DDR-Werbung - König Kunde kauft im KonsumFetthering in Südweinmarinade oder "Eg-Gü"-Schuhcreme: Sex-Appeal versprühten DDR-Produkte nur selten, unters Volk mussten sie trotzdem - der einzige Grund, warum es im Realsozialismus überhaupt Reklame gab. Die war dafür schön bunt, wie ein Streifzug durch die Werbewelt der Ex-DDR zeigt. Wer raus aus der DDR wollte, kam an ihnen nicht vorbei: Tourina und Tourino waren zwei freundliche Holzmännchen. Eines in Orange mit Turmfrisur und gelbem Bleistiftrock, das andere in Blau mit Pfeife im Mund und Koffer in der Hand. Das putzige Pärchen zierte einst die Schaufenster der DDR-Reisebüros und warb für Auslandsreisen - grotesk in einem Land, dessen Bürger, wenn überhaupt, nur in die Ostblockländer reisen durften.
Und weshalb wirbelten in den fünfziger Jahren die drolligen Mux-Männer mit ihren riesigen Augen über die Fernsehbildschirme im Osten, um für das Insektenvernichtungsmittel Mux zu werben - wenn es doch nur das eine gab? Und warum gab es Reklame für den Trabi, wenn angeblich ohnehin alle nach dem Gefährt lechzten und trotzdem jahrzehntelang darauf warten mussten? Warum also gab es überhaupt Werbung im real existierenden Sozialismus? Gehört es doch zu der genuinen Aufgabe von Reklame, Überfluss zu vermarkten und Bedarf zu wecken. Wie soll Werbung - in der Definition des Konsumkritikers Vance Packard die "Kunst, auf den Kopf zu zielen und die Brieftasche zu treffen" - in einer Planwirtschaft funktionieren, wo die Portemonnaies leer sind, der Mangel den Alltag prägt und alle Güter gerecht aufgeteilt werden sollen?
"Hühnerfleiß zum Sommerpreis"Und doch hat es Werbung in der DDR gegeben - und das sogar nicht zu knapp, wie eine Ausstellung des Dokumentationszentrums Alltagskultur in der DDR zeigt, die derzeit im Westsächsischen Textilmuseum Crimmitschau zu sehen ist. Reklame verfolgte den DDR-Bürger auf Schritt und Tritt, prangte auf Zeitungsseiten und Litfasssäulen, lief im Radio und im Deutschen Fernsehfunk. Zwar war sie nicht so glamourös und grell wie im Westen und fast völlig frei von Erotik und Exotik - aber dennoch erfinderisch genug, um ein wenig Farbe in das sozialistische Grau zu tupfen.
Allerdings hatte Werbung in der DDR eine völlig andere Aufgabe als beim Klassenfeind: Im Osten ging es nicht darum, die Konkurrenz mit immer tolleren Ideen auszustechen - das Ziel bestand vor allem darin, Ladenhüter loszuwerden, also das Kaufverhalten der Menschen zu steuern und pädagogisch auf sie einzuwirken.1958 etwa, als es nach Jahren der Entbehrung plötzlich Eier im Überfluss gab, forderte der Staat "Hühnerfleiß zum Sommerpreis - nimm eins mehr" und versuchte, die Konsumenten mit dem originellen Slogan "Ei und Ei ist vielerlei" zum Cholesteringenuss zu bewegen. Der Grund war schlicht: Die großen Kombinate für industrielle Mast hatten einfach zu viele Käfige gebaut; Überkapazitäten abbauen, lautete deshalb in diesem Fall die Weisung an die Werbemacher.Spezitex-Detektiv, Robby Soemtron, Korbine FrüchtchenUm andersherum die Warenknappheit in den Griff zu bekommen, wurde für das reichlich vorhandene, aber in der Regel unbeliebte Surrogat geworben: etwa für Margarine, wenn es zu wenig Butter gab, oder für Fisch, wenn das Fleisch ausverkauft war. Mit dem Ziel, endlich mehr von dem wenig populären Fisch in die Fleischtöpfe der Bürger zu bekommen, wurde 1960 gar eine eigene TV-Sendung lanciert. Ihr Titel: "Fisch auf den Tisch".
Mit Rezepten wie "Fetthering in Südweinmarinade" versuchten die Werbeprofis die ostdeutschen Gaumen zu kitzeln - ohne großen Erfolg: Die Bürger pfiffen auf Slogans wie "Jede Woche zweimal Fisch, hält gesund, macht schlank und frisch" und zogen trotz aller staatlichen Lenkungsversuchen weiterhin Schweinebraten vor.https://www.spiegel.de/geschichte/ddr-w ... 48573.htmlSchon sehr merkwürdige " Werbung ", oder?