Es war in der Zeit, als der Doppelzaun und die Minensperren durch den "modernen" Streckmetallzaun ersetzt wurde. Meiner Erinnerung gem. etwa Herbst 1970/Frühjahr 1971. Das Gebiet umfasste den Raum Hohnsleben (West), der meines Wissens von der Grenzkompanie aus Sommersdorf (Ost) bewacht wurde.
Die Arbeitsabläufe waren etwa so: Demontage der Zäune, aufspüren der Minen, Sprengen derselben, sichern der dann offenen Grenze durch große Anzahl von Doppelposten. Und genau an der Stelle setzt die Flucht des OFw an.
Er war vor seinem Einsatz an dieser offenen Flanke der Grenze, südlich der Ortslage Hohnsleben, im Urlaub bei seinen Eltern im Erzgebirge. Seine Eltern erzählten ihm, man hätte sie stark unter Druck gesetzt, weil sie Westverwandtschaft hätten und diese auch schon zu Besuch im Erzgebirge gewesen seien. Das alles könnte sich ungünstig auf die Karriere ihres Sohnes auswirken und sie sollen diese Kontakte mit den Verwandten im Westen abbrechen.
Das dieser Druck Einfluss auf die Beziehung zwischen Eltern und Sohn gehabt hat ist leicht vorstellbar.
Der Sohn, nennen wir ihn Hans, ist nach reiflicher Überlegung zu der Einsicht gekommen, dass sein Verbleiben in diesem Staat, der Gesinnungsschnüffelei betreibt, nicht von Dauer sein kann.
Der Entschluss zur Flucht war für ihn wohl die logische Konsequenz. Und konkretisierte sich wahrscheinlich, als er nach der Rückkehr aus dem Urlaub, seinen künftigen Einsatzort erfuhr. Eben diese Baustelle nahe Hohnsleben.
Weil mehrere hundert Meter der Sicherungsanlagen frei geräumt waren, wurde u. a. diese Stelle mit rot-weißem Trassierband kenntlich gemacht.
Als OFw Hans mit einem Gefreiten und seinem schwarzen Schäferhund, wie sich später herausstellte war es eine Hündin, zu einem Nachtdienst an dieser offenen Wunde der DDR eingesetzt wurde, ergab sich für ihn der günstige Zeitpunkt für die Flucht.
Seine Hündin, rabenschwarz vom Fang bis zur Rute, war von ihm ausgebildet und folgte ihm, nicht nur aufs Wort, auch auf bestimmte Geräusche. Im Verlauf des Dienstes hatte sicher jeder der beiden Soldaten das Bedürfnis einmal pieseln zu müssen. Hans bat also seinen Gefreiten die Hündin zu halten, er müsse mal. Daraufhin verschwand er in der Dunkelheit hinter einem Gebüsch, überwand den Grenzgraben, die Wirbke, und war im Westen. Noch unbemerkt von seinem Kameraden. Seinen besten Freund, eben diese schwarze Hündin, also eigentlich Freundin, wollte er aber nicht in den Fängen dieses von ihm nicht geliebten Staates zurück lassen.
Ein Geräusch für die Hündin war das Rascheln mit einem Schlüsselbund. Dieses Geräusch veranlasste die Hündin sofort ihren Führer aufzusuchen, egal wo er sich befand.
Der Gefreite war dem plötzlichen ziehen des Tieres wohl nicht gewachsen und landete bäuchlings dort, wo noch vor einiger Zeit todesbringende Minen lagen.
Nun waren Herrchen und Hund im Westen. Sie begaben sich zu dem in unmittelbarer Nähe befindlichen Phönix Gummiwerk. Der Pförtner verständigte den Zollkommissar Schöningen und die Dinge nahmen ihren Lauf.
Nun war die Hündin aber allein. Sie kam in die Obhut der Grenzaufsichtsstelle Reinsdorf in einen frei stehenden Zwinger, wurde von einem Hundeführer versorgt und gepflegt. Der ZKom war der Ansicht, das Tier sei Eigentum der DDR und müsse zurück gegeben werden. Gesagt, getan. Mit der Hündin zum Grenzübergang Marienborn, um sie dort der DDR zu übergeben. Der verantwortliche Offizier bemerkte nur "uns ist kein Hund abhanden gekommen" und lehnte die Rücknahme ab. Also kam sie wieder in unsere Obhut und wurde künftig "Kessi" genannt.
Da kommt noch was, und wie es weiter geht, bis demnächst.