Ein Gedanke abseits der Details:
Appeasement als Mittel der Vernunft ist m.E. der Normalfall des außenpolitischen Handelns.
Das funktioniert üblicherweise besser als Eskalation und hätte am Vorabend des 1. Weltkriegs die große Katastrophe verhindert.
Das war vor diesem Hintergrund allen Akteuren bewusst.
Peter Neville - Hitler an Appeasement* - hat ein sehr lesenswertes Buch über die Friedensbemühungen von Neville Chamberlain geschrieben.
Eigentlich fasst er den Grund für das Scheitern dieser Politik sehr knapp zusammen: Hitler war nicht "appeasable".
Und das scheint mir ein ungewöhnlicher und nicht einfach erkennbarer Umstand zu sein.
Man hat später Chamberlain Schwäche vorgeworfen, hat ihn als 'funny man with umbrella' karikiert und als 'guilty man' verachtet.
Was er indes machte war der ehrenwerte Versuch den Frieden zu wahren.
Wenn man ihm was vorwerfen will, dann, dass er den unbedingten Kriegswillen Hitlers zunächst nicht erkannte.
Das Münchner Abkommen war ein Fiasko, denn entgegen der Aussage Chamberlains bei seiner Rückkehr aus München, der Friede sei gesichert, war das eher einer der Steine, die die Grundlage des folgenden Krieges bildeten.
Das ist nicht nur die Sicht von jemand, der weiß, wie die Geschichte gelaufen ist, das war auch die Sicht mancher schon damals. So erklärte der tschechoslowakische Außenminister Krofta am 30. September 1938 gegenüber britischen, französischen und italienischen Gesandten u.a. Folgendes:
"Wir unterwerfen uns und werden uns bemühen, unserem Volk ein ruhiges Leben zu sichern. Ich weiß nicht, ob von dieser in München getroffenen Entscheidung Ihre Länder Vorteil haben werden. Allein, wir sind nicht die letzten, nach uns werden andere betroffen werden."
Dabei reisten Chamberlain und Daladier nach München schon in der Absicht, Hitler zu geben, was er verlangte. Und sie versprachen Resttschechoslowakei eine internationale Bestandsgarantie, die sie aber "vergaßen", als sich Hitler nicht einmal ein halbes Jahr später auch den Rest Tschechiens einverleibte....