von pentium » 13. Februar 2025, 18:24
Dresden 1945
Wolfgang Schaarschmidt, Jahrgang 1931 und Zeitzeuge der Zerstörung Dresdens, liefert mit seinem Buch „Dresden 1945“ einen Beitrag zur „Luftkriegsgeschichte des Zweiten Weltkrieges [und] zur Geschichte der Stadt Dresden“ mit dem Ziel, „Voraussetzungen für eine begründete Schätzung“ der Opferzahl der Angriffe vom 13. und 14. Februar zu schaffen. In beeindruckender Weise gelingt ihm das, so dass dieses Werk für jeden Interessierten absolute Pflichtlektüre sein muss.
Zunächst gibt Schaarschmidt eine Erklärung, warum Dresden auf die Zielliste der alliierten Bomberverbände gerückt ist. Vor dem Hintergrund des naheliegenden Kriegsendes und einer bevorstehenden Neugestaltung der politischen Machtverhältnisse sieht er eine Machtdemonstration der Westmächte gegenüber der Sowjetunion als Hauptgrund. Anschließend beleuchtet der Autor die Angriffe auf Dresden zwischen dem 13. und 15. Februar 1945. Diese ersten beiden Kapitel sind recht knapp gehalten, wobei auf umfassendere Arbeiten von David Irving und Götz Bergander verwiesen wird. Dennoch lassen insbesondere die Erlebnisberichte den Leser erschüttert zurück. So beispielsweise die Erzählung eines zum Zeitpunkt der Bombardierung in Dresden lebenden Schweizers, der unter anderem von unzähligen durch Stabbrandbomben erschlagenen Opfern im Großen Garten berichtet.
Im Anschluss wird die Arbeit von Verwaltungsorganen beleuchtet, die im Zusammenhang mit den Angriffen für Bergung, Räumung und ähnlichem verantwortlich waren. Besonders der Einsatz der Dresdner Feuerschutzpolizei wird aufgegriffen. Bis zum zweiten Bombardement, bei dem 80 % der Einsatzkräfte ausfielen, beschreiben die Unterlagen den Einsatz als „zweckmäßig“. Desweiteren wird die Tätigkeit der Vermißtennachweiszentrale beleuchtet. Deren Ziel war vordergründig die Identifizierung der Toten, sowie die Aufklärung von Vermißtenanzeigen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Karteikarten von identifizierten und unidentifizierten Toten angelegt. Hanns Voigt, Leiter der Abteilung Tote in der Vermißtennachweiszentrale, spricht nach dem Krieg von 80 – 90.000 angelegten Karten. Mit dem Einmarsch der Roten Armee wurde diese Sammlung verwüstet und zerstört. Aktuell befinden sich nur noch knapp 8.000 Kennzettel in der Urkundenstelle der Stadt Dresden, teilweise mit Eintragungen wie „eine Mulde voll“ – gemeint ist eine Mulde voller unkenntlicher Menschen.
Im nächsten Kapitel beschreibt Schaarschmidt die Bergungsmaßnahmen. Zunächst wurden die leicht zugänglichen Opfer geborgen, also diejenigen, die auf den Straßen und Plätzen aufgefunden wurden. Dabei weißt er bereits darauf hin, dass eine derartig große Anzahl an Leichen eine ordnungsgemäße Identifizierung und eine präzise Zählung der Toten unmöglich machten. Unter anderem auch dies führte dazu, dass ab dem 20. Februar 1945 über 14 Tage hinweg Leichenberge zumindest auf dem Altmarkt in Brand gesetzt wurden – „Ein einmaliger Vorgang in der bekannten Menschheitsgeschichte.“ Weiterhin stellt der Autor fest, dass ab Ende Februar 1945 „Tote Gebiete“ abgeriegelt wurden, teilweise für mehrere Jahre. Der Zugang in diese Gebiete war durch hohe Mauern versperrt. Eine Bergung oder Räumung fand in der Zeit der Absperrung nicht statt. Nach den Leichenverbrennungen wurden auch vermehrt schwer zugängliche Keller beräumt. Dort stieß man immer wieder auf sogenannte „Ascheleichen“, mumienartige Leichen die bei Berührung zu Asche zerfielen. Nach den Angriffen auf Hamburg vermerkten Berichte, dass in derartigen Kellern Ärzte die Anzahl der Toten anhand der Höhe der Ascheschicht abschätzten. In Dresden ist wahrscheinlich ähnlich vorgegangen worden. Anfang April ließen die Bergungsaktivitäten mit dem Näherrücken der Front stark nach. Mit dem letzten Bombenangriff auf Dresden am 17. April hörte „die Bergung der Februaropfer [während des Krieges] überhaupt auf“ Nach der Besatzung durch die Rote Armee wurde auf umfangreichere Totenbergungen verzichtet, da die Ressourcen fehlten und jeder zunächst sein eigenes Überleben sichern musste. Da allerdings von den unbestatteten Leichen eine Seuchengefahr ausging, wurden ab Juli 1945 Leichenbergungskommandos aufgestellt, die bis 1957 tätig waren. Allerdings lag der Schwerpunkt ab 1946 auf der Enttrümmerung und Materialbergung, nicht mehr auf der Totenbergung. So wurden Keller, in die nicht vorgedrungen werden konnte, einfach verfüllt – mit der Konsequenz, dass heute sehr wahrscheinlich noch Dutzende Tote in den unzugänglichen Gewölben und verschütteten Kellern Dresdens auf ihre Bergung warten.
Das letzte Kapitel ist der Schätzung einer begründeten Opferzahl gewidmet. Zunächst stellt Schaarschmidt einen Vergleich mit den Angriffswellen auf Hamburg im Juli/August 1943 auf. Dort wurden fast 42.000 Opfer gezählt. Dabei war die Stadt im Gegensatz zu Dresden gut verteidigt und die Bevölkerung mit bereits über 140 Bombenangriffen luftkriegserprobt bzw. bereits aus Hamburg geflohen. Zudem fielen die Angriffe auf Dresden mit einer Bevölkerungsverdichtung auf Grund der Flüchtlingswelle aus Schlesien zusammen. Letztendlich hielten sich um den 13. Februar 1945 schätzungsweise 900.000 Menschen in Dresden auf, viele Geflohene davon unter freiem Himmel im Innenstadtbereich.