Intershop, Stasi und Soljanka: Michendorf war der Inbegriff der Transitraststätte während der deutschen Teilung. Hier saßen Ost und West an einem Tisch – nebeneinander und doch fremd. Stets hatte die Stasi ein Auge auf die pausierenden Autofahrer. Wenn es Ihnen zu bunt wurde, griffen die Agenten ein.
Dort, wo heute der Rasen wächst, stand vergangenes Jahr noch ein Klinkerbau von 1938, in T-förmigem Grundriss: die Raststätte Michendorf Süd. Typ "Landhausstil" mit Walmdach, von dem in den 30er-Jahren mehrere errich-tet worden waren, mit wohlproportioniertem Vordach, ein Klassiker. Immer kleiner wurde das Haus über die letzten Jahre neben dem, was rechts und links davon heranwuchs, der neue Fast-Food-Palast, Lärmschutzwand, die neue Tankstelle, die allein groß wie ein Fußballfeld. Die Autobahn wurde immer breiter, fraß sich näher an das Vordach der alten Tankstelle heran, Spur um Spur. Zuletzt, da jetzt eine weitere hinzukommen soll, stand alles nur noch im Wege. Der Denkmalschutz kam zu spät und hätte sowieso keine Chance mehr gehabt.
Drei Tage dauerte es im Sommer vor einem Jahr, und die alte Raststätte Michendorf war platt, spurlos verschwunden. Fast spurlos: Dort, wo einst der Brunnen der Raststätte war, ragt jetzt ein rotes Rohr aus dem Rasen, letztes Überbleibsel der einstigen Transitraststätte, der einzigen, an der alle Autobahnstrecken zwischen West-Deutschland und West-Berlin entlangführten, in der Bürger aus der BRD und der DDR bisweilen gemeinsam zu Tische saßen.
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