Die Kobolde und ihr Pionier
Am 1. Juni 1955, dem Internationalen Tag des Kindes, ließ die DDR Comics verbrennen. Die Aktion war gut vorbereitet; man hatte Flugblätter gedruckt, die zum Beispiel so lauteten: „Bei Hitler waren es Wehrertüchtigungslager, heute ist es die Schundliteratur - frisch importiert aus den USA. Das Ziel ist die Vorbereitung der Jugend auf einen neuen Krieg. Das Ergebnis: Schlachtfelder, Atom- und Wasserstoffbomben, Massengrab.“ Man traute den westlichen Comics einiges zu. Deshalb wünschte das Zentralkomitee der SED sich eigene Comics.
Das „Mosaik-Kollektiv“, das seinem sozialistisch geprägten Namen zum Trotz keine gemeinschaftlich verwaltete Comicproduktionsstätte war, sondern ein privates Atelier mit bis zu einem Dutzend Angestellten, die alle das zu tun hatten, was Hannes Hegen anordnete. Mit anderen Worten: Es war ein knallharter Privatbetrieb mitten in der DDR.
Hegen hatte noch bis zum Mauerbau Comics als Anschauungsmaterial in West-Berlin gekauft, später bekam er vom DDR-Zoll Hefte zur Verfügung gestellt, die an der Grenze bei Einreisenden konfisziert worden waren.
Mehrfach stand das „Mosaik“ vor dem Aus. Für die Ausgabe 37 war 1959 schon ein fertiges Titelbild gezeichnet, das die sich traurig verabschiedenden Helden zeigt. Es musste nicht gedruckt werden.
1975 jedoch war der gegenseitige Überdruss von Hegen und dem Staat zu groß geworden. Die Drohung des Zeichners, bei einer Umfangkürzung den Vertrag zu kündigen, nahm der Verlag an. Mit Heft 223 war Schluss, und auf dem letzten Bild reiten die drei Kobolde auf Dromedaren in die Wüste: „Als die Digedags ihren Gastgebern ein letztes Lebewohl zuwinkten, da wussten sie, dass es dieses Mal ein Abschied für alle war, die sie kannten und die sie liebten“, steht darunter.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/ ... 58723.htmlAZ