Die Staatsgrenze zwischen der DDR und der VR Polen
Verfasst: 1. Februar 2022, 18:19
In der Hauptrichtung der Anstrengungen der Grenzverletzer
Die Staatsgrenze zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen, allgemein auch als "Oder-Neiße-Friedens-Grenze" bekannt, wurde und wird von den Historikern mehr oder weniger nur am Rande betrachtet. Lange Zeit galt sie als " ereignislose Trennlinie zweier Bruder-Staaten". Das dem nicht so war, zeigen unter anderem die im Landeshauptarchiv Potsdam und in der BSTU-Außenstelle Frankfurt (Oder) lagernden Dokumente. Sieht man davon ab, dass die "Bruder-Staaten" DDR und Polen nicht immer ein "brüderliches", sondern oftmals ein von gegenseitigen Misstrauen geprägtes Verhältnis pflegten, boten beide Staaten für die Bürger des jeweils anderen Staates, durchaus günstige Fluchtmöglichkeiten. Besonders die Gegend auf der deutschen Seite der Oder. Das bis zum 13.August 1961 relativ offene Westberlin war auch für die Polen interessant. Außerdem lag es nur knapp 100 km vom Oderbruch entfernt. Daher stellte die "Friedens-Grenze" so etwas wie eine natürliche Grenzsperre für Fluchtwillige Polen im Vorfeld von Westberlin dar. Obwohl diese Grenze, auf dem ersten Blick, kaum bewacht wurde, besaß sie dennoch ihre Tücken!
An dieser Stelle ein paar Beispiele:
Am 24.07. 1987 schwammen zwei aus dem Raum Gdansk stammende Jugendliche südlich von Kostrzyn durch die Oder hinüber nach Kietz (heute Küstrin-Kietz). Die beiden sechzehnjährigen beabsichtigten via Kietz weiter nach (Ost)-Berlin zu gelangen , um dort über die "Mauer" hinüber nach Westberlin zu gelangen. Es ist zweifelhaft, dass die beiden auch nur eine Ahnung davon hatten, was sie in Berlin erwartete. Offenbar kannten sie sich nicht einmal mit den lokalen Gegebenheiten an der Oder aus. Ansonsten hätten sie sich einen anderen Übertrittsort ausgesucht. Die dem polnischen Ufer an dieser Stelle gegenüberliegende, zu Kietz gehörende Oderinsel stellte seit Jahrzehnten ein von der sowjetischen Armee besetztes, militärisches Sperrgebiet dar. Das natürlich auch entsprechend bewacht wurde. Kaum am deutschen Ufer angelangt, sahen sich die Jungs auch schon von bewaffneten Wachposten der "Roten Armee" umstellt. Nach einer kurzen Befragung, informierte der diensthabende Offizier der Garnison das VPKA Seelow. Dort wurden die "Grenzverletzer" von der Kriminalpolizei vernommen und noch am selben Tag in Slubice an die polnische Polizei übergeben.
Ein wenig mehr Glück hatte ein dreiunddreißigjähriger Pole, der in einer Februarnacht !! die Oder vom polnischen Gorzyca hinüber nach Reitwein überwand. In den Unterlagen findet sich in diesem Fall kein Hinweis, auf welche Art und Weise die Überwindung des Stroms gelang. Ich gehe aber davon aus, dass er die eiskalte Oder auf keinen Fall durchschwommen sein kann. Ansonsten wäre er wohl kaum lebend angekommen.
Auf jeden Fall konnte sich der Pole bis zum nächsten Abend nach Berlin durschlagen. Auch er wollte weiter nach Westberlin. Dieses Vorhaben endete jedoch am Ostbahnhof, wo er einer Streife der Transportpolizei auffiel.
Am 18.Oktober 1986 stellte sich ein achtzehnjähriger Pole im VPKA Seelow. Der Mann war einige Tage zuvor bei Görlitz über die Neiße illegal in die DDR gelangt. Um nach Berlin zu gelangen, orientierte er sich zunächst an dem Verlauf der Neiße und der Oder. Irgendwann hatte er jedoch die Orientierung verloren. Da der junge Mann die deutsche Sprache nicht beherrschte, konnte er niemanden nach dem Weg fragen. Außerdem hätte er damit auch die Aufmerksamkeit von VP und Grenztruppen auf sich gezogen. Völlig erschöpft, mit seinen Kräften am Ende, landete er schließlich in Seelow, wo er sich der Volkspolizei stellte.
