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Wie der Mathematiker Helmut Sonnenschein verschwand

BeitragVerfasst: 16. Mai 2021, 13:30
von Interessierter
Jahrzehntelang suchte ihn seine Familie. Nun erinnert die Initiative "Die Letzte Adresse" an den ermordeten Helmut Sonnenschein. Doch das Gedenken an Stalins Willkür-Opfer stößt in Deutschland mitunter auf Ablehnung.

Am 16. November 1950, einem Donnerstag, klingelte ein Mann am Haus des Mathematikers Dr. Helmut Sonnenschein. Er stellte sich als Mitarbeiter des Wohnungsamtes vor und kündigte Einquartierungen an. Die Familie in Naumburg an der Saale solle eines ihrer vier Zimmer abgeben. Helmut Sonnenschein wies darauf hin, dass bei ihnen schon sein Vater und die Stiefmutter seiner Frau lebten, zudem erwarte seine Gattin ihr drittes Kind. Der Mann forderte Sonnenschein auf, ihn zur Klärung des Sachverhalts aufs Rathaus zu begleiten. Zusammen stiegen sie in eine Limousine.

Es war das letzte Mal, dass Hildegard Sonnenschein ihren Mann sah, und der damals sechsjährige Henk seinen Vater. Darauf folgten Jahrzehnte quälender Fragen, immer wieder aufflammender Hoffnungen, verzweifelten Suchens und Bangens.

Im fast 2000 Kilometer entfernten Moskau rief der russische Journalist Sergej Parchomenko 63 Jahre später mit der Menschenrechtsorganisation Memorial ein Projekt ins Leben: "Die letzte Adresse" erinnert an Menschen, die zwischen 1918 und 1991 unter dem Sowjetregime verschwanden. Tafeln aus verzinktem Stahl markieren seither die letzte Wohnstätte von Ermordeten in Russland, ebenso in der Ukraine und Georgien.

70 Jahre nachdem Helmut Sonnenschein die Villa an der Kösener Straße 7 durch das Gartentor verlassen hatte, wird nun auch sie zur "Letzten Adresse". Eine langwierige, mühsame Recherche brachte der Familie die Erkenntnis, dass der lange Arm Moskaus bis nach Naumburg reichte - und dass Helmut Sonnenschein unverschuldet den Tod fand.


Mühsam ist heute allerdings auch die Überzeugungsarbeit, dass es in Deutschland im Jahre 2020 richtig ist, Opfer der stalinistischen Gewaltherrschaft öffentlich zu gedenken.

Weitere Details und diverse Fotos findet man hier:
https://www.spiegel.de/geschichte/warum ... 3e8a811fb6

Re: Wie der Mathematiker Helmut Sonnenschein verschwand

BeitragVerfasst: 16. Mai 2021, 13:44
von augenzeuge
Erschütternd!
Die Mutter habe keine Ruhe gegeben - "bis man ihr sagte, wenn sie weitermache, verschwinde sie auch".


AZ

Re: Wie der Mathematiker Helmut Sonnenschein verschwand

BeitragVerfasst: 17. Mai 2021, 06:17
von Olaf Sch.
Die wollten den doch gar nicht umbringen, lag gar nicht im Interesse der jungen humanistischen DDR, dies können bestimmte Forenmitglieder literarisch bestätigen!