Wie die Stasi und der KGB Bibelschmuggler jagten

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Wie die Stasi und der KGB Bibelschmuggler jagten

Beitragvon Interessierter » 30. April 2021, 10:49

Weil die Verbreitung christlicher Literatur in der Sowjetunion stark limitiert war, suchten Missionen im Westen illegale Wege in den Osten. Das rief die Geheimdienstler der Stasi und des KGB auf den Plan.

Neubrandenburg ·

Gerd Bambowsky hatte viel Decknamen beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Der Einfachheit halber wurde er als „Gerd” geführt, außerdem als „Heinz Wendland” und „Kornelius Hammer”. Die Vielzahl der Tarnnamen deutet darauf hin, dass Bambowsky einer der „Top-Spione” des MfS war, wie die Autorin Ann-Kathrin Reichardt schreibt, die die zentrale Rolle des Spitzels bei der Beobachtung des Bibelschmuggels zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion ausführlich beschreibt. Seine geheimdienstlichen Aktivitäten können als exemplarisch dafür gelten, wie das MfS und der sowjetische Geheimdienst gemeinsam versuchten, den illegalen Import von christlicher Literatur in die UdSSR unter Kontrolle zu bringen.

Im Hauptberuf war Bambowsky in den 1960er Jahren in verschiedenen christlichen Missionsgesellschaften in der DDR tätig, um ab Anfang der 1970er Jahre in verschiedenen Gemeinden der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg als Pfarrer tätig zu sein. Seine vielen Kontakte zu Künstlern und Kirchenleuten in der DDR, aber auch zu Kirchenkreisen in der Bundesrepublik, machten ihn zunächst erst einmal verdächtig für die Stasi.

Stasi beobachtet ihren Spitzel anfangs

Seine außergewöhnlich große Reisetätigkeit führte zu Ermittlungen der Volkspolizei und der Stasi. Es bestehe der Verdacht, „als „Kurier im Gebiet der DDR tätig” zu sein und in „Verbindung mit westlichen Dienststellen” zu stehen, wie Reichardt in ihrem Band „Schmuggler, Spitzel und Tschekisten” schreibt. Der Vorwurf wurde schnell fallengelassen, kurz danach wurde Bambowsky als Geheimer Informator (GI), ab 1968 bis in die späten 1980er Jahre als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) geführt.

Interessant für das MfS war der Kirchenmann auch, weil er viele Kontakte zur Berliner Missionsgesellschaft, dem Gustav-Adolf-Werk in Leipzig sowie dem „Arbeitskreis für russische Kirchengeschichte” pflegte. Diese Organisationen wiederum standen mit Christen in der Sowjetunion im Kontakt, so dass Bambowsky vom MfS auch als entscheidender Mann zur Auskundschaftung des Bibelschmuggels in die Sowjetunion auserkoren wurde.

Diktaturen hatten Angst vor dem "Kontrollverlust"

Die illegale Einfuhr christlicher Literatur in die UdSSR war für den KGB von hoher Relevanz, was Autorin Reinhardt mit der Angst vor dem „Verlust des Kontrollmonopols” begründet, die allen sozialistischen Diktaturen eigen war. „In der für sie typischen Art der Selbstlegitimation betrachteten die kommunistischen Geheimdienste die unerlaubte Einfuhr christlicher Literatur als Form der 'politisch-ideologischen Diversion', als Versuch der westeuropäischen Staaten und der USA, mithilfe 'politisch-klerikaler Zentren' – als solche galten die westlichen Missionsgesellschaften – die ideologischen Grundlagen des sozialistischen Systems durch die Verbreitung religiöser Schriften und die Unterstützung freikirchlicher und lutherischer Gemeinden in der Sowjetunion aufzuweichen”, schreibt Reichardt.

Während die Publizierung christlicher Literatur in der DDR verhältnismäßig freizügig erlaubt war, war die Verbreitung in der Sowjetunion streng regelmentiert. Eine Ausnahme bildete der unter staatlicher Kontrolle stehende „Rat für religiöse Angelegenheiten”, in dem sich die russisch-orthodoxe Kirche einordnete. Kleinere Religionsgemeinschaften mussten dagegen immer wieder Restriktionen hinnehmen. Unabhängige Gemeinden, die keine Vereinbarungen mit dem Staat eingehen wollten, wurden vom Geheimdienst als „Untergrundgemeinden” behandelt, unter anderem zahlreiche Gemeinschaften der Evangeliumschristen, Baptisten, Mennoniten, Siebenten-Tags-Adventisten und deutsche Lutheraner. Sie hatten kaum eine Chance, legal an Bibeln geschweige denn an Druckgenehmgungen zu kommen. Deshalb waren diese Christen auf den illegalen Import angewiesen.