Übertritte gab es aber auch in die andere Richtung:
Am 02.11. 1985, 02:00 Uhr, stellte eine Streife des polnischen Grenzschutzes bei Kostrzyn, zwei aus Buckow und Müncheberg stammende junge Männer. Ihr Ziel bestand in der polnischen Ostsee, wo sie nach Skandinavien flüchten wollten.
Geradezu mysteriös mutet der illegale Grenzübertritt eines Berliners im Mai 1989, im Raum Kienitz, an. Der geplante Übertritt wurde durch einen ausländischen Staatsbürger der eine Liebesbeziehung mit einer Einwohnerin von Kienitz unterhielt, dem zuständigen ABV verraten. Die über das Grenzabschnittskommando Frankfurt (Oder) verständigten polnischen Grenztruppen konnten den Mann tatsächlich unweit der Oder, in einem polnischen PKW sitzend, festnehmen. In diesem Fall konnte man wohl zurecht von einer gezielten Ausschleusung auszugehen. Alles andere ist tatsächlich mehr als "nebulös". Bei dem Ausländer handelte sich meines Wissens nach, um einen Tunesier oder Syrier. Den die besagte Dame aus Kienitz, bei der Ausübung von "Liebesdiensten gegen harte DM" kennengelernt haben soll. Ob das nun allerdings stimmt..... ?
Illegale Grenzübertritte kamen immer wieder vor. Vor allem im Raum Kietz-Bleyen, der vom "Grenzabschnittskommando Frankfurt (Oder) als "Raum der Hauptanstrengung der Grenzverletzer" erkannt wurde. Dabei berechneten die Mitarbeiter des Stabes in Frankfurt (Oder) bestimmte Schwerpunktzeiten, an denen die für den Grenzabschnitt Kietz zuständigen "Grenzabschnittsposten" ihre individuelle Dienstplanung orientieren mussten.
Die weitaus größte Gruppe der "Grenzverletzer" bildeten allerdings die heimwehkranken Deserteure der sowjetischen Armee. Auf dieses Thema komme ich zu einem anderen Zeitpunkt zurück.
Viele Grüße an alle
der Uwe aus dem Oderland
Die Staatsgrenze zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen, allgemein auch als "Oder-Neiße-Friedens-Grenze" bekannt, wurde und wird von den Historikern mehr oder weniger nur am Rande betrachtet. Lange Zeit galt sie als " ereignislose Trennlinie zweier Bruder-Staaten". Das dem nicht so war, zeigen unter anderem die im Landeshauptarchiv Potsdam und in der BSTU-Außenstelle Frankfurt (Oder) lagernden Dokumente. Sieht man davon ab, dass die "Bruder-Staaten" DDR und Polen nicht immer ein "brüderliches", sondern oftmals ein von gegenseitigen Misstrauen geprägtes Verhältnis pflegten, boten beide Staaten für die Bürger des jeweils anderen Staates, durchaus günstige Fluchtmöglichkeiten. Besonders die Gegend auf der deutschen Seite der Oder. Das bis zum 13.August 1961 relativ offene Westberlin war auch für die Polen interessant. Außerdem lag es nur knapp 100 km vom Oderbruch entfernt. Daher stellte die "Friedens-Grenze" so etwas wie eine natürliche Grenzsperre für Fluchtwillige Polen im Vorfeld von Westberlin dar. Obwohl diese Grenze, auf dem ersten Blick, kaum bewacht wurde, besaß sie dennoch ihre Tücken!
An dieser Stelle ein paar Beispiele:
Am 24.07. 1987 schwammen zwei aus dem Raum Gdansk stammende Jugendliche südlich von Kostrzyn durch die Oder hinüber nach Kietz (heute Küstrin-Kietz). Die beiden sechzehnjährigen beabsichtigten via Kietz weiter nach (Ost)-Berlin zu gelangen , um dort über die "Mauer" hinüber nach Westberlin zu gelangen. Es ist zweifelhaft, dass die beiden auch nur eine Ahnung davon hatten, was sie in Berlin erwartete. Offenbar kannten sie sich nicht einmal mit den lokalen Gegebenheiten an der Oder aus. Ansonsten hätten sie sich einen anderen Übertrittsort ausgesucht. Die dem polnischen Ufer an dieser Stelle gegenüberliegende, zu Kietz gehörende Oderinsel stellte seit Jahrzehnten ein von der sowjetischen Armee besetztes, militärisches Sperrgebiet dar. Das natürlich auch entsprechend bewacht wurde. Kaum am deutschen Ufer angelangt, sahen sich die Jungs auch schon von bewaffneten Wachposten der "Roten Armee" umstellt. Nach einer kurzen Befragung, informierte der diensthabende Offizier der Garnison das VPKA Seelow. Dort wurden die "Grenzverletzer" von der Kriminalpolizei vernommen und noch am selben Tag in Slubice an die polnische Polizei übergeben.
