Ein Zollgrenzdienstbeamter der Grenzaufsichtsstelle Brunnental (Zollgrenzkommissariat Helmstedt) hatte 1954 wenige Meter vor der Grenze zwei Männer gestellt, die ein Motorrad über die Grenze bringen wollten. Er war von den Männern niedergeschlagen und verletzt worden. Die Männer hatten dem Beamten die Pistole geraubt und mehrfach gezielt auf ihn geschossen. Die Schüsse hatten ihn zum Glück verfehlt. Die Räuber waren aber mit der Pistole und dem Motorrad über die Grenze entkommen. Auf der anderen Seite wurden sie von einer Russenstreife festgenommen.
Aus Zollnachrichten- und Fahndungsblatt /ZNFBl) wurde im Heft 1955 Nr. 5
"Schwere gerichtliche Sühne für Widerstand gegen die Staatsgewalt mit versuchten Mord an einem Zonen-Grenzaufsichtsbeamten
Ein Grenzaufsichtsbeamter an der Zonengrenze hatte im Juli 1954 bei bereits eingetretener Tageshelle eine Einzelstreife angetreten. in deren Verlauf er sich einer anderen Streife anschließen wollte. Sein Streifenzug führte ihn auf Waldwegen entlang, die in einem Abstand von etwa 500 m von der Zonengrenze verliefen. Noch ehe er auf die erwartete Anschlusstreife stieß. vernahm er aus Richtung der Zonengrenze Motorengeräusche-und vermutete zunächst, daß es-von Fahrzeugen des BGS herrührte' der in dieser Nacht wegen einer Sonderfahndung im Grenzgebiet eingesetzt war. Der Beamte ging daher auf das Motorengeräusch zu, um das vermeintliche BGS-Fahrzeug erforderlich falls einzuweisen. Durch sein Fernglas stellte er jedoch zwei männliche Personen fest, die mit einem Motorrad durch den Wald fuhren. Der Beamte eilte auf die Personen zu und erkannte beim Näher kommen, dass es sich um zwei junge Burschen im Alter von etwa 23 Jahren handelte, die in angetrunkenem Zustand versuchten. ein augenscheinlich, neues Motorrad über die Grenze in die SBZ zu bringen. Etwa 10 m diesseits der Zonengrenze erreichte er die beiden Männer und rief sie vorschriftsmäßig mit „Halt Grenzbeamter" an. Gleichzeitig zog er seine Pistole, da er allein war und sich zwei Personen gegenüber sah. Er forderte sie auf ihre Personalpapiere vorzuweisen und sich von der Zonengrenze zurückbegeben. Beides wurde verweigert" Die beiden Burschen zeigten aber in ihrem angetrunkenen Zustand vor der Pistole keinen Respekt. Weil der Beamte unnötiges Blutvergießen vermeiden wollte und überdies auch einen Waffengebrauch nicht für notwendig hielt, stecke er die Pistole in die Pistolentasche zurück' um nunmehr zu versuchen, die Männer durch gutes Zureden vom Grenzübertritt zurückzuhalten. Die beiden Personen machten jedoch erneut Anstalten' das Motorrad über die Grenze zu schieben' Der Beamte ging deshalb auf sie zu, fasste das Rad am Gepäckträger und versuchte es umzuwerfen, um die offensichtlich beabsichtigte illegale Ausfuhr zu verhindern. Er wusste nicht dass das Motorrad von den beiden Burschen gestohlen war und in Sicherheit gebracht werden sollte. Er glaubte es mit harmlosen Betrunkenen zu tun zu haben. In diesem Augenblick wurde er von den Männern niedergeschlagen und erhielt im Verlaufe eines Handgemenges Fausthiebe und Fußtritte. Einer der beiden Männer brachte ihm eine Bisswunde am Zeigefinger der linken Hand bei, während der andere die Pistole raubte. Noch benommen von den Schlägen sprang der Beamte auf und versuchte dem Gegner die noch gesicherte Pistole zu entreißen. Dieser hatte aber die Pistole bereits entsichert und gab auf den Beamten drei gezielte Pistolenschüsse aus einer Entfernung von 8 bis 10 m ab, während er seinem Komplizen, der inzwischen das Motorrad über die Grenze geschoben hatte, in die SBZ nachfolgte. Der Pistolenschütze ging, dabei den Beamten mit der Waffe in Schach haltend, rückwärts und rief nach Abgabe des dritten Schusses zu: "Jetzt noch einen Schritt, dann bist Du kalt“. Die Schüsse gingen fehl. Weiteren Schüssen entging der Beamte nur dadurch, daß eine Russenstreife auftauchte und beide Männer festnahm.
Die beiden Täter, wurden nach Bestrafung in der SBZ wegen des illegalen Grenzübertritts und nach Strafverbüßung am 20.September 1954 an die westdeutsche Polizei ausgeliefert. Sie wurden wegen Diebstahls (§242 StGB) bzw. Begünstigung (§ 258 StGB) und wegen gemeinschaftlichen versuchten Mordes (§§ 211, 43, 44 StGB) in Tateinheit mit Raub (§ 258 StGB) und Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 113 StGB) unter Anrechnung der Untersuchungshaft zu einer Gesamtstrafe von 4 Jahren 2 Monaten bzw. 4 Jahren 1 Monat Zuchthaus verurteilt."