Im Ergebnis einer Anzeigenprüfung wegen des Verdachts der Begehung strafbarer Handlungen während einer Tanzveranstaltung am 25. Dezember 1987 in der KONSUM-Gaststätte Görmin/Demmin/Neubrandenburg wurden am 13. Januar 1988 wegen öffentlicher Herabwürdigung und Rowdytum (1) gegen fünf jungerwachsene DDR-Bürger (Alter zwischen 18 und 20, Facharbeiter, Lehrling, eine Person wegen Rowdytum vorbestraft) Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehle erlassen.
Die bisher geführten Untersuchungen ergaben:
Am 25. Dezember 1987, um 19.00 Uhr begann eine Tanzveranstaltung in der genannten KONSUM-Gaststätte, bei der ca. 180 Personen, vorwiegend Jugendliche, anwesend waren. An dieser Tanzveranstaltung beteiligten sich auch ca. 15 Jugendliche, die sich als sogenannte Fanclubmitglieder des FC Hansa Rostock beziehungsweise Fanclubmitglieder Udo Lindenbergs bezeichnen. Durch diese Personengruppe wurden größere Mengen Alkohol getrunken.
Gegen 21.00 Uhr wurde der Diskotheker von einer Person aus dieser Gruppe aufgefordert, Lieder von Udo Lindenberg zu spielen, was dieser nach Konsultation mit dem Gaststättenleiter ablehnte. Daraufhin stimmte eine weitere Person aus diesem Kreis Lieder von Udo Lindenberg, deren Texte sich gegen die Staatsgrenze der DDR zu Westberlin richteten, an, die von den anderen sogenannten Fanclubmitgliedern mitgesungen wurden.(2)
Einige Jugendliche dieses Personenkreises riefen während der Veranstaltung mehrfach »Skandale, Bambule, Rechtsradikale, Vandale, heute machen wir Kristallnacht« sowie wiederholt laut »Deutschland erwache, Deutschland, Deutschland über alles und Ausländer raus«.
Darüber hinaus äußerten sie wiederholt: »Wir sind Neonazis, wir wohnen in der Zone, Juden raus, Heil Hitler, es leben die Skinheads, Ausländer raus, wir brauchen keinen Führer und keinen Generalsekretär, Deutschland, Deutschland über alles und in 15 Minuten sind die Russen auf dem Kurfürstendamm.«
Da zwischen 21.30 Uhr und 21.45 Uhr insbesondere die ca. 15 Jugendlichen verstärkt dazu übergingen, Flaschen im Saal zu zerschlagen, den Diskotheker zu bedrängen, Lindenberg-Lieder zu spielen sowie andere Jugendliche zu provozieren, wurde durch den Gaststättenleiter die Veranstaltung abgebrochen und die Deutsche Volkspolizei verständigt. Nach dem Eintreffen von Kräften der Deutschen Volkspolizei gegen 22.00 Uhr hatten bis auf ca. 15 Jugendliche alle anderen Personen die Gaststätte verlassen. Beim Erscheinen der VP-Angehörigen entfernten sich auch diese Jugendlichen, ohne weitere Handlungen zu begehen.
Die bisher ermittelten Täter motivieren ihre Handlungen damit, verärgert gewesen zu sein, weil vom Diskotheker keine Lieder von Udo Lindenberg gespielt wurden.
Schwerpunkte der weiteren Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens bilden die vollständige Aufklärung des insgesamt beteiligt gewesenen Personenkreises, der den Handlungen der Täter zugrunde liegenden tatsächlichen Motivation und die Feststellung des entstandenen Sachschadens sowie die Festlegung und Durchführung wirksamer Maßnahmen zur öffentlichkeitswirksamen Auswertung des Vorkommnisses.
(1) Öffentliche Herabwürdigung nach § 220 StGB: Der Strafrahmen war weit gesteckt: von einem öffentlichen Tadel, über eine Geldstrafe bis hin zu 3 Jahren Freiheitsentzug – ebenso § 215/216 StGB (Rowdytum): Strafrahmen von Geldstrafe bzw. Bewährung bis zu 5 Jahren Gefängnis.
(2) Im Titel »Mädchen aus Ostberlin« singt Lindenberg über seine Traurigkeit, sich kurz vor 12 von seiner Liebsten trennen zu müssen, um pünktlich am Grenzübergang zu sein und über seine Hoffnung, dass diese durch das Grenzregime verursachte »Nerverei« irgendwann ein Ende hat.
Info Nr. 25/88 vom 14.1.1988
14. Januar 1988
Information Nr. 25/88 über rowdyhafte Verhaltensweisen jungerwachsener DDR-Bürger in Görmin, Kreis Demmin
Quelle: BStU, MfS, ZAIG 3630, Bl. 1–3 (10. Expl.).
Serie: Informationen.
Verteiler: Honecker, Krenz, Dohlus, Herrmann, Dickel – MfS: Mittig, HA XX, BV Neubrandenburg/Leiter, ZAIG/1, Ablage.
Auch so etwas gab es in der DDR. Man beachte den Verteiler.