Ein wenig mehr Glück hatte ein dreiunddreißigjähriger Pole, der in einer Februarnacht !! die Oder vom polnischen Gorzyca hinüber nach Reitwein überwand. In den Unterlagen findet sich in diesem Fall kein Hinweis, auf welche Art und Weise die Überwindung des Stroms gelang. Ich gehe aber davon aus, dass er die eiskalte Oder auf keinen Fall durchschwommen sein kann. Ansonsten wäre er wohl kaum lebend angekommen.
Auf jeden Fall konnte sich der Pole bis zum nächsten Abend nach Berlin durschlagen. Auch er wollte weiter nach Westberlin. Dieses Vorhaben endete jedoch am Ostbahnhof, wo er einer Streife der Transportpolizei auffiel.
Am 18.Oktober 1986 stellte sich ein achtzehnjähriger Pole im VPKA Seelow. Der Mann war einige Tage zuvor bei Görlitz über die Neiße illegal in die DDR gelangt. Um nach Berlin zu gelangen, orientierte er sich zunächst an dem Verlauf der Neiße und der Oder. Irgendwann hatte er jedoch die Orientierung verloren. Da der junge Mann die deutsche Sprache nicht beherrschte, konnte er niemanden nach dem Weg fragen. Außerdem hätte er damit auch die Aufmerksamkeit von VP und Grenztruppen auf sich gezogen. Völlig erschöpft, mit seinen Kräften am Ende, landete er schließlich in Seelow, wo er sich der Volkspolizei stellte.
Übertritte gab es aber auch in die andere Richtung:
Am 02.11. 1985, 02:00 Uhr, stellte eine Streife des polnischen Grenzschutzes bei Kostrzyn, zwei aus Buckow und Müncheberg stammende junge Männer. Ihr Ziel bestand in der polnischen Ostsee, wo sie nach Skandinavien flüchten wollten.
Geradezu mysteriös mutet der illegale Grenzübertritt eines Berliners im Mai 1989, im Raum Kienitz, an. Der geplante Übertritt wurde durch einen ausländischen Staatsbürger der eine Liebesbeziehung mit einer Einwohnerin von Kienitz unterhielt, dem zuständigen ABV verraten. Die über das Grenzabschnittskommando Frankfurt (Oder) verständigten polnischen Grenztruppen konnten den Mann tatsächlich unweit der Oder, in einem polnischen PKW sitzend, festnehmen. In diesem Fall konnte man wohl zurecht von einer gezielten Ausschleusung auszugehen. Alles andere ist tatsächlich mehr als "nebulös". Bei dem Ausländer handelte sich meines Wissens nach, um einen Tunesier oder Syrier. Den die besagte Dame aus Kienitz, bei der Ausübung von "Liebesdiensten gegen harte DM" kennengelernt haben soll. Ob das nun allerdings stimmt..... ?
Illegale Grenzübertritte kamen immer wieder vor. Vor allem im Raum Kietz-Bleyen, der vom "Grenzabschnittskommando Frankfurt (Oder) als "Raum der Hauptanstrengung der Grenzverletzer" erkannt wurde. Dabei berechneten die Mitarbeiter des Stabes in Frankfurt (Oder) bestimmte Schwerpunktzeiten, an denen die für den Grenzabschnitt Kietz zuständigen "Grenzabschnittsposten" ihre individuelle Dienstplanung orientieren mussten.
Die weitaus größte Gruppe der "Grenzverletzer" bildeten allerdings die heimwehkranken Deserteure der sowjetischen Armee. Auf dieses Thema komme ich zu einem anderen Zeitpunkt zurück.
Viele Grüße an alle
der Uwe aus dem Oderland