Durch eine Bodenmine getötet beim Versuch in die DDR zu gelangen

Durch eine Bodenmine getötet beim Versuch in die DDR zu gelangen

Beitragvon Interessierter » 2. Oktober 2020, 09:54

Erich Tesch

Weil er sich in der DDR ein besseres Leben erhoffte, bat der Kölner Obdachlose Erich Tesch am Grenzübergang Marienborn um Aufnahme in den sozialistischen Staat. Nachdem man ihn dort zurückwies, versuchte er die Grenze ohne Genehmigung zu überqueren. Dabei wurde er von einer Bodenmine tödlich verletzt.

geboren am 20. Juli 1902 in Roga
getötet durch Minendetonation am 10. Oktober 1967
Ort des Zwischenfalls: 850 Meter nördlich der Bundesstraße 1 zwischen Helmstedt (Niedersachsen) und Morsleben (Sachsen-Anhalt)


Erich Tesch wurde 1902 in dem mecklenburgischen Bauerndorf Roga (Gemeinde Datzetal) geboren. Er hatte Maurer gelernt, geheiratet und wurde Vater von vier Kindern. Doch als er den Vormittag des 9. Oktober 1967 gemeinsam mit Jakob P. und Heinrich S. in einem Obdachlosenheim in Köln-Ehrenfeld zubrachte, war dies schon lange Vergangenheit. Seine Ehefrau lebte seit zwölf Jahren von ihm getrennt, und zu seinen Kindern hatte er kaum noch Kontakt. Drei von ihnen waren in die DDR gezogen und wohnten in Ost-Berlin. Mit dem Gesetz geriet Tesch mehrfach in Konflikt, meist wegen Ladendiebstahls und Trunkenheitsdelikten. Die Polizei griff ihn wiederholt als Stadtstreicher und Randalierer auf.

An diesem Vormittag des 9. Oktober machte Heinrich S. den Vorschlag, gemeinsam in die DDR zu gehen, er habe dort Bekannte. Der 35-jährige Jakob P. wollte ihn begleiten. Als sie schließlich an der Grenzübergangsstelle Marienborn ankamen, bemerkten die Mitarbeiter der dortigen DDR-Passkontrolleinheit rasch, dass die beiden Männer schon am frühen Morgen unter Alkoholeinfluss standen. Zudem hatte Jakob P. seine Meinung geändert und schüttelte, während Erich Tesch um Aufnahme in den sozialistischen Staat bat, auf die Frage, ob denn auch er in die DDR wolle, kräftig den Kopf. Nach Rückfrage bei ihren Vorgesetzten schickten die DDR-Grenzer die beiden Männer wieder nach Niedersachsen zurück.

In Helmstedt angelangt, kehrten sie wieder in der Raststätte ein und bestellten Bier. Wenn sie ihn nicht durch den Grenzübergang lassen wollten, dann würde er eben über den Zaun klettern, überlegte Erich Tesch laut.

Ein Posten der 4. DDR-Grenzkompanie Marienborn hörte am Vormittag um 10.15 Uhr einen Knall. Er sah noch, wie eine karierte Reisetasche durch die Luft flog. Sofort verständigte er seinen Kompaniechef, der wiederum seiner vorgesetzten Dienststelle die Minenexplosion und den vermutlichen Personenschaden meldete. Doch die Rettung eines Verletzten aus dem Minenfeld war auch für Angehörige der Grenztruppen lebensgefährlich. Eine Nachbarkompanie entsandte einen Bergungstrupp. Die Soldaten mussten von der Westseite aus ein Streckmetallfeld aus dem Grenzzaun brechen und eine Bergungsstange zu dem Verletzten bugsieren. Dieser musste die Stange ergreifen und mit seiner Kleidung verhaken. Gegen 11.25 Uhr, eine Stunde nach der Explosion der Bodenmine, zogen sie Erich Tesch vorsichtig aus dem Minenfeld. Man brachte den Schwerverletzten, der unter starkem Schock stand, ins Kreiskrankenhaus nach Haldensleben. Dort stellten die Ärzte fest, dass ihm die Mine das linke Bein bis unterhalb des Knies und einen Daumen abgerissen hatte. Auch das rechte Bein wies schwere Verletzungen an Knie und Knöchel auf, und der ganze Körper war von Splittertreffern übersät. Erich Tesch starb noch am Abend dieses Tages um 20.30 Uhr. Nach den Aussagen, die Jakob P. später machte, ging die Polizei in Helmstedt davon aus, dass Erich Tesch nur eine schwere Beinverletzung erlitten habe. In der Bundesrepublik blieb sein Tod bis zur Wiedervereinigung unbekannt.

Die Staatsanwaltschaft Magdeburg klagte Ende der 1990er Jahre wegen des Todes von Erich Tesch und weiterer Minenopfer die vormaligen DDR-Kommandeure Generalmajor Harald Bär und Major Horst Marutzki an. Bär trug als Chef der 7. Grenzbrigade und Marutzki als Kompaniechef ihrer Pionierbrigade die Verantwortung für die Minenfelder im Grenzgebiet bei Marienborn. Bärs Verfahren wegen mehrfacher Anstiftung zum Totschlag wurde eingestellt, weil der Angeklagte als verhandlungsunfähig erklärt wurde. Das Landgericht Magdeburg verurteilte Horst Marutzki wegen Totschlags zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe.

https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.html
Interessierter
 

Re: Durch eine Bodenmine getötet beim Versuch in die DDR zu gelangen

Beitragvon augenzeuge » 2. Oktober 2020, 14:59

Und die verurteilten Verantwortlichen waren von der Rechtmäßigkeit auch noch überzeugt, als sie sahen, was die Dinger anrichten?

Die riesige Diskrepanz zwischen dem im Polit Unterricht vermittelten angeblichen Sinn dieser Minen, und der Praxis war doch offensichtlich? [blush]

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