Erinnerungen von Aro Kuhrt
Regine Hildebrandt hat ihre Kindheit und Jugend direkt an der Grenze verbracht, in der Bernauer Straße, gleich neben der Ackerstraße. Im Herbst 1990 wurde sie Sozialministerin in Brandenburg, im Jahr 2001 starb sie an Krebs. Kurz vorher habe ich mit ihr ein Gespräch für ein Buchprojekt geführt. Daraus stammt dieser Text:
Meine Mutter hat in der Bernauer Straße schon gewohnt in den 30er Jahren, in der Bernauer Str. 14, da bin ick auch geboren. Das war dieses Ruinengrundstück, das da nach ’44 war. Da sind wir denn ausgebombt, dann wieder nach Berlin nach der Evakuierung, in die Bernauer Straße 2. Die Nummerierung der Bernauer Straße fing ja erst an der Ackerstraße an, davor war der Friedhof hier zwischen der Bergstraße und Ackerstraße. So ‘ne rote Friedhofsmauer, wie sie jetzt noch in der Ackerstraße ist, mit so’n senkrechten Streifen, so war das hier auch. Ick kann mich noch so genau daran erinnern, weil man ja als Kind denn so’n Verhältnis dazu entwickelt, wenn man vom Stettiner Bahnhof kommt und nach Hause geht und denn mehrere Schritte zwischen den einzelnen Pfeilern machen will und die denn zählt.
Das Lazarus-Krankenhaus, wo wir jetzt hier drin sitzen, ist mir natürlich als jemand, der zur Evangelischen Versöhnungs-Gemeinde gehörte, vertraut. Die Versöhnungskirche stand Bernauer Str. 4 und ich wohnte Bernauer Str. 2, Paterre links und die 4 war das Versöhnungs-Grundstück. Da stand die Kirche, das Pfarrhaus, Gemeindehaus und so weiter. Mein heutiger Mann war Pfarrerssohn da, vom alten Hildebrandt, mein Schwiegervater, der war Pfarrer von 1950 bis ’61. Das war also unsere Welt und dann sind wir von da eben immer hier rüber ins Krankenhaus gegangen, zum Krankenhaus-Singen. Da sind wir denn hier um elfe, halb zwölfe rüber und haben dann hier auf den Stationen gesungen. Natürlich zu den Festen auch.
In der Ackerstraße hatten wir ja noch die Schrippenkirche. Da war auch unser Kirchsaal, da ham wir manchmal mit dem Chor geprobt und auch mal Gottesdienste gehabt in dem Haus. Und die Büros gegenüber. Wir hatten also Westbüros und Ostbüros von der Kirche. Das Kirchengrundstück in der Bernauer 4 war relativ groß, die Kirche stand deutlich zurückgesetzt, davor war freier Raum und da waren die Gemeindehäuser auf der rechten Seite. Und der erste Teil der Gemeindehäuser der beinhaltete das Burckhardthaus, das war eine Ausbildungsstätte für Gemeinde-Helferinnen, über viele, viele Jahre nach dem Krieg. Und der zweite Teil, das war das Gemeindehaus und dann Pfarrhaus und der Kirchenmusiker wohnte da. Also die Gemeindearbeit war im wesentlichen in Ostberlin, in den Gemeindehäusern. Da war die Bibelarbeit, da war’n die Chorproben, der Konfirmanten-Unterricht, das war alles da. Da war auch der Gottesdienst. Wr hatten nur unabhängig davon, beispielsweise für Abendmusiken oder für spezielle Gottesdienste zusätzlich noch die Schrippenkirche.
Die wesentlichen Erinnerungen, die sich für mich mit der Bernauer und der Ackerstraße verbinden, sind, wenn man zum Beispiel zur Schule musse. Die Schule war erst auf der anderen Seite in der Strelitzer Straße im Westen, da bin ick eingeschult worden, weil es die nächste Schule war. Denn kam aber ’53 mit Ulbricht die Tatsache, dass die Ostler aber auch in Ostberlin zur Schule gehen sollten, da musste ich also aus der Schule rausgenommen werden und kam auf die Schule in der Bergstraße. Diese graue Schule, die ist ja immer noch da. Dahin bin ich also bis zur achten Klasse gegangen. Und alles natürlich immer von der Bernauer Straße aus. Und hinterher war’s dann die Max-Planck-Oberschule in der Auguststraße und da war mein Schulweg dann jeden Tag durch die Ackerstraße. Sehnse, da in die Acker rum, dann den ganzen Friedhof lang, über’n Pappelplatz rüber, Schröderstraße. Also insofern umkreist man den Bereich dann immer. Aus der Zeit der Bergstraßen-Schule und in die Zeit fiel auch der 17. Juni. Und da war dann die Sache, dass man von der Bernauer Straße in die Ackerstraße nicht mehr reinkam, weil das alles gesperrt war, auch die Bergstraße. Da wurde Ost- von Westberlin das erste Mal dann abgeriegelt. Und wir hatten dann nur die Möglichkeit über die Brunnenstraße. Das war nach dem 17. Juni ’53, aber nur zeitweilig. Da war dann Polizei, da war nischt zu machen.
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