Wehrpflicht in Deutschland

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Re: Wehrpflicht in Deutschland

Beitragvon augenzeuge » 17. Juli 2023, 14:54

Früher nannte man so was Wehrkraftzersetzung!

Und das wir das heute nicht mehr so nennen, ist doch ein Fortschritt. Also, nach vorn schauen. [hallo]
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Re: Wehrpflicht in Deutschland

Beitragvon pentium » 27. Mai 2024, 17:41

Geschichte der Wehrpflicht

Heere, die aufgrund einer allgemeinen Aushebung aller wehrfähigen Männer aufgestellt wurden, gab es in der Geschichte immer wieder, etwa das Heer der römischen Republik oder Bürgergarden in Städten. Auch im Antiken Griechenland waren Wehrpflichtsysteme, wo alle „freien Männer“ verpflichtet waren, im Kriegsfall für ihre Polis zu kämpfen sehr üblich. Oft war der Militärdienst an den Anspruch auf politische Rechte gekoppelt.[2]

Im Mittelalter gab es in einigen Städten eine Art Wehrpflicht, Männer die in den Städten lebten, waren im Falle eines Angriffs verpflichtet diese mit zu verteidigen. Auch Preußen befand sich mit dem Kantonssystem im 18. Jahrhundert auf dem Weg zu einer Wehrpflichtigenarmee. Allgemein waren nach dem Zerfall des Lehnswesens des Mittelalters von der frühen Neuzeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts jedoch Söldnerheere die Regel, die wenig ideologische oder nationalitätsbedingte Verbindung zu ihren Dienstherren hatten.

In Schweden führte König Gustav II. Adolf um 1630 (während des Dreißigjährigen Krieges) eine (selektive) Wehrpflicht ein, indem er Männer bestimmter Berufsgruppen vom Wehrdienst freistellte, Männer rekrutierte, die „starkgliedrig und, soweit festgestellt werden kann, tapfer waren – im Alter von 18 bis 30 Jahren“. Diese wurden aus der Staatskasse ausgerüstet und bezahlt.

Das Frankreich der Französischen Revolution war der erste europäische Staat, der seine Armee mit der Levée en masse 1793 fast ausschließlich aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht organisierte. Daneben gab es auch Freiwillige.

Im neunzehnten Jahrhundert, unter anderem weil die Waffenherstellung wegen der Industrialisierung so produktiv geworden war, dass man Massenheere mit Gewehren ausrüsten konnte, wurde nach und nach in zahlreichen Nationen die Wehrpflicht eingeführt. In vielen Staaten betrug die Militärdienstzeit mehrere Jahre; anschließend waren die ehemaligen Soldaten oft noch viele Jahre lang Reservisten, die im Kriegsfall wieder eingezogen werden konnten.

Im 1871 gegründeten deutschen Kaiserreich wurde die Wehrpflicht in der Verfassung festgelegt.[3] In der Habsburgermonarchie wurde die Wehrpflicht 1868 in die Verfassung übernommen und löste das bis dahin übliche selektive Rekrutierungssystem ab, wo es für viele Schichten Ausnahmen gab. Das System der allgemeinen Wehrpflicht, von der es kaum Befreiungen gab, führte auch dazu, dass der Militärdienst von großen Teilen der Gesellschaft ideologische Bedeutungen zugeschrieben bekam, und das Militär als Institution um Patriotismus und staatsbürgerliche Erziehung zu verbreiten gesehen wurde.

Im Russischen Kaiserreich wurde die allgemeine Wehrpflicht per Gesetz vom 13. Januar 1874 eingeführt.

