder sagen wir besser nicht so viel....vom Anderen vielleicht, von seinen Wünschen, Gedanken, Träumen, Vorstellungen, Lieben oder Vorlieben, Sehnsüchten, Zielen
Schon diese Vermessenheit ist sträflich, diese Vermessenheit zu sagen..."So und nur so war es richtig und Jeder, der dies nicht so gesehen hatte, der handelte falsch.
Na nun habe ich doch noch mehr Fragezeichen hingeworfen und auch an Karls Gegentexten zu Merkurs Link konnte man es sehr schön sehen..."wir lassen doch nur eines gelten, unsere Vermessenheit, wir gestehen dem Anderen...aber siehe mein Text oben.
Und nochmal ja, ich bin ja auch so Einer, ich meine doch meine Weltsicht wäre gut, für den Menschen gut aber der will das vielleicht garnicht, der Mensch, der will vielleicht was ganz Anderes? Wer weiß das schon?
Nu isse weg die Mauer aber ich glaube fast, die Mauer in unseren Köpfen wächst dagegen ganz schön an, das gefährliche ist weiterhin, mit der Mauer sind nun auch die Zügel verschwunden, es herrscht also Zügellosigkeit im weiteren Sinne unter der Menschheit, die stellt sogar die ganz normale menschliche Erziehung auf den Kopf, also das Kind belehrt wohl balde die Mutter, die Tochter den Vater, der Enkel den Großvater...oh oh wenn das mal nicht nach hinten losgeht und so ein bißchen angefangen hat es doch schon...oder?

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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Danny_1000 » 13. August 2011, 20:26

Aber mal ganz ehrlich, @Merkur: Das mit den „Hohenschönhausen“ ist dann doch eine Nummer zu dick. Deswegen würde ich schreiben: Ab mit dem Artikel in die Tonne und den Hubertus gleich mit !

Festreden wurden ja heute sehr viele gehalten. Dass man an diesem Tage der Opfer gedenkt, die dieses unsägliche Bauwerk verursachte, geht für mich in Ordnung. Wenn die Massenflucht von DDR- Bürgern schon als historische Begründung für den Mauerbau herhalten muß, so ist das die eine Seite. Anstatt nach dem Mauerbau – insbesondere in den Jahren der Entspannung zwischen Ost und West – das hässliche Gebilde wieder los zu werden oder durchlässiger zu machen, setzten die Hardliner in Moskau und Ostberlin alles daran, ein perfides Grenzregime zu installieren und mit Unsummen an Volksvermögen ständig weiter auszubauen. Dass man dabei wissentlich zahlreiche Tote in Kauf nahm und die Umstände der Vorfälle mit viel Aufwand vertuschte, war der traurige Höhepunkt dieser gesamten Entwicklung. Das sind einige meiner Einsichten von heute zu diesem Thema.

Fakt ist aber auch: Der Bau der Mauer war die letzte von zahlreichen Spaltungsmaßnahmen in den Jahren davor, die keineswegs alle von der DDR / Sowjetunion ausgingen. Diese Vorgeschichte der Mauer findet in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Beachtung. Sie wird einfach ausgeblendet. Und an deren Stelle setzen die heutigen Meinungsmacher um Knopp, Knabe, Schröder und Co. eine einfache und sehr westlich geprägte Sichtweise der Ereignisse, wie etwa: Im Osten saßen die Bösen und im Westen die Guten. Das ist nicht nur Propaganda vom feinsten (Wir im Osten haben da eine Ader, wenn es um die Massenverdummung ging.) sondern auch zutiefst unhistorisch.

Manche Wahrheiten brauchen eben etwas länger. Aber sie werden sich durchsetzen. Und dann wird man noch weitere Kapitel, warum wir Deutschen uns eigentlich ließen, neu schreiben müssen.

Abschließen möchte ich meine Betrachtungen mit dem Zitat eines zutiefst weitsichtigen und geschichtsbewussten Mannes:
Zitatanfang: “….Wie ein mahnendes Monument steht dieser Reichstag an der Mauer…..Aber es gäbe diese Mauer nicht ohne den 30.Januar 1933. ..“ Zitatende

Diese historische Wahrheit formulierte unser damaliger Bundespräsident Richard von Weizäcker 1983 im Reichstag. Spätestens hier aber ist die Geschichte der deutschen Teilung nicht nur die Schandtat einer bornierten DDR- Führungsriege sondern eben gesamtdeutsche Geschichte. Das wäre übrigens ein guter Einstieg für viele Festreden von heute gewesen…..

Ein angenehmes Wochenende
Danny
Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben
dafür einsetzen, dass du es sagen darfst !
(Evelyn Beatrice Hall 1868; † nach 1939)
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon vs1400 » 13. August 2011, 20:38

hallo Danny,

danke für dein post!

gruß vs
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon manudave » 14. August 2011, 07:51

Ich empfinde es nicht als falsch, wenn auf das Jahr 1933 im Zusammenhang mit dem Mauerbau hingewiesen wird.
Mache ich immer... Ist ja nunmal einfach nur eine zeitliche Reihenfolge, die in Zusammenhang steht.
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: 50 Jahre Mauerbau

Beitragvon Interessierter » 14. August 2011, 08:26

Der Erwähnung des Jahres 1933 um Abfolge und Zusammenhänge zu erklären kann ich auch nur beipflichten.
Wenn solche Zusammenhänge aber mißbraucht werden, um begangenes, menschenverachtendes Unrecht zu rechtfertigen, dann ist der Sinn einer solchen Erwähnung verfehlt.
Sonst kommt letztendlich einer mit dem Verweis auf " Adam und Eva " und schreibt: Hätte Eva nicht in den Apfel gebissen, säßen wir alle noch nackt im Paradies und es hätte die Mauer nicht gegeben . ( Ironie aus )

[rose]
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