Stasi installierte ihre Spitzel

Zahlreiche Missionsgesellschaften in Westeuropa und den USA versuchten zu helfen. Der Transport erfolgte insbesondere über die DDR, wo es ein großes Netzwerk von Menschen gab, die mit den Bibelgesellschaften in Kontakt standen und zugleich oft auch Verbindungen in die Sowjetunion hatten, so dass der KGB auch die „Freunde” des MfS für die Beobachtung der Schmuggelwege mit ins Boot holte. Die Transportwege waren mannigfaltig: Touristen nahmen die Bibeln im Koffer mit. Literatur wurde im Boden von Wohnwagen transportiert. Auch in Lastern fanden sich immer wieder Verstecke. Die Schmuggler der Worte Gottes waren immer wieder kreativ. So spürten die Geheimdienstleute Bücher in Spielzeugautos oder aber in ostdeutschen Geschenkpaketen unter Spee- und Florenapackungen auf.

MfS und KGB platzierten allerdings etliche Agenten in dem illegalen Handelsnetz, beispielsweise eben Gerd Bambowsky, der sich über die Jahre viel Vertrauen bei den Partnern der christlichen Gemeinden in der Bundesrepublik, der DDR und der SU erschlichen hatte. 1977 machte er sich selbst mit einem Barkas nach Kiew auf, in dem Literatur, Drucktechnik und -material versteckt waren, die der bei Stuttgart ansässige Missionsbund „Licht im Osten” beschafft hatte. Weitere Reisen führten ihn immer wieder auch in die baltischen Staaten.

Tausende Bibeln wurden vernichtet

Bei den Adressaten kam dann in der Regel nur ein geringer Teil der christlichen Literatur an. Der große Rest fiel in die Hände der Stasi. So übergab Bambowsky dem MfS im Februar 1975 etwa 800 Bibeln in russischer, estnischer und lettischer Sprache, die er aus Holland erhalten hatte und die später von der Stasi eingestampft wurden. Wenige Monate später lieferte er 1700 Bücher ab.

Damit die Missionen im Westen nicht hellhörig wurden, fingierten Stasi und KGB im Namen der sowjetischen Empfänger Dankesbriefe. Spitzel wie Bambowsky schalteten sich aber nicht nur in den Bibelschmuggel ein, sie spionierten auch ihre Partner in Westeuropa und der Sowjetunion aus. Reichardt geht davon aus, dass der „Top-Spion” der Stasi auch für die Aufdeckung und Zerstörung einer illegalen Druckerei der Baptisten in Riga 1974 verantwortlich war.

NVA-Medaille von Erich Mielke für den Pastor

Die Stasi zeigte sich dankbar angesichts seiner „hervorragenden Verdienste bei der Unterstützung des MfS”, Stasi-Chef persönlich verlieh ihm 1986 die Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee. Letztlich, so Reichardts Resümee, ist davon auszugehen, dass über drei Jahrzehnte Bibelschmuggel dank der Aktivitäten der Geheimdienste nur ein geringer Teil der von den Missionsgesellschaften auf den Weg gebrachten Literatur ihre Empfänger im Osten erreichte.

https://www.nordkurier.de/kultur-und-fr ... 50904.html

Die Bibel dieser SED - Diktatur war eben das " Neue Deutschland " ....... [laugh]
Interessierter
 

Re: Wie die Stasi und der KGB Bibelschmuggler jagten

Beitragvon Nostalgiker » 30. April 2021, 13:32

Irrtum.
Deine Bemerkung lässt darauf schließen das du weder die Bibel kennst, noch das 'Neue Deutschland'

Soweit ich dem Artikel entnehmen kann ging es bei dieser ganzen Sache wohl mehr um freikirchliche Glaubensgemeinden und nicht um die stringente evangelisch/lutherische oder die katholische Auslegung der Bibel, auch nicht um die russisch-orthodoxe.

Ein Indiz wäre der Missionsbund "Licht im Osten" welcher sic (sic!) in Wernigerode gegründete, nach 1945 in die Gegend von Süddeutschland "übersiedelte".
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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