Der Erste und der Zweite Weltkrieg sowie zahlreiche weitere größere Kriege wie etwa der Vietnamkrieg wurden großteils mit Wehrpflichtigen geführt; der Einsatz Wehrpflichtiger im Ausland war damals noch in vielen Staaten gang und gäbe. Im Kalten Krieg griffen ebenfalls die Staaten beider Seiten auf die Wehrpflicht zurück um ausreichend Soldaten zu rekrutieren. Üblich waren Dienstpflichtzeiten von mehreren Jahren. Ab den 1970er Jahren wurde nach und nach in vielen europäischen Staaten die Möglichkeit geschaffen, statt des Militärdienstes einen Militärersatzdienst, welcher oft deutlich länger dauerte, zu leisten. Zu Beginn war es eher die Ausnahme, dass Männer sich dafür entschieden, dieser war mit gesellschaftlicher Stigmatisierung verbunden und setzte oft eine Gewissensprüfung voraus, in der man glaubhaft darlegen musste wieso man aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten kann. Mit der Zeit wandelte es sich jedoch, die Gewissensprüfungen wurden in vielen Staaten abgeschafft, sodass man faktisch frei wählen konnte, und die gesellschaftliche Haltung sich auch entsprechend veränderte. Dies hatte auch zur Folge, dass oft annähernd so viele – oder teilweise sogar mehr – Männer den Ersatzdienst leisteten als den Militärdienst, und nicht wie ursprünglich vorgesehen der Ersatzdienst lediglich eine Ausnahme darstellte.

Der Einsatz von Wehrpflichtigen in ausländischen Konflikten geriet, vor allem im Zuge des Vietnamkrieges, in der westlichen Welt mehr und mehr in Verruf, sodass viele Staaten damit aufhörten, Wehrpflichtige gegen ihren Willen im Ausland einzusetzen.

Seit dem Ende des Kalten Krieges und dem damit einhergehenden Verzicht auf Massenarmeen haben immer mehr Länder die Wehrpflichtdauer nach und nach deutlich verkürzt, und schließlich ihre Armeen von Wehrpflichtarmeen auf Freiwilligen- und Berufsarmeen umgestellt. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen. 2010 hatten 24 der 28 NATO-Staaten[4] eine Berufsarmee. Von den bedeutenden Militärmächten innerhalb der NATO hält nur noch die Türkei an der Wehrpflicht fest. (Deutschland siehe unten). Oft wird argumentiert, dass mitten in der NATO weniger die direkte Landesverteidigung, sondern primär Auslandseinsätze wichtig sind, und dafür Wehrpflichtige ungeeignet sind.

In Europa halten nur noch die neutralen Staaten Österreich und Schweiz, sowie einige osteuropäische Staaten die einer gefährlicheren geopolitischen Lage ausgesetzt sind, an der Wehrpflicht fest. Jene Staaten, wo die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, behalten sich aber großteils in der Verfassung das Recht vor, selbige im Kriegsfall wieder zu aktivieren. Ob sich diese im Kriegsfall schnell genug reaktivieren lässt, ist jedoch insbesondere weil in vielen Staaten die Infrastruktur für eine große Anzahl von Soldaten nicht mehr vorhanden ist, und weil der Umgang mit modernen Waffen nicht in wenigen Monaten erlernt werden kann, politisch umstritten.

Insgesamt haben die weitaus meisten Länder der sogenannten Ersten Welt inzwischen auf die Wehrpflicht verzichtet, oder sind auf dem Weg dahin diese abzuschaffen, indem sie die Wehrdienstdauer immer weiter reduzieren und vermehrt darauf setzen Zeitsoldaten mittels Verträgen zu rekrutieren.

Am stärksten verbreitet ist die Wehrpflicht noch in sehr autoritären Staaten, sowie in Staaten die mit Nachbarstaaten verfeindet sind, oder zu diesen ein angespanntes Verhältnis haben. Außerdem halten oft neutrale Staaten eher an der Wehrpflicht fest, als Mitgliedsstaaten von Militärbündnissen, beispielsweise besteht diese in Österreich oder der Schweiz noch – beides keine NATO-Mitglieder. Grund hierfür ist, dass militärisch neutrale Staaten in weniger Auslandseinsätze involviert sind und sich stärker auf die nationale Verteidigung fokussieren, bei der sie im Kriegsfall keinen völkerrechtlichen Anspruch auf direkte militärische Unterstützung anderer Staaten haben, während bei Auslandseinsätzen eher Berufssoldaten eingesetzt werden würden, würden bei der militärischen Landesverteidigung eine große Anzahl von Wehrpflichtigen bzw. Reservisten eingesetzt werden.

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