Rituelle Inszenierung staatlicher Anerkennung
Seit 1952 gab es an den Grenzen der DDR sog.Freiwillige Helfer der Grenzpolizei (seit 1961/62: der Grenztruppen), die ehrenamtlich an der Grenze Streife liefen, verdächtige Fremde anzeigen und ihre Nachbarn auf Fluchtvorbereitungen hin überwachen sollten.1 Sie waren gehalten, die für das Grenzgebiet geltenden Regeln und Einschränkungen durchzusetzen, fluchtbegünstigende Umstände zu melden, in der Grenzbevölkerung das Grenzregime zu propagieren und an der Fahndung nach Flüchtlingen teilzunehmen. Insofern betätigten sie sich in einem der von der SED definierten und überwachten gesellschaftlichen Sektoren, in denen gesellschaftspolitisches Engagement erwünscht und gefordert war.2
Nicht alle Grenzhelfer leisteten diesen Grenzdienst gern. Sie mußten nicht nur einen Teil ihrer Freizeit opfern, sondern galten im sozialen Umfeld als Unterstützer und Spitzel des Machtapparats. Deshalb war ihre Motivierung eine der Hauptsorgen der Grenzoffiziere. Hierfür war ein System von Anreizen geschaffen worden, das von geselligen Abenden über Prämien für »verdiente« und Urkunden für langjährige Helfer bis hin zu gelegentlichen Ordensverleihungen reichte.Bestandteil dieses Motivationssystems waren sog. Helferkonferenzen, die mindestens seit 1958 regelmäßig abgehalten wurden. Sie wurden auf Regimentsebene zwei mal im Jahr, von den Grenzbrigaden (seit 1971 Grenzkommandos) einmal jährlich und von der Leitung der Grenztruppen alle zwei Jahre organisiert.
Schon die Delegierung zu solchen Konferenzen bedeutete Belohnung und Auszeichnung, da mit der Teilnahme eine Reise verbunden war und nur die Besten delegiert wurden. Daraus läßt sich schließen, daß vor allem die Eifrigen unter den Grenzhelfern teilnahmen, die ihren Dienst korrekt versahen, regelmäßig an Schulungen teilnahmen – was nicht die Regel war, und »Erfolge« aufzuweisen hatten: Denunziationen und Verhaftungen.Die Konferenzen wurden als »Arbeitstreffen« inszeniert: Grenzhelfer stellten ihre Tätigkeit dar, und Offiziere gaben neue Instruktionen aus. Tatsächlich stand jedoch das Lob im Zentrum: Erfolge bei der Organisation der Helfergruppen und ihrer Tätigkeit sowie das ausgezeichnete Verhältnis zu den Grenztruppen und zur örtlichen Bevölkerung wurden gerühmt.
Zugleich war Gelegenheit zu wohldosierter Kritik etwa derart, daß man sich zuweilen mehr Unterstützung durch die Grenzoffiziere wünsche, daß die Rekrutierung neuer Helfer intensiviert werden könne und die Tätigkeit der Grenzhelfer von den lokalen Instanzen nicht immer ausreichend gewürdigt werde.3 Da die Konferenzen kaum praktischen Nutzen erbrachten, stellt sich die Frage, warum sie überhaupt organisiert wurden. Zentral waren sicherlich Belohnung und Anerkennung, indem Grenzhelfer und teilnehmende Offizieren sich gegenseitig lobten. Vorrangig ging es darum, die Grenzhelfer der Anerkennung seitens der Grenztruppen, des Staates und der SED zu versichern.
Mehr über diese Konferenzen, der nach Anerkennung lechzenden Denunzianten hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 5-saelter/