Der Gerichtsmediziner Otto Prokop und sein Verhältnis zur Stasi

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Der Gerichtsmediziner Otto Prokop und sein Verhältnis zur Stasi

Beitragvon augenzeuge » 5. Mai 2024, 13:24

Otto Prokop gilt als einer der führenden Rechtsmediziner des vergangenen Jahrhunderts. Der Österreicher war Lehrstuhlinhaber an der berühmten Charité – mitten im Kalten Krieg. Er selbst hielt sich für einen der Wahrheit verpflichteten Wissenschaftler und damit für völlig unpolitisch. Doch konnte ein Mann in solch einer Position wirklich jenseits politischer Zwänge arbeiten?


Nach dem Krieg war der gebürtige Österreicher zunächst in Bonn sesshaft geworden, wo er seine wissenschaftliche Karriere begann. 1957 wechselte er mitten in der heißen Phase des Kalten Krieges aus dem Westen in den Osten. Gemeinsam mit seiner Frau ging er von Bonn nach Berlin und wurde dort Direktor des bekannten Instituts für Gerichtsmedizin in der Hannoverschen Straße.

Politik war beim Wechsel von Bonn nach Berlin vermutlich nicht im Spiel. Prokop stammte aus einer wohlhabenden Intellektuellen-Familie. Bei dem Umzug nach Ostberlin ging es auch um interfamiliären Wettstreit, wer von den Prokop-Brüdern wo Karriere macht - und das Institut in Berlin war weltbekannt.


Ein gegen den Mediziner gerichtetes Wirken der Staatssicherheit ist nicht zu erkennen. So ließ die Stasi Prokop gewähren, als er auf eigene Faust Blutprodukte herstellte, um sie im Westen gegen Devisen zu verkaufen. Sein Institut brauchte dringend Geld – für Technik, selbst für Kopierpapier. Prokop wollte die eigene Forschung trotz der wirtschaftlichen Misere am Laufen halten. Doch auch angesichts der enormen Probleme hielt Prokop weiter zur DDR. So versuchte er zu verhindern, dass eine Sekretärin in den Westen ausreisen konnte. Er kritisierte außerdem Berufskollegen, die die Zustände im Gesundheitswesen nicht mehr aushielten und in die Bundesrepublik flüchteten. Das sei gegen den Ethos des Arztes.

Kritik an der medizinischen Misere in der DDR
Dabei war Prokop die Lage der DDR durchaus bewusst. Rein von der technischen Ausstattung in seinem Forschungsfeld, so klagte er in den 1980er-Jahren, sei die DDR 20 Jahre hinter dem Westen zurück. Die Lage sei "katastrophal".

Natürlich hatte die Stasi auch einen Informanten, der sie über Prokop selbst regelmäßig informierte. Prokops Assistent, "Referent" und Fahrer unterstützte die Stasi als IM Schöbel. Ob Prokop davon wusste, ist unklar. Zumindest unterscheiden sich die Berichte des IM wesentlich von anderen Spitzelberichten: Sie sind stets wertschätzend in Bezug auf Prokop.
https://www.mdr.de/geschichte/ddr/polit ... t-100.html

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Re: Der Gerichtsmediziner Otto Prokop und sein Verhältnis zur Stasi

Beitragvon pentium » 5. Mai 2024, 13:34

Siehe dazu auch: Otto Prokop- ein Österreicher in der DDR hier im Forum
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