Die Schikanen des DDR-Grenzregimes begannen bereits an den Kontrollpunkten zum 5-Kilometer-Sperrgebiet. Unglaubliche Dinge und Episoden kann man an den ehemaligen Schlagbäumen des Altkreises Mühlhausen hören. Etwa 500 Meter hinter Struth in Richtung Kloster Zella befand sich dieser Kontrollpunkt zum Grenzgebiet. Foto: privat Eichsfeld. Heute kann ein Seniorenpaar aus Faulungen nur mit dem Kopf schütteln und schmunzeln, welcher herzlosen Willkür man einst zu Sperrgebiets-Zeiten ausgesetzt war. Da hatte ein heute 80-jähriger Mann seine Frau abends schnell noch einmal zum Arzt nach Mühlhausen fahren müssen, doch bei der Rückreise in den Heimatort sollte für beide der Schlagbaum plötzlich geschlossen bleiben. Der Ehemann hatte nämlich sämtliche Ausweispapiere zu Hause vergessen. "Sie können nicht einreisen", lautete die unmissverständliche Ansage des Volkspolizisten. "Wie sind sie denn rausgekommen?", fragte der Beamte. Der Schlagbaum sei offen gewesen, entgegnete der verdutzte Autofahrer.
Das könne nicht sein, gab ihm der Polizist deutlich zu verstehen. Denn: "Ein Schlagbaum ist immer zu." Erst über eine telefonische Rücksprache mit dem Abschnittsbevollmächtigten (ABV) in Faulungen und dessen eindeutiger Personenbeschreibung wurde das Paar schließlich durchgewunken. Der Dorfpolizist wollte am Ende von den alteingesessenen Bewohnern der Sperrzone auch noch 20 Mark Ordnungsgeld für die Verfehlung kassieren.
Fünf Kilometer vor der eigentlichen Grenze in Richtung Westen befanden sich bis 1989 an den Landstraßen in das ehemalige Sperrgebiet jeweils von der Volkspolizei besetzte Kontrollpunkte und Schlagbäume. Hier nahmen also oftmals die Schikanen des DDR-Grenzregimes ihren Lauf. Es spielten sich mitunter unglaubliche Dinge und Episoden ab. Nach Schierschwende, Wendehausen, Lengenfeld/Stein, Katharinenberg, Faulungen oder Hildebrandshausen durften zu DDR-Zeiten außer den Bewohnern nur Leute mit einer Sondergenehmigung einreisen. Erforderlich waren ein Vermerk im Personalausweis oder eben der Passierschein für Besucher.
Für Gäste aus der Bundesrepublik gab es grundsätzlich keine Einreise in das Sperrgebiet des Arbeiter- und Bauernstaates. Sie mussten sich zu Begegnungen und Feiern mit ihren Verwandten außerhalb der Sperrzone treffen. Oftmals gingen die Volkspolizisten sogar mit Maschinenpistole und aufgesetztem Bajonett durch die Busse und kontrollierten die Fahrgäste. Beim Anblick eines scharf bewaffneten Kontrolleurs will einmal ein Fahrgast am Struther Schlagbaum gesagt haben: "Kommst du schon wieder mit dem Distelstecher?" Diesen deftigen Scherz verstand man ganz und gar nicht.
"Heute müssen wir mal kontrollieren", hieß es manchmal mit einem Augenzwinkern von den Beamten an den Schlagbäumen zum Sperrgebiet, obwohl man eigentlich jeden Bus- oder Autoinsassen längst persönlich kannte. Das hing ganz einfach damit zusammen, dass unweit der Kontrollstelle ein Vorgesetzter mit dem Fernglas auf der Lauer liegen würde und sehen wollte, ob denn seine Leute auch vorschriftsmäßig ihren Dienst versahen."Gerade ist Sigmund Jähn mit Fahrer durchgekommen", will ein Polizist Ende der 1970er-Jahre an der Kontrollstelle hinter Struth ganz aufgeregt zwei nachfolgenden Männern in ihrem Auto zugerufen haben. Willi Tasch und Heinz Blankenburg beeilten sich und nahmen die Verfolgung zu dem vermeintlichen Kosmonauten auf. Kurz hinter der Brücke in Lengenfeld gab es dann ein mächtiges Gelächter, als nicht der Sigmund Jähn, sondern "nur" Ralf Brandt aus dem Auto gestiegen war. Er war einst der Fluglehrer des DDR-Kosmonauten und trug eine Offiziersuniform.
Was Jahre zuvor an dem verhängnisvollen 13. August 1961 geschah, hielt damals auch Helmut Laufer (81) aus Heyerode in seinem Tagebuch fest: "In dieser Nacht Westberlin abgeriegelt durch Stacheldrahtzaun der Ostzonenregierung."
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