Ralf Kirstens Karriere-Ende bei der Volkspolizei
Diese Minuten, in denen es um Alles oder Nichts ging, haben sich in das Gehirn von Ralf Kirsten eingebrannt, als seien sie gerade erst geschehen.
Weimar/Suhl. Der hohe Funktionär der Volkspolizei aus dem Innenministerium der DDR war eigens für die skandalösen Vorgänge aus Berlin in das weit von der Hauptstadt gelegene Suhl gereist, um den jungen Kriminalpolizisten Kirsten Maß zu nehmen. Man sei bereit, die Beziehung zu seiner damaligen Freundin, die einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik gestellt hatte, als "einmalige Verfehlung" zu betrachten und zu den Akten zu legen. Aber das nur, so der wenig amüsierte Vollstrecker der sozialistischen Staatsmacht, wenn Kirsten sich von der Frau trennen würde. Ansonsten hätte die Liaison für Kirsten Konsequenzen. Im Klartext: Man würde den leidenschaftlichen Kriminalpolizisten kurz nach seinem abgeschlossenen Studium gleich wieder aus der Volkspolizei rauswerfen. Die Szene spielte sich in der Suhler Bezirksbehörde der Volkspolizei ab, in dem Gebäude, in dem heute die Landespolizeiinspektion ihren Sitz hat, zwischen Döllberg und Friedberg.
Kirsten wurde für zehn Minuten aus dem Raum geschickt, um dann die Entscheidung zwischen Geliebter und Volkspolizei mitzuteilen. Kirsten: "Ich bin raus, habe zwei Zigaretten geraucht und bin dann wieder rein und habe denen gesagt, dass es für mich keinen Grund gibt, an dieser Frau zu zweifeln und dass ich zu ihr halten werde." Die Reaktion kam ohne weitere Diskussionen postwendend. Kirsten wurde aufgefordert, seine Dienstwaffe auf der Stelle abzugeben. "Als ich nach meiner Pistole gegriffen habe, sprangen sofort zwei Chefkriminalisten dicht an mich heran, ich nahm das Magazin heraus, gab meine Waffe ab. Mir war klar: Das wars."
Damals, 1988, lag Kirstens Traumkarriere als Polizist abrupt in Trümmern, bevor sie richtig begonnen hatte. Den Oberen der Volkspolizei war das aber noch nicht genug. Sie wollten Kirsten zusätzlich demütigen. Die Angehörigen der Suhler Kriminalpolizei mussten geschlossen in einen Schulungsraum einrücken, um den geschassten "Verräter" gebührend zu verabschieden. Nachdem der Suhler Kripo-Chef sein "Achtung" in die Runde geschrien hatte, durften sich alle setzen: nur Kirsten musste stehen. Die Rede gipfelte in den Worten: "Wer den Klassenfeind in den eigenen Reihen der Familie hat, kann kein Genosse der Kriminalpolizei sein."
Kirsten ärgert sich noch heute, dass ihn derselbe Polizeigeneral rehabilitierte, der ihn vorher schikaniert hatte. Kirstens Urteil ist eindeutig: "Zu viele von diesen Polizeioffizieren haben noch lange nach der Wende auf ihren Posten gesessen." Ralf Kirsten konnte das nicht ertragen. Er verließ Suhl, ging ans Fortbildungsinstitut der Thüringer Landespolizei und von dort zur Polizei-Akademie nach Münster, um sich für den höheren Polizeidienst zu qualifizieren. Dort schrieb er eine kritische Abschlussarbeit über die Ausbildung bei der Deutschen Volkspolizei.
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